Musik kennt
kein Alter

Ältere Menschen wollen
kulturell aktiv bleiben. Sie wollen ihre Freiräume nutzen und Kulturtechniken
weiterpflegen oder gar neu
erlernen. Erfüllung bringen kann ihnen nicht zuletzt die Beschäftigung mit Musik.


Für Wieder- oder Neueinsteiger gilt es im fortgeschrittenen Alter die Musik für sich (neu) zu entdecken, zu singen, ein Instrument zu spielen oder zu erlernen. Sie haben die Möglichkeit, Anschluss an instrumentale Ensembles oder an einen Chor zu finden und Musiklehre- oder Musikgeschichtswissen zu vertiefen.


Das Alter kennt allerdings oftmals keine Musik mehr, weil sich die Bedingungen ändern und die Zugänge zum Musizieren erschweren. Das Musizieren sollte aber in jeder Lebensphase im Alter möglich sein. Dies gilt für mobile ältere Menschen, die noch problemlos zur Musikschule kommen, sich einen Chor oder ein Ensemble suchen können. Es trifft aber auch auf gesundheitlich beeinträchtigte und möglicherweise dementiell veränderte Menschen zu, zu denen Musikschulen oder freiberufliche Musiklehrer ihre Angebote tragen und dazu auch Kooperationen mit Alteneinrichtungen eingehen. Oftmals gelten auch intergenerative musikalische Angebote als besonders erfolgreich, besonders beliebt etwa zwischen Enkel- und Grosselterngeneration.


Die Musikschulen sollten sich folglich noch stärker Gedanken machen, wie Singen, Musizieren und Musiklernen im Alter gelingen kann. Das Ziel: ein flächendeckendes und barrierefreies Angebot in gut erreichbaren und gestalteten Räumen für Ältere in unterschiedlichsten Lebenslagen. Es muss sich an individuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten orientieren – auch finanziell und zeitlich – und musikalisch qualitativ Hochwertiges schaffen.


Im Alter musizieren kann dann bedeuten, gewonnene freie Zeit sinnvoll zu füllen, Selbstwirksamkeit zu erfahren, am öffentlichen kulturellen Leben (weiterhin) teilzuhaben, soziale Kontakte zu pflegen und Geselligkeit zu erfahren. Damit wird auch Gesundheitsprävention betrieben und auf verschiedensten Ebenen – kognitiv, motorisch, emotional und sozial – auf den Alltag im Alter vorbereitet. Musik im Alter vermag überdies, spirituelle Dimensionen zu entfalten. Selbst in einen so delikaten Bereich wie die Sterbebegleitung kann Musik in aller Behutsamkeit hineinreichen und einen schützenden Mantel (pallium) anbieten.


Ebenso kann Musik auch die Pflege unterstützen. Vieles geht leichter von der Hand, wenn dabei gesungen oder gesummt, Lieder und Musikstücke einfach nur erwähnt oder auch über Musik oder über frühere Erlebnisse gesprochen wird, bei denen Musik eine Rolle spielte.


Immer wieder kann man beobachten, dass Musik eine beruhigende Wirkung auf Unruhezustände oder auch herausforderndes Verhalten entfaltet. Es ist dann auch für die pflegenden Menschen und die Pflegeinstitutionen äusserst angenehm, wenn sich die Atmosphäre innerhalb der Pflegesituation durch die Beteiligung von Musik deutlich verbessert. Passende Musik kann in diesem Zusammenhang Zuwendung bedeuten oder bei Demenz auch identitätsstärkend wirken.


Musikangebote für Ältere dürfen keinesfalls als eine überstülpende musikalische Späterziehung aufgefasst werden, sondern einzig als Ermöglichungsdidaktik. Es geht um das Initiieren ästhetischer Erfahrungsfelder, in denen sich Ältere selbstbestimmt musikalisch betätigen, aber auch lernen und sich bilden können. Eine so verstandene Musikgeragogik wird sich in dialogischen Prozessen und einer wertschätzenden Kommunikation – durchaus auch validierend etwa bei Demenz – an den Bedürfnissen sowie den Lebensgeschichten und Lebenswelten der Beteiligten zu orientieren haben. Gerade die biografische Dimension nimmt ja bei Älteren aufgrund der langen Lebenserfahrung eine besondere Rolle ein.


Musikgeragogik darf nicht mit
Musiktherapie verwechselt werden: Zwischen beiden gibt es sicherlich auch Schnittmengen, etwa bei den Zielgruppen, dem Instrumentarium und den Methoden. Aber die Ziel-setzung ist ganz klar eine andere: Musikgeragogik schafft für musikalisches Lernen, Bilden und Ausüben die Voraussetzungen. Aber Musikgeragogik will nicht therapieren, das bedarf
gezielter Anamnesen, Diagnosen und standardisierter Verfahren. Das schliesst aber natürlich nicht aus,
dass sich durch das musikalische Tun und Erleben viele aussermusikalische und gesundheitsfördernde Transfers ergeben. Solche sind sogar sehr willkommen.


Weiterführende Materialien:


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