Blasinstrumente – Musiker im Stresstest
Die Anforderungen an Lunge und Musiker sind beim Einsatz von Blasinstrumenten hoch. Ihr Spiel ist, richtig gemacht, trotzdem gesund für Körper und Seele.
Bläser und Bläserinnen sind hochspezifisch trainierte Musiker. Auf ihrem Instrument erzeugen sie unter physischer Höchstleistung feinste Kunst. Dabei leben sie täglich die Einheit von Leib und Seele vor. Wenn im Folgenden von Drucken, Flüssen und Koordination die Rede ist, dann soll nicht vergessen werden, dass die meisten Probleme in der pneumologischen Musikersprechstunde die Atmung und nicht einfach die Lunge betreffen. Die physikalischen Grössen sind wichtig, beschreiben aber das Atmen nicht ausschöpfend. Mehr noch als im Sport, verlangt die Musik den Einsatz der Seele. Oft wirkt sie nach Unfällen, bei Überforderung, Angst, Erschöpfung oder Übernutzung störend mit. Deshalb arbeiten beim Atmen Mediziner in einem engen Verhältnis mit Berufen zusammen, welche die seelische oder mentale Funktion im Fokus haben.
Das Blasen ist jedem gesunden Menschen gegeben. Er kann eine Kerze ausblasen oder eine Pusteblume zerpusten. Man erzeugt einen Druck durch die Ausatem-Muskulatur (Brustkasten) unter Stabilisierung der Einatem-Muskulatur (Zwerchfell) und kontrolliert im Rachen/Kehlkopf den Druck und Fluss. Sänger formen hier bereits die Töne (Schwingungen), Trompeter etwas später mit den Lippen und Holzbläser in Blatt oder Rohr. Die Sache wäre also recht einfach. Die Kunstform verlangt aber Virtuosität und damit Höchstleistungen.
Häufiges Nachfragen bestätigt: die Kenntnis technischer Daten ist nützlich. Der mittlere Druck wird mit dem Mass «Millimeter Quecksilbersäule» beschreiben (mmHg) und beträgt beim Pfeifen etwa 5 mmHg, beim Sprechen 10 mmHg, beim Ausblasen einer Kerze (auf 50 cm) 20 mmHg und beim Luftballonaufblasen 60 mmHg. Die Flöte verlangt einen minimalen Anblasdruck von 0.5 mmHg (mittlerer Druck 1-6 mmHg), die Oboe aber 28 mmHg (mittlerer Druck 30-48 mmHg). Die Oboe verlangt eine maximale Flussrate von etwa 150 ml/s (Milliliter pro Sekunde), wo die Flöte 612 ml/s braucht. Die Tuba dagegen verlangt dem Musiker 1700 ml/s ab. Der maximale Anblasdruck bei der C-Trompete liegt bei 120-130 mmHg und bei der Piccolotrompete gar bei 170-180 mmHg. Der Anblasdruck nimmt in Abhängigkeit von Lautstärke und Frequenz der erzeugten Töne zu.
Dürfen kleine Kinder Trompete spielen? Ja! Weil bei 7 mmHg (minimaler Anblasdruck) schon ein Ton entsteht und im Mittel 13-42 mmHg ausreichen, um einfache aber schöne Musik zu machen. Niemand wird also dem Kind das Ausblasen der Kerze verbieten (60 mmHg). Wer aber Sinfonien von Mahler und Strauss oder ein Brandenburgisches Konzert spielt oder Leadtrompeter in der Bigband sein will, der wird die oben erwähnten Spitzendrucke erbringen müssen. Es ist, was alle Musiklehrer wissen, nicht das Instrument, sondern die Literatur und die Spieltechnik entscheidend.
In den 60er-Jahren wurden in mehreren Studien viele Daten (auch die obigen Druckwerte) gemessen. Die Lungenausmessung bei Bläsern/Sängern vs. gesunde Kontrollen zeigten im Schnitt 1 Liter mehr Gesamtvolumen und einen ½ Liter mehr Erstsekundenvolumen bei jungen Musikern als bei Nichtmusikern. Dieser Vorteil verlor sich aber bei den 45- bis 54-jährigen Musikern. Der Grund? Zigarettenkonsum machte alles Trainieren zunichte.
Atmen ist nicht gleich Atmen. Jeder Yogi oder Meditierende weiss und lebt das. Beim Musizieren atmet man anders. Musiker atmen nach der Musik, nach Phrasen. Meistens atmen sie lang und langsam aus, um dann an geeigneter Stelle rasch die für die nächste Phrase richtige Luftmenge einzuatmen. Man denke an die unterschiedlichen Flussraten der Instrumente (siehe oben). Es wird klar, dass eine Tubistin anders atmen muss als ein Oboist.
Es gibt wenige Erkrankungen oder Verletzungen der Atemorgane, die durch das Musizieren entstehen. Oft finden sich wie anfangs beschrieben Atemstörungen, wenn Leib und Seele nicht mehr im Gleichgewicht sind. Am weitaus häufigsten sehen wir in der Sprechstunde Lungenerkrankungen oder Verletzungen die das Musizieren stören. Es scheint als hätten die Blasmusiklehrer ihre Arbeit gut gemacht.
Dr. med. Peter Jules Gerber, FCCP
Lungenpraxis Bern West
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