Musiker mit Hörgerät? Völlig unmöglich
Wären in einem Orchester alles Brillenträger, würden wir uns nichts dabei denken. Ein Orchester voller Hörgeräteträger, da wären wir wohl etwas irritiert. Tatsächlich ist das Thema Hörminderung ein schwieriges für Musiker. Modernste Technik bietet aber auch für sie gute Lösungen.
Musiker sind in ihrer täglichen Arbeit Schallpegeln ausgesetzt, die ab einer gewissen Dosis hörschädigend wirken. Und damit wird für die Ohren leider auch Mozart irgendwann zu Lärm. Vieles wird unternommen, um sie vor Hörschädigungen zu schützen, und es gibt gute, klangneutrale Gehörschütze, sowohl solche ab der Stange, als auch massgeschneiderte. Das Problem ist allerdings, dass sehr leise Musik quasi aus dem Nichts aufsteigt, und um solche Passagen und Einsätze hundertprozentig präzise zu hören, ist vielen schon ein geringer Gehörschutz zuviel.
Dumm nur, wenn im nächsten Satz das Orchestertutti Lautstärkepegel von 90 oder 100 dB produziert. Was dann passiert, nennt der Ohrenarzt die «c5-Senke»: eine lärmbedingte Hörminderung, die sich am stärksten im Bereich des fünfgestrichenen c bei etwa 4000 Hz manifestiert. Also genau dort, wo die für das Sprachverstehen wichtigen Konsonanten angesiedelt sind. Ist das Gehör dort geschädigt, wird der Tisch zum Fisch und der Fluss zum Kuss, was zu peinlichen Situationen führen kann.
Es ist bekannt, dass Betroffene über Jahre versuchen, ohne Hörgeräte auszukommen. Sie entwickeln unterschiedliche Strategien, den Hörverlust zu vertuschen: eine davon ist, schwierige Situationen zu meiden, wie beispielsweise die akustisch berüchtigte Cocktail-Party. Wenn «normale Menschen» sich schon so schwer tun, Hörgeräte zu tragen, wie ungemein schwieriger muss dann für Musiker die Vorstellung sein, mit Hörgeräten vors Publikum zu treten? Für viele fast undenkbar.
Moderne Hörsysteme sind sehr klein und können ¬– die entsprechende Frisur vorausgesetzt – fast perfekt versteckt werden. Wer nicht über die nötige Haarpracht verfügt, für den sind die Geräte allerdings nicht so unscheinbar. Entweder sie sitzen hinter den Ohren, mit einem Schläuchlein in den Gehörgang, oder sie sitzen direkt im Ohr. Aber man sieht sie dort leider oft noch, weil die Elektronik doch zu gross ist für den Gehörgang.
Seit neustem gibt es nun aber wirklich hundertprozent unsichtbare Hörsysteme. Diese werden vier Millimeter vor dem Trommelfell platziert und bleiben dort bis zu vier Monate, Tag und Nacht. Sie sind im Gegensatz zu herkömmlichen Hochleistungs-Hörsystemen mit relativ wenig Technik und Funktionalitäten ausgerüstet. Sie arbeiten mit der sogenannten «Wide Dynamic Range Compression», nach welcher die Verstärkung ständig an die akustische Umgebung angepasst wird.
Man muss sich das so vorstellen, dass Signale in leiser Umgebung überproportional angehoben werden, und dass in lauter Umgebung die Signale mittels Kompression gedämpft werden. Für den Hörgeschädigten hat das den zweifachen Vorteil, dass leise Signale gehört werden und dass laute aber nicht als unangenehm empfunden werden. Die maximale Lautstärke, welche die Geräte über die gesamte Frequenzbreite erzeugen, liegt bei 103 dB. Das bedeutet, dass ein fulminantes «Grande Finale» mit den Geräten etwas weniger laut sein wird als in der Realität. Denn durch den tiefen und akustisch dichten Sitz der Geräte wirken sie schon fast als Gehörschütze.
Nicht jeder Musiker oder Musikgeniesser wird diese Einschränkung akzeptieren. Wer kein Problem damit hat, dass man seine Hörsysteme sieht, für den stehen sehr leistungsfähige Technologien zur Verfügung, welche Eingangspegel von bis zu 106 dB verarbeiten können. Wichtig ist, dass man sich professionell beraten lässt und zusammen mit dem Hörakustiker die Programmierung anhand der eigenen Musik vornimmt. Das braucht Spezialwissen und die entsprechende Infrastruktur.
Wer nicht will, dass man von seiner Hörhilfe irgend etwas sieht, den kann ich bestens verstehen. Während 15 Jahren habe ich selber herkömmliche Hörsysteme getragen, bis ich auf diese neuen, unsichtbaren umgestiegen bin. Ich habe Verständnis für alle, die sich eine diskrete Lösung wünschen.
So oder so, wer die Ansagen des Dirigenten oder das Pianissimo seiner Kollegen nicht mehr hört, der sollte schleunigst etwas unternehmen.
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