Die Volksinitiative «No-Billag» im Spiegel der Schweizer Musikhochschulen
Die so genannte «No-Billag-Initiative» gefährdet das Schweizer Kulturschaffen. Vertreter von Schweizer Musikhochschulen nehmen im Interesse der Musik dazu Stellung – im Gespräch und mit Stellungnahmen zu den kulturellen Auswirkungen und möglichen Konsequenzen.
Peter Kraut — Die «No-Billag-Initiative» ist ein direkter Angriff auf das einheimische Musikschaffen, freilich ist das auf den ersten Blick nicht klar. Die Initiative müsste ja korrekterweise «No SRF» heissen, weil sie per Verfassung dem Bund verbietet, eigene Radio- und TV-Anstalten zu betreiben (Artikel 6: «Der Bund betreibt in Friedenszeiten keine eigenen Radio- und Fernsehstationen»). Wenn wir als einziges westeuropäisches Land aber keine öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten mehr hätten, die per Gesetz unabhängig und ausgewogen informieren müssen, dann würden wir ein wichtiges und sinnvolles Glied in vielen Förderbereichen verlieren. Der Bund fördert per Verfassung und Gesetze ja nicht bloss Kultur, sondern auch Sport, Sprachenvielfalt, Landwirtschaft, Grundlagenforschung, Umweltschutz, Denkmalpflege und ganz vieles mehr. Die Dokumentation dieser Verfassungsaufträge mittels Radiosendungen und TV-Formaten (etwa Kultursendungen, Sportübertragungen, Diskussionen, Reportagen etc.) ist grundlegend für den politischen Diskurs. Wenn SRF nicht mehr über wichtige Bereiche des öffentlichen Lebens berichtet, die gemäss Verfassung gefördert werden müssen, dann können wir uns auch kein Bild mehr darüber machen, ob diese Aufgaben sinnvoll sind und wie sie allenfalls zu verändern wären. (Und es ist nicht davon auszugehen, dass private Medien in diese Lücke springen werden, da sie primär einen kommerziellen Auftrag haben). Unsere Demokratie würde also selber eine ihrer wichtigsten Voraussetzungen und Entwicklungsmöglichkeiten – die öffentliche Diskussion – massiv beschneiden. Deshalb ist die «No-Billag-Initiative» so gefährlich und demokratiefeindlich.
Für die Musik wird es besonders kritisch, schon nur weil der SUISA, also der schweizerischen Urheberrechtsgesellschaft für Musik, knapp 40 Millionen Franken an Einnahmen fehlen werden, die sie durch SRF-Sendungen erhält. Das trifft die schweizerischen Urheber ganz direkt. Aber auch indirekt, denn das vielfältige Musikschaffen wird ohne SRF viel schlechter dokumentiert werden. Kein Medium berichtet so ausführlich und detailliert über die schweizerischen Musikszenen wie SRF2. Lokalradios, die das lokale Musikschaffen fördern, würden eingehen. Tessiner oder rätoromanische Musik wäre kaum mehr zu hören. Zudem fallen ohne SRF viele wichtige Filmproduktionen weg (wie etwa Tatort, Wilder, Der Bestatter, Dokumentarfilme etc.), die der schweizerischen Film- und Musikbranche wichtige Plattformen bieten. Diese Liste der negativen Auswirkungen der Initiative liesse sich verlängern. «No-Billag» löst kein einziges Problem und leistet keinen Beitrag zur Weiterentwicklung der Kulturlandschaft, sondern entlastet lediglich Personen und Firmen von Mediengebühren, die, ähnlich wie Steuern, eine zentrale und solidarische Ressource darstellen für das Funktionieren unserer Gesellschaft.
Dass «No-Billag» für die gesamte Musiklandschaft verheerend wäre, beweisen auch die starken Statements gegen die Initiative von so unterschiedlichen Musikschaffenden wie The Young Gods, Peter Reber, Gotthard oder Andrew Bond. Wem die Vielfalt des schweizerischen Musikschaffens ein Anliegen ist, muss diese Initiative ablehnen.
Peter Kraut
… ist stv. Fachbereichsleiter Musik an der Hochschule der Künste Bern HKB/BFH