Gesundes Musizieren
von früh auf

An ihrem 11. Symposium
haben die Schweizerische
Gesellschaft für Musik-
Medizin (SMM) und die Schweizerische Interpretenstiftung in den Räumen der Zürcher Hochschule der
Künste (ZHdK) «Gesundes
Musizieren im Kindes- und
Jugendalter» thematisiert.


Kinder und Jugendliche sind mit Blick auf Physis und Psyche speziell gefordert. Zum einen verändern sich ihre Körper während des Erlernens eines Instrumentes erheblich, worauf sie mit ständigen ergonomischen Neuanpassungen reagieren müssen. Zum andern bewegen sie sich in komplexen Spannungsfeldern aus eigenen, noch nicht konslidierten Lebensentwürfen und Erwartungen von Eltern, Schulen und Freundeskreis. Darüber diskutierten am 26. Oktober in Zürich ausgewiesene Fachleute – routiniert und kundig moderiert vom Tessiner Arzt Adrian Sury.


Auf eine weitere Herausforderung wies an dem von der SMM-Gründerin Pia Bucher geleiteten Symposium im ersten Referat des Tages Elisabeth Danuser, die Leiterin Weiterbildung der ZHdK: Schulklassen und Musizierklassen werden heute in Sachen Aufmerksamkeit und Vorbildung immer heterogener. Da gilt es auch immer wieder, individuelle Strategien der Musikvermittlung und -einübung zu entwickeln. Der ZHdK-Musikphysiologe Horst Hildebrandt bot in der Folge einen Überblick über die Initiativen und Institutionalisierungen der Gesundheitsvorsorge an Musikschulen und -hochschulen im deutschsprachigen Raum. Mit der 1993 von ihm gegründeten Musikphysiologischen Beratung Lahr war er in Deutschland ein Pionier der Angebote für Musikschulen. Mussten sich Musiker mit entsprechenden Problemen zuvor noch an Ärzte wenden, die ihre berufs- oder tätigkeitsspezifischen Probleme als solche nicht zu erkennen vermochten, stehen ihnen heute in Ausbildung und Berufsalltag speziell geschulte Fachleute zu Seite, mittlerweile auch an den Musikhochschulen selber.


Christine Bouvard Marty, die Präsidentin des Verbandes Musikschulen Schweiz (VMS) formulierte Regeln für den integrativen Musikunterricht. Angesichts der immer komplexeren Aufgaben steht dieser vor speziellen Herausforderungen. Neben der Vielfalt der Vermittlungsmethoden betonte die Referentin dabei vor allem die multiplen sinnlichen Aspekte: Musizieren mit Kindern und Jugendlichen muss alle Sinne und vor allem auch die Bewegungslust der Heranwachsenden mit einbeziehen, damit sie Musizierpraxis und Körperbild immer neu harmonisieren können.


Bewegungsarmut und
Aufmerksamkeitsstörungen


In Workshops thematisierten der in Zürich wirkende Musikphysiologe Oliver Margulies und die Frankfurter Physiotherapeutin Alexandra Türk anatomische und physiologische Eigenheiten jugendlichen Musizierens. Margulies stellte die Diagnosemöglichkeiten zu Musikerhänden vor, die in Hannover in Pionierarbeit von Christoph Wagner entwickelt worden sind. Sein Hannover Hand-Kompetenzzentrum ist mittlerweile von der ZHdK übernommen worden. Alexandra Türk exemplifizerte am Beispiel einer heranwachsenden Absolventin des Konservatoriums Zürich die Auswirkungen körperlicher Veränderungen auf das Instrumentalspiel. Vor allem die in einer bestimmten Phase schnell wachsenden Mädchen müssen dabei auf Phänomene wie den «Rundrücken» und eine Neukalibrierung ihres Gleichgewichtssinnes achten.


Der Luzerner Rheumatologe Urs Schlumpf wies darauf hin, dass die instrumentenspezifischen Beschwerden bei Kindern und Jugendlichen tendenziell zunehmen. Den gestiegenen Anforderungen in einer immer wettbewerbsbetonteren Gesellschaft kann aber mit kindergerechten Instrumentenvarianten, konsequenten Aufwärmprogrammen und kluger Einteilung von Über- und Spielzeiten entsprochen werden. Die Zürcher Kinder- und Jugendpsychiaterin Dominique Simon schliesslich relativierte einiges an den immer inflationäreren psychischen und sozialen Störungsdiagnosen von Kindern und plädierte für einen enstpannteren Umgang mit sogenannt «schwierigen» Musikschülern.


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