Besser nicht
zu Tränen gerührt

Emotionen wie Weinen, Wut oder Zorn, aber auch Staub, Wind, kalte Luft, Reizgase und so weiter bringen die ­Augen zum Tränen. Das kann insbesondere beim Musizieren zu Problemen führen.


Georg von Arx — Oft treten wässerige oder gar tränende Augen nur in speziellen Situationen auf. Bei anspruchsvollen visuellen Tätigkeiten wie zum Beispiel Lesen, Arbeit am PC oder beim Musizieren, können schon leicht wässerige Augen zu einer erheblichen Leistungsverminderung führen. Häufige Gründe für tränende Augen sind Bindehautentzündungen, trockene Augen, Lidfehlstellungen, Abflussbehinderungen in den ableitenden Tränenwegen und vieles anderes mehr. Auf diese Ursachen soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.


Für Musiker und Musikerinnen sind funktionelle Störungen, die keine offensichtliche Ursache zu haben scheinen, wichtiger, da sie schwer zu kontrollieren sind. Im Zusammenspiel von lokalen und zentralen Steuerungsfaktoren bei visuell anspruchsvoller Tätigkeit verursacht eine zentral, das heisst durch das Hirn und Nervensystem gesteuerte Verminderung der Lidschlagfrequenz eine vermehrte Verdunstung des Tränenfilms und somit ein relativ trockenes Auge.


Je mehr wir uns auf unsere visuelle Aufgabe konzentrieren, desto seltener wird der Lidschlag. Der Tränenfilm wird instabil, bricht auf und verursacht einen «Trockenheits-Reiz» der Hornhaut, der seinerseits nun über einen Reflexbogen eine vermehrte, teils überschiessende Tränensekretion auslöst. Dies kann insbesondere bei ungenügender Beleuchtung (zum Beispiel im Orchestergraben) noch verstärkt werden, da wir dann reflektorisch die Augen noch mehr «aufreissen» und noch weniger häufig blinzeln. Die optimale Beleuchtung des Notenpultes (ohne Blendeffekte!) ist daher auch in dieser Hinsicht wichtig.


Ein Lidschlag oder Blinzeln ist ein schnelles, meist unwillkürliches und unbemerkt ablaufendes Schliessen und Öffnen der Augenlider (Lidschlussreflex), das in erster Linie der Aufrechterhaltung des Tränenfilms und somit der optimalen optischen Qualität des visuellen Systems dient. Pro Minute blinzeln wir normalerweise etwa 12 bis 15 Mal, also alle 4 bis 6 Sekunden, wobei dies über eine Zeitspanne von durchschnittlich 300 bis 400 Millisekunden geschieht. Die durch den Lidschluss bedingte Dunkelphase wird nicht bewusst wahrgenommen, da die visuelle Wahrnehmung in den zuständigen Bereichen des Gehirns kurz vor dem Blinzeln unterdrückt wird.


Monotone visuelle Arbeit, insbesondere wie bereits erwähnt bei zusätzlich mangelhafter Beleuchtung des Arbeitsfeldes und Arbeiten mit hohen visuellen Anforderungen führen zum Starren auf das Arbeitsfeld mit Abnahme der Lidschlagfrequenz um mehr als 50 Prozent. Häufige, aber kurze Unterbrechungen der Arbeit für einige Minuten können die Befeuchtung der Hornhaut ausreichend verbessern, so dass keine vermehrte reflektorische Tränensekretion und somit kein wässeriges Auge entsteht.


Vernetztes «Tränenzentrum»


Weinen kann Ausdruck ausgeprägter Emotionen sein wie Schmerz, Trauer, Hilflosigkeit, Angst, Gefühl tiefer Kränkung und Ungerechtigkeit. Diese emotional verursachten Tränen spielen bei professionell Musizierenden insofern keine Rolle, als sie in Ausübung ihres Dienstes die Emotionen zu kontrollieren gelernt haben. Das «Tränenzentrum» ist nämlich mit verschiedenen Hirnregionen wie zum Beispiel dem limbischen System («Gefühlszentrum»), aber auch mit dem Frontalhirn vernetzt. Die Funktionen des Frontalhirns betreffen die Aufnahme und Verarbeitung (Kontrolle) von sensorischen Informationen für Wahrnehmung, Denken, Sprache, motorische Operationen, Aktivitäts-, Bewegungs- und Handlungssteuerung, Willkürbewegungen und -handlungen, Bewusstsein, höhere intellektuelle Prozesse sowie emotionell-affektive Aspekte des Verhaltens.


Trotzdem kann ein besonders «rührendes» Musikstück schon einmal die entsprechende emotionale «Taste» berühren und uns zum Weinen bringen, was dann die klare Sicht auf das Notenblatt trüben kann. Nicht ganz selten kommt es auch zu wässerigen oder gar tränenden Augen durch eine schlecht korrigierte Fehlsichtigkeit. Denn das Auge muss sich dann viel mehr anstrengen, um gut sehen zu können. Auf die beruflichen Bedürfnisse individuell und optimal angepasste Sehhilfen können Abhilfe schaffen.


Dr. med. Georg von Arx


Augenarzt FMH


Admedico Augenzentrum


Fährweg, 4600 Olten


> info@admedico.ch

Das Gehirn von
Pianisten

Sehr gute Pianisten müssen präzise und vor allem sehr schnelle Fingerbewegungen durchführen, um die klassischen Musikstücke zu bewältigen. Das intensive Training verändert auch das Gehirn.


Bei besonders anspruchsvollen Musikstücken (wie zum Beispiel bei einigen Passagen der 6. Paganini-Etüde von Franz Liszt) dürfen die Intervalle zwischen den einzelnen Fingerbewegungen 30 Millisekunden nicht überschreiten. Sie müssen zudem höchst präzise realisiert werden. Im Vergleich dazu sind die schnellsten Intervalle, die nichtgeübte Musiker erreichen, eher bescheiden (ca. 150 Millisekunden). Eine Reihe von Untersuchungen belegen, dass mehr als 10 000 Trainingsstunden aufgewendet werden müssen, um professionelle Spielleistungen zu ermöglichen. So intensive Trainings hinterlassen «Spuren» in den an der Expertise-Kontrolle beteiligten Hirngebieten. Besonders die in die motorischen Gebiete eingebundenen Hirngebiete weisen teilweise erhebliche anatomische und neurophysiologische Veränderungen auf.


Die bislang zu diesem Thema publizierten neuroanatomischen Arbeiten haben gezeigt, dass bei Pianisten vor allem die primären Motorareale, welche die Finger kontrollieren, auf beiden Hemisphären besonders gross geworden sind. Diese Grössenveränderungen äussern sich in grösserem Volumen des neuronalen Gewebes, aber auch in einer grösseren kortikalen Oberfläche im Handmotorkortex. Neben diesen Volumenunterschieden können auch Veränderungen der Kabelsysteme ausgemacht werden, welche die motorischen Hirngebiete mit den Händen und Beinen verbinden.


Diese anatomischen Besonderheiten sind bei den Betroffenen wahrscheinlich im Zuge des motorischen Lernens entstanden. Je früher sie mit dem Musiktraining begonnen hatten, desto stärker sind die anatomischen Veränderungen in der Regel ausgeprägt. Man erkennt auch markante Unterschiede zwischen den Musikern, je nachdem welche Instrumente sie spielen. Bei Pianisten sind vor allem die beiden Handmotorareale auf der rechts- und linksseitigen Hemisphäre besonders gross und stärker vernetzt. Bei Streichern dagegen, die ja vor allem die Finger der linken Hand besonders trainieren müssen, ist nur der rechtsseitige Handmotorkortex anatomisch auffällig bzw. grösser geworden. Besondere anatomische Anpassungen findet man auch im kortikospinalen Trakt, der den Handmotorkortex mit den Händen und Armen verbindet.


Funktionale Kopplungen


Neben diesen spezifischen Anpassungen im motorischen System finden sich auch neurophysiologische Besonderheiten bei der funktionellen Kopplung zwischen den motorischen und sensorischen Arealen – vor allem zwischen Motor- und Hörkortex. Die neurophysiologischen Aktivierungen in den motorischen Hirngebieten bei Pianisten sind wie erwähnt besonders an das Pianospiel angepasst. Man erkennt diese besondere Anpassung auch anhand der Optimierung der neurophysiologischen Erregung in den beteiligten Hirngebieten. Bei Pianisten sind dies geringere neurophysiologische Aktivierungen in den Motorarealen beim Pianospielen als bei ungeübten Personen. Offenbar haben sich in Folge des häufigen Übens die am besten geeigneten neuronalen Schaltkreise etabliert, um die motorischen Abläufe zu ermöglichen.


Beim hoch trainierten Pianisten hat sich als Folge des Übens ein automatisiertes Fehlerkontrollsystem etabliert, dass es ihnen erlaubt, motorische Fehler während des Spiels unbewusst zu erkennen und zu kontrollieren. Die Fehlerkontrolle wirkt sich allerdings nicht auf die gerade fehlerhaft durchgeführte Handlung, sondern vielmehr auf zukünftige Handlungen aus.


Lernfähig bis ins hohe Alter


Bemerkenswert ist, dass sich solche neurophysiologischen und neuroanatomischen Anpassungen nicht nur im frühen Kindes- und Jugendalter einstellen, sondern auch im Erwachsenenalter und – was besonders interessant ist – auch im Seniorenalter. Insofern ist der Erwerb musikalischer Spielkompetenz nicht nur der Jugend vorbehalten, sondern auch im Alter möglich. Möglicherweise ist das menschliche Gehirn ein Leben lang plastisch, so dass man das Musizieren bis ins hohe Alter erwerben kann.


Prof. Dr. rer. nat. Lutz Jäncke


Universität Zürich/Psychol. Institut


Lehrstuhl für Neuropsychologie


> lutz.jaencke@uzh.ch


Nicht immer ist das Instrumentenspiel alleine Schuld

Das Instrumentenspiel belastet den Bewegungsapparat mitunter beträchtlich. Auch wenn vordergründig das Musizieren den relevantesten Belastungsanteil ausmacht, lohnen sich mitunter vertiefte Nachforschungen.


Es ist ganz natürlich, dass zum Beispiel bei einer Violinistin Schmerzen während dem Musizieren zuerst einmal dem Instrumentenspiel zugeordnet werden. Fehlerquellen gibt es da ja mehr als genügend. Kleine Abweichungen bei der Körperhaltung, bei der Modulierung der Muskelspannung oder an der heiklen Kontaktstelle zwischen Körper und Instrument haben weitreichende Folgen.


In jedem Musikeralltag gibt es aber noch andere Tätigkeiten, die den Bewegungsapparat belasten. Arbeiten am Computer oder im Garten, sportliche Aktivitäten oder Haushaltarbeit – alle diese Aktivitäten kann man achtsamer oder weniger achtsam dosieren und so können sie auch Schmerzen am Bewegungsapparat auslösen. An dieser Stelle soll deshalb von einer völlig unscheinbaren Beschwerdequelle die Rede sein: der Schlafposition.


Andauernde Schmerzen
hinterfragt


In der Sprechstunde berichtet eine Violinistin über seit Jahren bestehende Schmerzen im Nacken mit Ausstrahlungen in den rechten Arm . Störend sind die Beschwerden normalerweise nur in Phasen mit häufigen langen Proben, speziell natürlich in Verbindung mit besonders anspruchsvollen Stücken. Abklärungen und Anpassungen bezüglich Körperhaltung und Instrumentenhaltung erfolgten wiederholt. Sie wirkten sich auch positiv aus.


Im Laufe des letzten Jahres hat es immer wieder Phasen gegeben, in denen die Musikerin elektrisierende Zwicke im Arm verspürt hat. Dieses Symptom ist in den letzten zwei Wochen vermehrt aufgetreten und das ist auch der Konsultationsgrund. Hauptbefund bei der Untersuchung ist eine Kraftverminderung im Trizeps­muskel – als Ausdruck einer Beeinträchtigung der siebten zervikalen Nervenwurzel.


Die Schilderungen der Patientin enthalten keine offensichtlichen Hinweise auf eine wichtige Rolle der Schlafposition. Schmerzen die frühmorgens besonders gross sind oder auch nächtliche positionsabhängige Schmerzen könnten solche Zeichen sein. Nur die Bemerkung, dass früher noch mehr als heute der rechte Arm nachts einschläft, lenkt die Aufmerksamkeit auf den Schlaf.


Gerade bei langdauernden Beschwerden, die trotz adäquater Behandlung nicht nachhaltig bessern, erhebe ich immer die Schlafanamnese. Ich lasse mir auch häufig die eingenommenen Schlafpositionen zeigen. Das ist natürlich ein sehr unsicheres Terrain, da wir uns nachts viel mehr bewegen als wir denken. Wer kann schon darüber Auskunft geben, in welcher Position er in den Tiefschlafphasen schläft?


Unsere Violinistin hat die Gewohnheit beim Schlafen auf der rechten Seite den rechten Arm hoch zu halten und zudem den Kopf zu überstrecken. Das kann sich auf den Platz für die Nervenwurzeln beim Austritt aus dem Rückenmarkskanal negativ auswirken. Weil sie zudem nur ein ganz flaches Kissen verwendet, ist der Kopf auch in Rückenlage überstreckt. Das wirkt ebenfalls ungünstig auf den ohnehin knappen Reserveraum zwischen Nervenwurzel und Wirbel aus.


Die Schlafposition ändern –
wie soll das gehen?


Eine Schlafposition zu verhindern oder zu ändern, ist nicht einfach. Da wir nur in Wachphasen eine bewusste Kontrolle ausüben können, braucht es andere Kniffe. Ich empfehle meistens, dass auf der zu vermeidenden Seite ein störender Gegenstand am Pyjama angebracht wird. Ein Spraydosendeckel, den man in einen Socken legt und dann mit Sicherheitsnadel fixiert, erfüllt diese Funktion gut. So dreht sich die betroffene Person sofort wieder weg von der Problemposition und nicht erst, wenn eine schmerzhafte Reizung der Nerven die Positionsänderung erzwingt.


Bei unserer Patientin beeinflusst diese Art der Steuerung der Schlafposition und das Verwenden eines etwas höheren Hirsekissens den Verlauf sehr direkt. Innerhalb von drei Wochen kommt es kontinuierlich zu einer stabilen Besserung. Entscheidend ist offensichtlich, dass durch das Vermeiden der nächtlichen Nervenirritation auch eine Physiotherapie nun nicht nur kurzzeitige, sondern auch nachhaltige Veränderungen bewirken kann.


Dr. med. Christoph Reich-Rutz,
Zürich


Facharzt Rheumatologie und
Manuelle Medizin


> www.christophreich.ch

Blasinstrumente –
Musiker im Stresstest

Die Anforderungen an Lunge und Musiker sind beim Einsatz von Blasinstrumenten hoch. Ihr Spiel ist, richtig gemacht, trotzdem gesund für Körper und Seele.


Bläser und Bläserinnen sind hochspezifisch trainierte Musiker. Auf ihrem Instrument erzeugen sie unter physischer Höchstleistung feinste Kunst. Dabei leben sie täglich die Einheit von Leib und Seele vor. Wenn im Folgenden von Drucken, Flüssen und Koordination die Rede ist, dann soll nicht vergessen werden, dass die meisten Probleme in der pneumologischen Musikersprechstunde die Atmung und nicht einfach die Lunge betreffen. Die physikalischen Grössen sind wichtig, beschreiben aber das Atmen nicht ausschöpfend. Mehr noch als im Sport, verlangt die Musik den Einsatz der Seele. Oft wirkt sie nach Unfällen, bei Überforderung, Angst, Erschöpfung oder Übernutzung störend mit. Deshalb arbeiten beim Atmen Mediziner in einem engen Verhältnis mit Berufen zusammen, welche die seelische oder mentale Funktion im ­Fokus haben.


Höchstleistungen des
Atemapparats


Das Blasen ist jedem gesunden Menschen gegeben. Er kann eine Kerze ausblasen oder eine Pusteblume zerpusten. Man erzeugt einen Druck durch die Ausatem-Muskulatur (Brustkasten) unter Stabilisierung der Einatem-Muskulatur (Zwerchfell) und kontrolliert im Rachen/Kehlkopf den Druck und Fluss. Sänger formen hier bereits die Töne (Schwingungen), Trompeter etwas später mit den Lippen und Holzbläser in Blatt oder Rohr. Die Sache wäre also recht einfach. Die Kunstform verlangt aber Virtuosität und damit Höchstleistungen.


Häufiges Nachfragen bestätigt: die Kenntnis technischer Daten ist nützlich. Der mittlere Druck wird mit dem Mass «Millimeter Quecksilbersäule» beschreiben (mmHg) und beträgt beim Pfeifen etwa 5 mmHg, beim Sprechen 10 mmHg, beim Ausblasen einer Kerze (auf 50 cm) 20 mmHg und beim Luftballonaufblasen 60 mmHg. Die Flöte verlangt einen minimalen Anblasdruck von 0.5 mmHg (mittlerer Druck 1-6 mmHg), die Oboe aber 28 mmHg (mittlerer Druck 30-48 mmHg). Die Oboe verlangt eine maximale Flussrate von etwa 150 ml/s (Milliliter pro Sekunde), wo die Flöte 612 ml/s braucht. Die Tuba dagegen verlangt dem Musiker 1700 ml/s ab. Der maximale Anblasdruck bei der C-Trompete liegt bei 120-130 mmHg und bei der Piccolotrompete gar bei 170-180 mmHg. Der Anblasdruck nimmt in Abhängigkeit von Lautstärke und Frequenz der erzeugten Töne zu.


Dürfen kleine Kinder Trompete spielen? Ja! Weil bei 7 mmHg (minimaler Anblasdruck) schon ein Ton entsteht und im Mittel 13-42 mmHg ausreichen, um einfache aber schöne Musik zu machen. Niemand wird also dem Kind das Ausblasen der Kerze verbieten (60 mmHg). Wer aber Sinfonien von Mahler und Strauss oder ein Brandenburgisches Konzert spielt oder Leadtrompeter in der Bigband sein will, der wird die oben erwähnten Spitzendrucke erbringen müssen. Es ist, was alle Musiklehrer wissen, nicht das Instrument, sondern die Literatur und die Spieltechnik entscheidend.


Bläser haben grosse Lungen


In den 60er-Jahren wurden in mehreren Studien viele Daten (auch die obigen Druckwerte) gemessen. Die Lungenausmessung bei Bläsern/Sängern vs. gesunde Kontrollen zeigten im Schnitt 1 Liter mehr Gesamtvolumen und einen ½ Liter mehr Erstsekundenvolumen bei jungen Musikern als bei Nichtmusikern. Dieser Vorteil verlor sich aber bei den 45- bis 54-jährigen Musikern. Der Grund? Zigarettenkonsum machte alles Trainieren zunichte.


Atmen ist nicht gleich Atmen. Jeder Yogi oder Meditierende weiss und lebt das. Beim Musizieren atmet man anders. Musiker atmen nach der Musik, nach Phrasen. Meistens atmen sie lang und langsam aus, um dann an geeigneter Stelle rasch die für die nächste Phrase richtige Luftmenge einzuatmen. Man denke an die unterschiedlichen Flussraten der Instrumente (siehe oben). Es wird klar, dass eine Tubistin anders atmen muss als ein Oboist.


Es gibt wenige Erkrankungen oder Verletzungen der Atemorgane, die durch das Musizieren entstehen. Oft finden sich wie anfangs beschrieben Atemstörungen, wenn Leib und Seele nicht mehr im Gleichgewicht sind. Am weitaus häufigsten sehen wir in der Sprechstunde Lungenerkrankungen oder Verletzungen die das Musizieren stören. Es scheint als hätten die Blasmusiklehrer ihre Arbeit gut gemacht.


Dr. med. Peter Jules Gerber, FCCP


Lungenpraxis Bern West


Holenackerstrasse 85/B 04


3027 Bern


www.lungenpraxisbernwest.ch


Tel.: 031 992 55 56, Fax: 031 991 86 24


pj.gerber@hin.ch

Musiker mit
Hörgerät?
Völlig unmöglich

Wären in einem Orchester
alles Brillenträger, würden wir uns nichts dabei denken. Ein Orchester voller Hörgeräteträger, da wären wir wohl etwas irritiert. Tatsächlich ist das Thema Hörminderung ein schwieriges für Musiker.
Modernste Technik bietet aber auch für sie gute Lösungen.


Musiker sind in ihrer täglichen Arbeit Schallpegeln ausgesetzt, die ab einer gewissen Dosis hörschädigend wirken. Und damit wird für die Ohren leider auch Mozart irgendwann zu Lärm. Vieles wird unternommen, um sie vor Hörschädigungen zu schützen, und es gibt gute, klangneutrale Gehörschütze, sowohl solche ab der Stange, als auch massgeschneiderte. Das Problem ist allerdings, dass sehr leise Musik quasi aus dem Nichts aufsteigt, und um solche Passagen und Einsätze hundertprozentig präzise zu hören, ist vielen schon ein geringer Gehörschutz zuviel.


Dumm nur, wenn im nächsten Satz das Orchestertutti Lautstärkepegel von 90 oder 100 dB produziert. Was dann passiert, nennt der Ohrenarzt die «c5-Senke»: eine lärmbedingte Hörminderung, die sich am stärksten im Bereich des fünfgestrichenen c bei etwa 4000 Hz manifestiert. Also genau dort, wo die für das Sprachverstehen wichtigen Konsonanten angesiedelt sind. Ist das Gehör dort geschädigt, wird der Tisch zum Fisch und der Fluss zum Kuss, was zu peinlichen Situationen führen kann.


Ein schwieriger Schritt


Es ist bekannt, dass Betroffene über Jahre versuchen, ohne Hörgeräte auszukommen. Sie entwickeln unterschiedliche Strategien, den Hörverlust zu vertuschen: eine davon ist, schwierige Situationen zu meiden, wie beispielsweise die akustisch berüchtigte Cocktail-Party. Wenn «normale Menschen» sich schon so schwer tun, Hörgeräte zu tragen, wie ungemein schwieriger muss dann für Musiker die Vorstellung sein, mit Hörgeräten vors Publikum zu treten? Für viele fast undenkbar.


Moderne Hörsysteme sind sehr klein und können ¬– die entsprechende Frisur vorausgesetzt – fast perfekt versteckt werden. Wer nicht über die nötige Haarpracht verfügt, für den sind die Geräte allerdings nicht so unscheinbar. Entweder sie sitzen hinter den Ohren, mit einem Schläuchlein in den Gehörgang, oder sie sitzen direkt im Ohr. Aber man sieht sie dort leider oft noch, weil die Elektronik doch zu gross ist für den Gehörgang.


100 Prozent unsichtbar


Seit neustem gibt es nun aber wirklich hundertprozent unsichtbare Hörsysteme. Diese werden vier Millimeter vor dem Trommelfell platziert und bleiben dort bis zu vier Monate, Tag und Nacht. Sie sind im Gegensatz zu herkömmlichen Hochleistungs-Hörsystemen mit relativ wenig Technik und Funktionalitäten ausgerüstet. Sie arbeiten mit der sogenannten «Wide Dynamic Range Compression», nach welcher die Verstärkung ständig an die akustische Umgebung angepasst wird.


Man muss sich das so vorstellen, dass Signale in leiser Umgebung überproportional angehoben werden, und dass in lauter Umgebung die Signale mittels Kompression gedämpft werden. Für den Hörgeschädigten hat das den zweifachen Vorteil, dass leise Signale gehört werden und dass laute aber nicht als unangenehm empfunden werden. Die maximale Lautstärke, welche die Geräte über die gesamte Frequenzbreite erzeugen, liegt bei 103 dB. Das bedeutet, dass ein fulminantes «Grande Finale» mit den Geräten etwas weniger laut sein wird als in der Realität. Denn durch den tiefen und akustisch dichten Sitz der Geräte wirken sie schon fast als Gehörschütze.


Nicht jeder Musiker oder Musikgeniesser wird diese Einschränkung akzeptieren. Wer kein Problem damit hat, dass man seine Hörsysteme sieht, für den stehen sehr leistungsfähige Technologien zur Verfügung, welche Eingangspegel von bis zu 106 dB verarbeiten können. Wichtig ist, dass man sich professionell beraten lässt und zusammen mit dem Hörakustiker die Programmierung anhand der eigenen Musik vornimmt. Das braucht Spezialwissen und die entsprechende Infrastruktur.


Wer nicht will, dass man von seiner Hörhilfe irgend etwas sieht, den kann ich bestens verstehen. Während 15 Jahren habe ich selber herkömmliche Hörsysteme getragen, bis ich auf diese neuen, unsichtbaren umgestiegen bin. Ich habe Verständnis für alle, die sich eine diskrete Lösung wünschen.


So oder so, wer die Ansagen des Dirigenten oder das Pianissimo seiner Kollegen nicht mehr hört, der sollte schleunigst etwas unternehmen.


> www.stueckelberger-
hoerberatung.ch

Alexandertechnik – gelassen ans Ziel

Eine 27-jährige Cellistin wünscht sich weniger Verspannungen und Steifheit. Die Anwendung der Alexandertechnik gibt ihr Impulse für ein lebendigeres, gelösteres, schmerzfreies Musizieren und für mehr Gelassenheit.


N. ist seit einem halben Jahr mit einer 100-Prozent-Stelle im Orchester tätig. Sie übt und probt zur Zeit schwierige Orchesterstücke und klagt, sie habe Schmerzen in Schultern und Nacken. In der ersten Stunde bespreche ich mit ihr den Zusammenhang zwischen Situationen, Gedanken und körperlichen Empfindungen.


Gewahrwerden und Innehalten


Um diesen Verknüpfungen auf die Spur zu kommen, braucht es eine feine, freie, sinnliche Aufmerksamkeit. Ich gebe N. einen Beobachtungsbogen mit. In der nächsten Stunde erzählt sie: «Beim mich Beeilen mit dem Cello auf dem Rücken fühlte ich mich hektisch, atemlos und verkrampft in Rücken und Nacken. Dieses achtsam werden während des Tuns hat angenehm und beruhigend gewirkt».


In der dritten Stunde ist N. etwas betrübt, weil sie realisiert, «wie ich mich immer wieder verkrampfe». Ich empfehle ihr, im Buch Der Gebrauch des Selbst von F. M. Alexander das Kapitel über seine eigene Geschichte zu lesen. Er beschreibt darin Entwicklung und Methodik seiner Technik. N. wird nach der Lektüre amüsiert sein über die menschliche Sturheit, auf eingefleischten Mustern zu beharren.


Umgang mit sich selbst


Ich weise sie an, sich auf den Tisch zu legen. Durch meine Führung mit Händen und Worten entspannt sie sich, was sie als sehr wohltuend wahrnimmt. Nach etwa zwanzig Minuten soll sie sich aufsetzen, während der Bewegungen achtsam sein und unnötige Anspannungen vor allem der Halsmuskulatur sein lassen. Um ungeeignete Anspannung wahrzunehmen, ist es anfangs von Vorteil, Bewegungen langsam auszuführen. Mit der Zeit kann die Qualität von Bewegung auch bei schnellerem Tempo beurteilt werden. N. rollt sich auf die Seite, schiebt die Beine über die Tischkante und setzt sich auf.


Ihr Sitzen auf dem Tisch ist jetzt sehr aufrecht und gleichzeitig gelassen. Das Heben der Arme empfindet sie als unbeschwert und spielerisch. Wie ich sie anweise, eine kurze musikalische Sequenz ohne Bogen «in der Luft zu spielen», spannt sie ein wenig den Hals an, fällt auf der rechten Brustkorbseite leicht zusammen und als Kompensation hebt sich die rechte Schulter. Erst durch meine Frage, wie ihre rechte Seite und ihr Hals auf das Heben des Arms antworten, realisiert sie es. Sie bemerkt auch, dass ihr Arm nicht mehr ganz so frei ist wie zuvor. Mit Händen und Worten erarbeite ich mit ihr, sich beim Heben des Arms nicht auf das Ziel «Musizieren» zu fixieren, sondern das Ziel anzustreben und gleichzeitig den Mitteln zu dessen Erreichung Beachtung zu schenken.


Anweisungen


In der vierten Stunde arbeite ich mit N. im Sitzen und am Instrument. Sie beanstandet, dass sie immer noch nicht über eine souveräne Kontrolle des Bogenarms verfüge und ihr Klang dadurch beeinträchtigt sei.


Ein günstiger Umgang mit der Gesamtheit des Organismus bedeutet ein gutes Gleichgewicht von Spannung und Entspannung und ein Arbeiten mit der Situation entsprechend angepasstem Energieaufwand. Musizieren setzt Muskelspannung am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, während der richtigen Dauer und in der richtigen Dosierung voraus. Ns Becken ruht nach hinten gekippt auf dem Stuhl. Ich arbeite mit ihr nicht direkt am Bogenarm, sondern es ist mein Ziel, Kopf, Hals, Rumpf und ihre Beine besser ins Lot zu bringen.


Wenn sie «eine gute Haltung» sucht, spürt sie bald einen altbekannten Schmerz im Kreuz. Ich lasse sie erfahren, wie sie auf den Sitzhöckern wie auf Kufen balancieren kann. Damit dies möglich ist, braucht es Freiheit in den Hüftgelenken. Ich frage N nach deren genauem Ort. In ihrer Vorstellung liegen die Hüftgelenke sehr viel höher als in Wirklichkeit. Sie betrachtet mein kleines Kunststoff-Skelett und ist erstaunt, wie beweglich ihr Becken reagiert und ihre Füsse einen besseren Kontakt zum Boden finden, wenn sie ihr Körperbild der Wirklichkeit anpasst.


Diese Aufrichtung im Becken ergibt einen höheren Tonus im Unterbauch, gleichzeitig entspannen sich Schultern und Halsmuskulatur. Ns rechter Arm fühlt sich nun in meinen Händen beweglich, entlastet und lebendig an. «Es ist, wie wenn mein Körper auftauen würde», sagt sie.


Neue Ausrichtung


In der fünften Lektion freut sich N, dass es ihr immer wieder gelungen ist, die in unseren Stunden gemachten Erfahrungen zu nutzen und zu integrieren. Sie verspüre mehr Energie und Freude und ab und zu ein neues Eins-Sein mit dem Instrument. Nach einer berufsbedingten Pause werden wir in zwei Monaten unsere Arbeit vertiefen. Wir werden dann zusätzlich zur Handhabung des Instruments an verschiedenen Bewegungsabläufen des Alltags wie auch mit dem Atem und den Augen arbeiten.


> www.sylvia-baumann.ch

Stressverarbeitung über die Zähne

Wer physische und psychische Belastungen ausgleichen muss, «beisst sich buchstäblich durch». Musiker und Musikerinnen, für die das Kausystem auch Instrument ihrer Berufsausübung ist, sind besonders gefährdet.

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Der Funktionskreis der Probleme, die bis zur Berufsunfähigkeit führen können

Die extrem hohen körperlich-geistigen Anforderungen des Musikerberufs haben ein Niveau erreicht, das weit über dasjenige eines Hochleistungssportlers hinausgehen kann. Der Perfektionismus «klinischsauberer» CD-Aufnahmen, der heute vielfach zum Mass aller Dinge geworden ist, lässt für individuelle Eigenheiten kaum mehr Raum. Einspielungen im Tonstudio werden mit Hilfe von Schnitttechniken und Nachbearbeitungen so aufpoliert, dass sie die Illusion einer Perfektion erzeugen, die kein Interpret im realen Spiel zu erreichen vermag. Dieses Wiedergabeideal ist zur grossen Belastung geworden. Die Einzelleistung ist überprüfbar und stellt die Interpreten aus. Kommt hinzu, dass der Konkurrenzdruck beim Besetzen von Musikerstellen in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen ist. Der Druck kann innere Spuren hinterlassen, die nach aussen hin nicht sofort sichtbar sind. Sie äussern sich in der Regel indirekt in Launen, Unzufriedenheit und letztendlich Verzweiflung, welche die Betroffenen selber als «sich Durchbeissen müssen» erleben.
Anspannungen und Verkrampfungen äussern sich schliesslich in psychosomatischen Erkrankungen der Organe, funktionellen Störungen des Bewegungsorgans und Fehlfunktionen des Kausystems. Psychisch bedingte Fehlhaltungen des Körpers werden überdies durch Zähneknirschen und -pressen stabilisiert und umgekehrt.

Die Bedeutung des Kausystems

 Das Kausystem nimmt beim Weg in die Berufsunfähigkeit eine zentrale Stellung ein: Nichtbläser kompensieren und stabilisieren sich über den Zusammenbiss. Bläser, die das Mundstück nicht über die Zahnreihen stabilisieren können, verschieben die Verspannung direkt in das Bewegungsorgan. Wie erkennt der Spezialist die Beteiligung des Kausystems an den vielen psychisch bedingten Symptomen? Dazu hilft der Blick auf die Vorgeschichte (Anamnese) der Leiden eines Patienten. Was haben Betroffene schon an Belastungen, Sorgen, Nöten und hilflosen Therapien hinter sich? Welche Symptome treten wann auf? Der Zahnarzt analysiert überdies die Funktionen des Kausystems klinisch und mit Analysen anhand von Zahnmodellen im Kaucomputer ( Artikulator). Fachübergreifend erstellt ein Facharzt für Orthopädie einen Funktionsbefund des Bewegungsorgans. Ein Physiotherapeut oder Psychotherapeut kann zusätzlich in manchem Fall hilfreich sein.
Die Ergebnisse diskutieren wir interdisziplinär. Daraus entsteht ein zielführender Therapieplan. Dieser kann umfassen: mentale Trainingstechniken, Physiotherapie, Haltungskorrekturen ohne und mit Instrument («Keine Überbelastung ohne Fehlbelastung»), ein Bissausgleich über selektiv aufgebaute Aufbissschienen zur Ent-spannung des Kauund Bewegungsapparates, eine Harmonisierung des Zusammenbisses durch Entfernen von Fehlkontakten oder zahnaufbauende Massnahmen bei Zahnfehlstellungen und/oder fehlenden Zähnen (Zahnersatz, Veneers, Implantate, Kronen).

Unfälle erfordern spezielle Massnahmen

Unfälle – Weichteilverletzungen von Lippen und Wangen oder Zahnfrakturen und Zahnverlust durch Fremdeinwirkung – können schlagartig in eine Berufsunfähigkeit führen. Sie erfordern eine behutsame Vorgehensweise. Die physiologischen Veränderungen können mit psychischen Beeinträchtigungen einhergehen. Dies gilt etwa für das Schleudertrauma. Der Schicksalsschlag «Schlag ins Genick» verursacht Schmerzen und die Fehlhaltung durch permanenten psychischen Druck. Betroffene spüren «die Faust im Nacken», gehen in eine Zwangshaltung, ihre Bandscheiben nutzen sich ab. Permanente Schmerzen und die Berufsunfähigkeit folgen.
Musiker jeglichen Alters können davon betroffen sein. Zur Prävention sind eigene Programme entwickelt worden – basierend auch auf einer von uns zwischen 2001 und 2004 an der Hochschule der Künste in Bern durchgeführten Musikerstudie bei Holzbläsern: orthopädische Haltungsund Bewegungsanalysen mit und ohne Instrument im Sitzen und im Stehen wurden durchgeführt, ebenfalls Funktionsanalysen des Kauorgans. Bei rund der Hälfte der Musiker war Behandlungsbedarf geboten. Diese Erfahrungen fliessen direkt in unsere zahnärztliche Diagnostik und Therapie ein.

Dr. med. dent. J. E. Lahme
Spezialist für Musiker-Behandlungen
Schulgasse 18
A-6850 Dornbirn
Tel. 0043 5572 386 333 Fax DW -8
lahme@aon.at
www.zahnart.at

 

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