Die Bachwochen Thun lassen in einem dreiminütigen Videoclip Johann Sebastian Bach als lebenden Menschen auftreten. Das Haussmann-Gemälde von 1748 diente als Grundlage für diesen Deepfake.
PM/SMZ
- 19. Aug. 2024
Eröffnungsszene des Videoclips. Bild: Bachwochen Thun
Wie die Bachwochen mitteilen, wurde das Video im Turmsaal von Schloss Holligen gedreht. Die Szene imaginiert die Fertigstellung des Bach-Porträts von Elias Gottlob Haussman (1695–1774).
Der iranische 3D-Künstler Hadi Karimi habe auf der Grundlage dieses Bildes aus dem Jahr 1748 «ein hochauflösendes, fotorealistisches 3D-Modell von Bachs Gesicht erstellt.» Das Gesicht des Leipziger Schauspielers in der Rolle von Bach wurde in der Postproduktion «mithilfe von künstlicher Intelligenz durch das digital rekonstruierte Gesicht Bachs ersetzt.»
Eugen Jost als Elias Gottlob Haussmann und Christoph Müller als J.S.Bach. Foto: Bachwochen Thun
1. Auftritt des Swiss National Orchestras am 1. August in Bern
Das Swiss National Orchestra vereinigt Schweizer Musikerinnen und Musiker aus aller Welt. Das erste Konzert unter dem Motto «Vivat Helvetia» findet in Bern statt.
PM/SMZ
- 27. Juli 2024
Beflaggte Fassade des Bundeshauses in Bern. Foto: william87/depositphotos.com
Wie auf der Website des Orchesters zu lesen ist, setze sich das Swiss National Orchestra (SNO) «nach dem Vorbild einer Sportnationalmannschaft» aus hervorragenden Musikerinnen und Musikern zusammen, die wichtige Positionen in Orchestern in der Schweiz und weltweit innehaben.
Intendant des SNO ist Igor Longato. Am 1. August hat es um 11 Uhr seinen ersten Auftritt im Grossen Saal des Casinos in Bern. Der Eintritt ist frei. Unter dem Motto «Vivat Helvetia» erklingen Werke von Hans Huber, Siegfried Wagner, Arthur Honegger, Peter Tschaikowski, Sergei Rachmaninow, Gaetano Donizetti, Giacomo Puccini und Giocchino Rossini. Regula Mühlemann, Sopran, und Sébastian Jacot, Flöte, übernehmen die Solopartien. Dirigent ist John Axelrod.
Die Jury des 78. Concours de Genève hat die Kandidaten der Kategorie Komposition bekanntgegeben: Léo Albisetti, Caio de Azevedo und Ryu Sang-Min.
PM/SMZ/ks
- 26. Juli 2024
Léo Albisetti, Caio de Azevedo und Ryu Sang-Min (v.l.) haben je ein Werk für Viola und Kammerorchester komponiert. Bild: Concours de Genève
Die diesjährige offizielle Jury des Concours de Genève hat in der Kategorie Komposition Anfang Juni in Genf getagt. Den Vorsitz hat der Schweizer Komponist Pascal Dusapin inne. Weitere Jurymitglieder sind Milica Djordjević, Francesco Filidei, Hector Parrà und Francesca Verunelli. Von den 82 eingereichten Partituren wurden 18 ausgewählt und eingehend geprüft. Anschliessend ermittelte die Jury daraus drei Finalisten. Es sind dies der Schweizer Léo Albisetti (26), der in München lebende Brasilianer Caio de Azevedo (30), sowie der Südkoreaner Sang-Min Ryu (24).
Die Kandidaten werden ab dem 16. Oktober 2024 in Genf sein. Sie können die Proben ihres Werks für Viola und Kammerorchester für die Endrunde am 20. Oktober 2024 mit dem Orchestre de Chambre de Genève unter der Leitung von Pierre Bleuse verfolgen. Dazu haben sie die Möglichkeit, an einer Showcase teilzunehmen. Dabei führen Studenten der Haute École de musique de Genève mit den Solisten Lise Berthaud, Georhi Kovalev und Adrien La Marca eines oder zwei ihrer Werke auf.
Concours de Genève
Der 1939 gegründete Concours de Genève ist einer der wichtigsten internationalen Musikwettbewerbe der Welt. Sein Ziel ist es, junge talentierte Künstler zu entdecken, zu fördern und zu unterstützen. Jedes Jahr treten internationale Nachwuchsmusiker in zwei alternierenden Disziplinen an, dieses Jahr in Gesang und Komposition. Die Preisträger erhalten neben dem Preisgeld einen Zweijahresvertrag mit der Konzertagentur Sartory Artists. Zudem gibt es zahlreiche weitere Coaching-Angebote, die auf eine nachhaltige Karriere in der Klassikszene vorbereiten.
Welt-Jugendmusik-Festival in Zürich
Rund 3000 Jugendliche aus 11 verschiedenen Ländern nahmen vom 11. bis 14. Juli am Welt-Jugendmusik-Festival in Zürich teil. Ein spezieller Höhepunkt war die Eröffnungsfeier mit rund 5000 Personen im Hallenstadion.
PD/SMZ/ks
- 25. Juli 2024
Eröffnungsfeier im Hallenstadion. Foto: WJMF
Insgesamt beteiligten sich rund 60 Formationen aus Bulgarien, China, Deutschland, El Salvador, Honkong, Irland, Japan, Polen, Schweden, Thailand und viele Vereine aus der Schweiz am diesjährigen Welt-Jugendmusik-Festival (WJMF) in Zürich. Den Auftakt bildete ein Galakonzert im Chipperfieldbau des Kunsthauses.
Die Wettbewerbe in 10 Kategorien fanden in der Zürcher Hochschule der Künste im Toni Areal und im Chipperfield Bau des Kunsthauses statt. Die international besetzte Jury war beeindruckt von den vielfältigen und hochstehenden Vorträgen. Erfreulich war das grosse Publikumsinteresse bei allen Vorträgen.
Rund 5000 Personen wohnten der spektakulären Eröffnungsfeier im Hallenstadion bei. Weitere Höhepunkte waren der Festumzug durch die Bahnhofstrasse und das Galakonzert in der Tonhalle, die «Youth Music Party» sowie die Schlussfeier mit Rangverkündigung auf dem Münsterhof.
OK-Präsident, Erich Zumstein schaute zufrieden auf ein erfolgreiches Festivalwochenende zurück. «Sämtliche Wettbewerbe und Anlässe waren über Erwartung gut besucht. Wir haben uns sehr gefreut, dass wir mit diesem Festival den Jugendlichen aus den verschiedenen Ländern ein unvergessliches Wochenende ermöglichen konnten und hoffen, dass ihre Begeisterung für die Blasmusik dank diesem Anlass gestärkt wurde.»
Über das Welt-Jugendmusik-Festival
Das Welt-Jugendmusik-Festival entstand anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Jugendmusik Zürich 11. Mittlerweile hat es sich zu einem internationalen Festival für Amateurmusikerinnen und -musiker im Alter zwischen 9 und 25 Jahren entwickelt. Seit 1985 reisten für jedes Festival zwischen 2600 und 4500 Jugendliche aus aller Welt nach Zürich, um Gleichgesinnte anderer Vereine aus aller Welt zu treffen, mit ihnen zu musizieren und sich mit ihnen in verschiedenen Kategorien zu messen. Insgesamt 250 Orchester aus rund 50 Ländern waren es in den vergangenen 33 Jahren. Das letzte WJMF fand 2017 statt. Wegen der Covid-Pandemie fiel die für 2021 geplante Durchführung aus.
Ein ehrenamtlich arbeitendes Komitee aus kompetenten Fachpersonen in den jeweiligen Bereichen sowie vielen Helferinnen und Helfern organisiert das Festival. OK-Präsident ist Erich Zumstein, Direktor der Musikschule Konservatorium Zürich.
Festival Rümlingen unter dem Motto «Oltingen x 24»
Am Wochenende vom 24. und 25. August sind im ältesten Baselbieter Dorf Oltingen 24 kleinere und grössere Klangereignisse zu erleben.
PM/SMZ/ks
- 24. Juli 2024
Klingende Begegnung am letztjährigen Festival im Tessin. Foto: Ketty Bertossi/Festival Neue Musik Rümlingen
Nach Ausflügen ins Tessin, ins Appenzellerland und ins Engadin nistet sich das Festival Neue Musik Rümlingen dieses Jahr in Oltingen ein. Das Festival, das sich jedes Jahr neu erfindet, hat schon 2010 und 2022 mit Vereinen oder Bewohnern des Dorfes zusammengearbeitet. Dieses Jahr werden 24 neue Projekte speziell für diesen Ort verwirklicht.
Das Festival beginnt am Samstag um 15 Uhr und dauert 24 Stunden bis am Sonntag um 15 Uhr. Es bietet so die Gelegenheit, sich aus dem Alltag auszuklinken und, wie das Festival schreibt, «einzutauchen in eine überschaubare Welt mit ungeahnten Möglichkeiten».
Beteiligte Klangkünstlerinnen und -künstler
Zu hören sind Uraufführungen von Romane Bouffioux (FRA/CH), Léo Collin (CH), Rama Gottfried (US/CH), Wolfgang Heiniger (CH), Urban Mäder (CH), Aya Metwalli (EGY), Marina Tantanozi (CH), Violetta Garcia (ARG), Michel Robin (CH), Daniel Ott (CH) und Anna Sowa (CH/PL)
Im Rahmen der Talentförderung schickt SRF den 19-jährigen Klassik-Nachwuchsmusiker Valerian Alfaré an die Finalshow des «Eurovision Young Musicians»-Wettbewerb im norwegischen Bodø. Der Final wird am Samstag, 17. August 2024, ab 22.30 Uhr auf SRF 1 gesendet.
SRF/SMZ/ks
- 23. Juli 2024
Eurovision Young Musicians 2024, Valerian Alfaré, Switzerland 2024. Foto: René Alfred
Nach dem «Eurovision Song Contest» (ESC) organisiert die Europäische Broadcasting Union (EBU) im Sommer den «Eurovision Young Musicians»-Wettbewerb (EYM). Valerian Alfaré nimmt für die Schweiz an der Finalshow im norwegischen Bodø teil. Der 19-Jährige konnte die dreiköpfige Expertenjury (Oliver Schnyder, Manuel Oswald, Eva Oertle) diesen Frühling an der Schweizer Vorauswahl in Basel mit seinem Euphonium, überzeugen. Als einer von elf Finalteilnehmenden wird Valerian Alfaré am 17. August 2024 als Solist im Stomen Konserthus in Bodø auftreten, begleitet vom norwegischen Radio-Sinfonieorchester.
Die Schweizer Vorauswahl im Meret Oppenheim Hochhaus in Basel, dem Kulturstandort von SRF, erfolgte in Partnerschaft von SRF mit Musikhochschulen, Musikschulen sowie dem Schweizerischen Jugendmusikwettbewerb. Schweizer Nachwuchsmusikerinnen und -musiker im Alter zwischen 14 und 21 Jahren nahmen teil.
Der 19-jährige Valerian Alfaré aus dem aargauischen Rheinfelden spielt neben Euphonium auch Trompete. Als Trompeter konzentriert er sich vorwiegend auf den Jazzbereich und ist Mitglied des Schweizer Jugend Jazz Orchesters. Mit dem Euphonium ist er in erster Linie in der Klassik und in der Neuen Musik unterwegs.
Über den «Eurovision Young Musicians»-Wettbewerb
Der «Eurovision Young Musicians»-Wettbewerb bietet jungen Klassiktalenten eine grosse internationale TV-Bühne mit professionellem Orchester. Die Veranstaltung wird alle zwei Jahre von der EBU ausgerichtet, die auch den ESC durchführt. Gastgeber der Ausgabe 2024 ist der Norwegische Rundfunk. Der Wettbewerb findet statt in Bodø, einer der drei Kulturhauptstädte Europas 2024.
Co-Präsidium im Stiftungsrat des Künstlerhauses Boswil
Per 1. August übernehmen Irene Näf-Kuhn und Christine Hehli Hidber das Präsidium des Stiftungsrats des Künstlerhauses Boswil.
PM/SMZ/ks
- 22. Juli 2024
Stabübergabe beim Künstlerhaus Boswil: v.l. Irene Näf-Kuhn, Christine Hehli Hidber. Foto: Gregor Galliker
Wie das Künstlerhaus Boswil mitteilt, haben der Beirat und der Stiftungsrat an ihrer letzten Sitzung Irene Näf-Kuhn und Christine Hehli Hidber als Co-Präsidentinnen in der Nachfolge von Stefan Hegi gewählt. Hegi ist seit 1997 Mitglied des Stiftungsrates. Er hat sich als Architekt vor allem für die bauliche Entwicklung des Künstlerhauses eingesetzt. Im August 2021 übernahm er als Vizepräsident das Präsidium von Peter Wipf, bis eine Nachfolge gefunden werden konnte. Am 1. August übernehmen nun die Pianistin und Musikmanagerin Irene Näf-Kuhn und die Rechtsanwältin Christine Hehli Hidber das Amt.
Youth Classics bietet Austausch mit Weltelite
Die 14. Swiss International Music Academy (Sima) von Youth Classics findet vom 12. bis 21. Juli auf der Musikinsel Rheinau und in der Zürcher Hochschule der Künste statt. Zugelassen sind 96 herausragende musikalische Talente aus der ganzen Welt, ein Drittel davon aus der Schweiz.
Andreas Weidmann/Youth Classics
- 10. Juli 2024
Musikinsel Rheinau Foto: Youth Classics, Marco Blessano
Die Sima geniesst weltweit einen exzellenten Ruf. So haben sich über 300 talentierte Musikerinnen und Musiker aus aller Welt für den 14. Meisterkurs für Violine, Viola und Violoncello auf der Musikinsel Rheinau angemeldet. 96 herausragende Talente aus 33 Ländern wurden an die diesjährige Academy zugelassen. Sie profitieren im Rahmen von Solounterricht, Kammermusikunterricht und Workshops von den Erfahrungen international bekannter und renommierter Dozentinnen und Dozenten. Als besonderes Highlight bietet sich den Besten des Solistenwettbewerbs die Möglichkeit, beim Schlusskonzert mit der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz in Zürich als Solistin oder Solist aufzutreten.
Private Initiative
Die Sima ist eine private Initiative zur Förderung junger musikalischer Talente. Getragen wird sie vom Verein Youth Classics. Präsident und künstlerischer Leiter ist Philip A. Draganov.
Herausragenden jungen Musikerinnen und Musikern, die an einer Musikhochschule studieren oder in Zukunft ein Musikstudium anstreben, bietet die Academy während der Sommerferienzeit eine intensive, hochwertige musikalische Ausbildung. Den Schweizer Teilnehmenden verhilft der Meisterkurs zu einem äusserst wertvollen Austausch mit der Weltelite.
Unterricht auf höchstem Niveau und aussergewöhnliche Einblicke
Es ist wiederum gelungen, ausgewählte Dozierende renommierter Musikhochschulen wie der Zürcher Hochschule der Künste, der Hochschule der Künste Bern, der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, der staatlichen Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin oder der Haute Ecole de Musique Vaud-Valais-Fribourg für die Academy zu gewinnen. Sie arbeiten im Rahmen des Solounterrichts mit den Teilnehmenden. Ergänzend zum Einzelunterricht finden Probenmit Korrepetition und Kammermusikunterricht sowie verschiedene Spezialveranstaltungen statt. So bauen die Teilnehmenden im Team in einer Geigenbauwerkstatt unter Anleitung des renommierten Geigenbauers Stefan-Peter Greiner eine Geige.
Als Spezialgast der Sima 2024 wird Christian Tetzlaff, einer der gefragtesten Geiger und spannendsten Musiker der Klassikwelt, einen «Interpretationskurs Brahms» für von der künstlerischen Leitung ausgewählte Teilnehmende der Academy geben.
Chance zum Solistenauftritt mit einem grossen Orchester
Als Novum wird dieses Jahr ein Solistenwettbewerb durchgeführt. Den Besten winkt ein Auftritt als Solistin oder Solist am Abschlusskonzert mit der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz, das am Sonntag, 21. Juli 2024, an der Zürcher Hochschule der Künste stattfindet. Aufgrund der von den Kandidierenden vorgängig eingeschickten Videos wurden die Finalistinnen und Finalisten ausgewählt, die in der Finalrunde an der Sima vor der Jury der Sima-Dozierenden vorspielen. Vor Ort wird dann entschieden, wer als Solistin bzw. Solist am Schlusskonzert mit dem Orchester auftreten darf.
Im Rahmen des Sonderpreises der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz wird aus allen Teilnehmenden der Sima 2024 ein Talent ausgewählt, das in der Spielzeit 2024/25 mit der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz, die sich ab der Spielzeit 2024/25 in «Bodensee Philharmonie» umbenennt, bei einem Konzert in Konstanz als Solistin bzw. Solist auftreten darf. www.philharmoniekonstanz.de
Öffentliche Konzerte während der SIMA
Bereits während der Woche zeigen die Teilnehmenden der Sima an verschiedenen öffentlichen Konzerten ihr Können.
Donnerstag, 18. Juli 2024, 13.30 Uhr Abschlusskonzert der Brahms Masterclass von Christian Tetzlaff Musiksaal, Musikinsel Rheinau
Donnerstag, 18. Juli 2024, 19.30 Uhr 1. Konzert der Teilnehmenden der SIMA 2024 Mühlesaal, Klosterinsel 2, 8462 Rheinau
Freitag, 19. Juli 2024, 19.30 Uhr 2. Konzert der Teilnehmenden der SIMA 2024 Mühlesaal, Klosterinsel 2, 8462 Rheinau
Samstag, 20. Juli 2024, 14.00 Uhr 1. Abschlusskonzert der Kammermusikgruppen Bergkirche, 8462 Rheinau
Samstag, 20. Juli 2024, 19.30 Uhr Abschlusskonzerte der einzelnen Klassen Violinklassen: A. Chumachenco / Z. Tadevosyan, P.A. Draganov / J.G. Flores, A. Janke, P. Vernikov / S.Marakova Violaklasse: T. Selditz Celloklassen: T. Grossenbacher, J. Hasten, T. Svane
Musikinsel Rheinau, 8462 Rheinau
Sonntag, 21. Juli 2024, 09.30 Uhr 2. Abschlusskonzert der Kammermusikgruppen Musikinsel Rheinau, 8462 Rheinau
Sonntag, 21. Juli 2024, 17.00 Uhr Galakonzert zum Abschluss der 14. Sima 2024 Ausgewählte Teilnehmende spielen solistisch mit der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz
Zürcher Hochschule der Künste, Konzertsaal 3, Toni-Areal, Pfingstweidstrasse 96, 8005 Zürich
Alle Konzerte: Eintritt frei – Kollekte
Othmar Schoeck Festival 2024: Coming of Age
Mit Volldampf ins Rampenlicht: Das sechste Othmar Schoeck Festival in Brunnen befasst sich vom 6. bis 8. September 2024 mit den frühen Werken des Komponisten und zeigt ein musikalisches Panorama Europas zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Othmar Schoeck Festival - Publireportage
- 09. Juli 2024
Der Kugelballon «Theodor Schaeck» auf dem Neuenburgersee. Er wird gezogen vom Schiff «La Broye». Um 1915. Foto: Sammlung des Schweizerischen Nationalmuseums
In Brunnen aufgewachsen, begann Othmar Schoeck 1904 sein Musikstudium am Konservatorium Zürich. 1907 folgte er der Einladung Max Regers, in dessen Leipziger Kompositionsklasse einzutreten. Zurück in der Schweiz verdiente Schoeck sein Geld mit dem Dirigieren zweier Männerchöre in Zürich, während er als Komponist immer bekannter wurde. Seine frühen Kompositionen brachten ihm bald internationale Aufmerksamkeit.
Auch wenn Schoeck sich der deutschen Romantik verpflichtet fühlte und in der Nachfolge Schuberts und Hugo Wolfs sah, kannte er die Werke seiner Zeitgenossen sehr genau und liess sich davon inspirieren. Das Othmar Schoeck Festival 2024 zeigt ein musikalisches Panorama Europas zu Beginn des 20. Jahrhunderts und untersucht die ersten Karriereschritte des Brunner Komponisten in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg.
Das Programm
Unerhörte Liebe: Béla Bartók und Othmar Schoeck schwärmten beide für die ungarische Geigerin Stefi Geyer. Gleich im Eröffnungskonzert mit dem Moser String Quartet sind ihre jeweils ersten Streichquartette zu hören und im grossen Sinfoniekonzert am Sonntag Schoecks Violinkonzert «Quasi una Fantasia». Der Schweizer Geiger Sebastian Bohren interpretiert das Stefi Geyer gewidmete Werk zusammen mit dem Kammerorchester Basel unter der Leitung von Izabelė Jankauskaitė.
Besonders hervorzuheben ist der Gottesdienst am Sonntagmorgen mit dem jungen Schweizer Bariton Manuel Walser. Er singt Schoecks drei geistliche Lieder op. 11 begleitet von Stefan Albrecht an der Orgel in der Pfarrkirche St. Leonhard.
Und wie immer ist der musikalische Nachwuchs eingebunden, sei es mit Uraufführungen im Kammermusikkonzert, in der Werkstatt «futur composé» mit Dieter Ammann oder in einem Kolloquium des musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Zürich, das Fallstudien zur Presseberichterstattung über Schoecks Uraufführungen vorstellt und in einem Podiumsgespräch abgeschlossen wird.
Insgesamt sind es sieben Veranstaltungen. Es erklingen 18 Werke. Zu hören sind ein Orchester, ein Streichquartett, ein Brassquintett, zusammen mit allen andern total 22 Musikerinnen und Musiker, dazu zwei Musikwissenschaftlerinnen, ein Musikwissenschaftler sowie einige Studierende.
Die Aufführungen
Eröffnungskonzert, Freitag, 6. September 2024, 20 Uhr, Reformierte Kirche Brunnen
Kolloquium, Samstag, 7. September 2024, 15 Uhr, Villa Schoeck, Brunnen
Gottesdienst, Sonntag, 8. September 2024, 10 Uhr, Römisch-katholische Pfarrkirche St. Leonhard, Ingenbohl-Brunnen
Podium, Sonntag, 8. September 2024, 14 Uhr, Villa Schoeck, Brunnen
Werkstatt, Sonntag, 8. September 2024, 16 Uhr, Villa Schoeck, Brunnen
Sinfoniekonzert, Sonntag, 8. September 2024, 20 Uhr, Seehotel Waldstätterhof, Brunnen
Die Tickets sind ab 7. August auf ticketino.ch oder über schoeckfestival.ch buchbar. Reservation empfohlen.
Die Werke
Jonas Achermann:
Kompositionsskizze für Brass-Quintett
Béla Bartók (1881–1945):
Streichquartett Nr. 1 (1908/09)
Viktoryia Haveinovich:
Kompositionsskizze für Brass-Quintett
Alma Mahler (1879–1964):
Drei Lieder
Aregnaz Martirosyan (*1993):
Duo für Violine und Klavier (UA)
Christoph Pfändler (*1992):
– Duo für Sopran und Violine (UA)
– Kompositionsskizze für Brass-Quintett
Maurice Ravel (1875–1937):
Streichquartett in F-Dur, op. 35 (1902/1903)
Othmar Schoeck (1886–1957):
– Streichquartett Nr. 1, op. 23 (1911/13)
– Drei Lieder von Heine, op. 4 für Singstimme, Violine und Klavier (1906)
– Drei geistlichen Lieder für Bariton und Orgel op. 11 (1906/07
– Violinkonzert (Quasi una Fantasia) op. 21 (
Franz Schubert (1797–1828):
3. Sinfonie in D-Dur
Erwin Schulhoff (1894–1942):
– Sonate für Violine und Klavier op. 7 (1913)
– Drei Stimmungsbilder (nach Gedichten aus «Die Garbe» von Hans Steiger) für Sopranstimme, Violine und Klavier op. 12 (1913)
Hyeok Son:
Kompositionsskizze für Brass-Quintett
Luca Staffelbach:
Kompositionsskizze für Brass-Quintett
Hugo Wolf (1860–1903):
Italienische Serenade, für Orchester bearbeitet von Max Reger (1873–1916)
Jonas Achermann, Komponist, Werkstatt
Heinrich Aerni, Musikwissenschaftler, Podium
Stefan Albrecht, Orgel, Gottesdienst Dieter Ammann, Komponist, Werkstatt
Ariadna Bataller, Viola, Moser String Quartet, Eröffnungskonzert
Xavier Gil Batet, Posaune, KamBrass Quintet, Werkstatt Sebastian Bohren, Violine, Sinfoniekonzert
Oriol Reverter Curto, Tuba, KamBrass Quintet, Werkstatt
Lea Galasso, Violoncello, Moser String Quartet, Eröffnungskonzert
Inga Mai Groote, Musikwissenschaftlerin, Podium
Viktoryia Haveinovich, Komponistin, Werkstatt Izabelė Jankauskaitė, Dirigentin, Sinfoniekonzert
Doris Lanz, Musikwissenschaftlerin, Podium
Joan Pàmies Magrané, Trompete, KamBrass Quintet, Werkstatt
Kanon Miyashita, Violine, Moser String Quartet, Eröffnungskonzert
Maria Servera Monserrat, Waldhorn, KamBrass Quintet, Werkstatt
Patricia Muro, Violine, Moser String Quartet, Eröffnungskonzert
Christoph Pfändler, Komponist, Werkstatt
Hyeok Son, Komponist, Werkstatt
Julia Spaeth, Sopran, Konzert und Uraufführung
Luca Staffelbach, Komponist, Werkstatt
Nadezda Tseluykina, Klavier, Konzert und Uraufführung Manuel Walser, Bariton, Gottesdienst
Guillem Cardona Zaera, Trompete, KamBrass Quintet, Werkstatt
Susanne Zapf, Violine, Konzert und Uraufführung
Der Verein
Der Verein Othmar Schoeck Festival ermöglicht Aufführungen der Musik Othmar Schoecks an seinem Geburtsort Brunnen. Er fördert die kritische Auseinandersetzung mit der Biografie des Komponisten. Dank der gezielten Einbindung des musikalischen Nachwuchses bleibt das Werk eines der bekanntesten Schweizer Komponisten der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts aktuell.
Der Vorstand bedankt sich sehr herzlich bei allen Personen und Institutionen, die das Festival unterstützen.
Neue Dozierende an der Hochschule Luzern – Musik
Carolina Müller wird Dozentin am Institut für Jazz und Volksmusik. Jakob Pilgram, Michael Bach und Marco Amherd werden das Team des Instituts für Klassik und Kirchenmusik ergänzen.
HSLU - Musik/SMZ
- 05. Juli 2024
von links: Carolina Müller, Jakob Pilgram, Michael Bach, Marco Amherd. Fotos: zVg
Carolina Müllerwird ab dem Herbstsemester 2024 als neue Dozentin für das Schwerpunktfach Gesang «Groove und Electronics» tätig sein. Als Miss C-Line ist sie international erfolgreich und Gewinnerin des New Generation Jazz Lab Contest im Jahr 2021. Sie hat drei Alben veröffentlicht und mit Künstlern wie Casey Benjamin und Jeff Ballard zusammengearbeitet. Musikalisch und technisch versiert beherrscht sie die Bereiche Musikproduktion, Studioaufnahmen, Mixing, Live-Show-Produktion und Komposition.
Per Studienjahr 2024/25 wird Jakob Pilgram in der Nachfolge von Pascal Maier neuer künstlerischer Leiter des Collegium Musicum und Dozent für Vokalensemble. Als gefragter Solist im In- und Ausland sang er mit Dirigenten wie Thomas Hengelbrock, Philippe Herreweghe, Ton Koopman, Andrea Marcon und Hans-Christoph Rademann und erarbeitete sich ein fundiertes Wissen über die historische Aufführungspraxis. 2005 gründete er das professionelle larynx Vokalensemble, bei dem er als musikalischer Leiter und Dirigent wirkt. Zudem ist er Mitglied des Artistic Board des Balthasar Neumann Chores sowie Co-Leiter von dessen Singer’s Academy. Seit 2004 bildet er mit Mischa Sutter ein an internationalen Wettbewerben ausgezeichnetes Liedduo.
Ebenfalls aufs neue Studienjahr hin wird der mehrfach an Wettbewerben ausgezeichnete Michael BachDozent für Blasmusikdirektion. Seit 2009 dirigiert er die Brassband Bürgermusik Luzern. Er ist seit 2023 Chefdirigent der Grimethorpe Colliery Band (GB) und regelmässiger Gastdirigent von Bands wie der Eikanger-Bjorsvik Band (NO) oder der Fodens Band (GB). Er fungiert als Juror grosser nationaler und internationaler Wettbewerbe und leitet die Musikschule Saanenland-Obersimmental.
Marco Amherd schliesslich wird neuer Dozent für das Hauptfach Chorleitung, aber erst auf das Studienjahr 2025/26. Er studierte Dirigieren, Orgel/Kirchenmusik (Konzert-, Lehr- und Solistendiplom) und Wirtschaftswissenschaften in Zürich, Freiburg im Breisgau und Toulouse. Aktuell agiert er unter anderem als künstlerischer Leiter des Schweizer Vokalconsorts. Sein Gespür für aussergewöhnliche Klänge zeigt sich in der Zusammenarbeit mit dem Vokalensemble Zürich West und dem Jungen Kammerchor Zürich. Er wurde an zahlreichen internationalen Wettbewerben ausgezeichnet. Zurzeit ist Marco Amherd zudem Intendant des Davos Festivals.
Fit für die Zukunft? – Berliner Tagung zur Entwicklung von Musik(hoch)schulen
Fit für die Zukunft? Diese saloppe Frage stand über der Konferenz zum Thema «Entwicklung von Musik(hoch)schulen im 21. Jahrhundert aus künstlerischer und musikpädagogischer Perspektive» vom 3. und 4. Mai in Berlin. Studierende sorgten im Publikum und auf der Bühne für Dynamik. Kurz darauf ist die Studie «Mulem-ex» erschienen zu Hintergründen über das abnehmende Interesse an Studiengängen für das Lehramt Musik in Deutschland.
Katrin Spelinova
- 03. Juli 2024
Gedankenfetzen von Tisch 8 zum Thema «Analog vs. digital?»
In Bewegung kommen, sich bunte Zukunftsräume ausmalen und wieder in die Gegenwart zurückkehren: Die «Aktionen» von Stefan Linne, Pantomime und Schauspieler in Berlin, schlugen den Bogen vom Beginn zum Schluss der Zusammenkunft. Der grosse Ansturm von Teilnehmenden aus allen Generationen hatte die Veranstaltenden positiv überrascht. Eingeladen waren Lehrende, Studierende sowie Leitende in Musikschulen, Musikhochschulen, Verbänden und Akademien, vorwiegend aus Deutschland. Studierendendelegationen aus allen musikpädagogischen Fakultäten Deutschlands erfrischten die vielen partizipativen Formate. Zum Auftakt lernte Jung und Alt unter Linnes Anleitung in kürzester Zeit ganz locker mit drei farbigen Tüchlein zu jonglieren. Diese Aktion versinnbildlichte einen zentralen Aspekt der Tagung, nämlich: wegzukommen von einer Schwarz-Weiss-Sicht in der professionellen Musikausbildung.
Endlich die Kluft zwischen künstlerischer und pädagogischer Ausrichtung überwinden zu können, war ein fühlbar dringliches Anliegen von Publikum und Vortragenden.
Das Fachmedium der Zukunft
Die Fakultät Musik der Universität der Künste Berlin organisierte die Tagung in Kooperation mit der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim. Federführend waren Ivo Berg, Barbara Busch, Christina Fassbender, Isabelle Heiss, Sebastian Herbst und Barbara Metzger. Die Strecker-Stiftung fungierte als Förderin. Sie besitzt seit Ende 2023 den Musikverlag Schott. Dieser wiederum gibt seit 40 Jahren die Zeitschrift üben&musizieren heraus. Seit ihrer Gründung spielt sie eine zentrale Rolle in der Reflexion verschiedenster Aspekte der Musikausbildung und der Entwicklung von Musik(hoch)schulen. Das Jubiläum wurde nicht nur mit «Sekt und Selters» gefeiert. Es gab vielmehr Anstoss zu einem Think-Tank zur Zukunft von Fachmedien. Redaktor Rüdiger Behschnitt und seine Kollegin Kerstin Weuthen sammelten mit dem Publikum in gut organisierten Brainstormings viele Ideen, wohin die Reise gehen könnte, sofern personelle und finanzielle Ressourcen keine Rolle spielen. Ein Königsweg kristallisierte sich dabei erwartungsgemäss nicht heraus, zu schnell und unvorhersehbar verändert sich derzeit die Medienlandschaft. Kurz, klar, korrekt, konkret, kostenlos, leicht zugänglich – so sollten Informationen vor allem aus Sicht der Studierenden sein.
Ideenreichtum an den Brainstormings zur Zukunft von Fachmedien
Acht Spannungsfelder
Die titelgebende Frage des Symposiums, das in den Räumen der Universität der Künste stattfand, wurde schon in der Ausschreibung anhand von acht Gegensatzpaaren aufgefächert. Sie bildeten das Gerüst der Veranstaltungen und wurden in einem «Worldcafé» explizit erörtert:
1. Elitär vs. partizipativ? Welche Menschen können vor dem Hintergrund welcher Leitgedanken wie an Musik(hoch)schulen welche Musik lernen?
2. Persönlichkeitsentwicklung vs. Berufsfeldorientierung? Soll sich die Entwicklung der Musik(hoch)schulen in erster Linie auf die Persönlichkeitsentfaltung der Studierenden oder auf das künftigen Berufsfeld ausrichten? 3. Tradition vs. Innovation? Liegt die Zukunft der Musik(hoch)schulen in der Wahrung oder in der Überwindung von Traditionen?
4. Einsam vs. gemeinsam? Machen sich Musik(hoch)schulen ohne umfassende (externe) Kooperationen überflüssig?
5. Kunst vs. Wissenschaft? Welche Rolle spielen Wissenschaft und Kunst für die Entwicklung von Musik(hoch)schulen?
6. Sinn vs. Unsinn? Inwiefern eignen sich Leitbilder für die Weiterentwicklung von Musik(hoch)schulen?
7. Nähe vs. Distanz? Welche Rolle spielen Nähe und Distanz im Unterricht an Musik(hoch)schulen?
8. Analog vs. digital? Welche Bedeutung haben analoge und digitale Kommunikations- und Ausdrucksformen sowohl im Rahmen der Lehre an Musik(hoch)schulen als auch bezogen auf musikalische Performance und Musikproduktion?
An acht Tische gedrängt loteten die Teilnehmenden jeweils während einer halben Stunde diese Spannungsfelder aus. Sie hatten vorab die Gelegenheit gehabt, sich für drei der sie am meisten beschäftigenden Fragen einzuschreiben. Insgesamt dauerte das «Worldcafé» anderthalb Stunden. Das Resultat war eindrücklich: viele Quadratmeter Papier voll farbig notierter Gedankenfetzen.
Intensive Diskussionen an den Tischen des «Worldcafés»
Die Fragen weiter bewegen
Die Vorträge von Barbara Stiller, Martina Krause-Benz, Ulrich Mahlert, Wolfgang Rüdiger und Tobias Seidel brachten weitere Facetten in die Diskussion und regten individuelle Pausengespräche an. Die Teilnehmenden konnten ihre spezifischen Anliegen in sieben Workshops vertiefen. Studierende und Alumni der Universität der Künste Berlin bauten mit ihren Perfomances immer wieder Brücken zwischen intellektueller Reflexion und künstlerischer Darstellung.
Eindeutige Antworten auf die vielen Fragen gab es keine, vielleicht die Einsicht, dass das Gespräch zwischen den verschiedenen Akteuren mit grösstmöglicher Offenheit weitergeführt werden muss. Stefan Linne und Studierende führten die Teilnehmenden zum Schluss wieder zu sich selbst und den eigenen Vorstellungen einer zukunftsfähigen Musik(hoch)schule zurück.
Einen Monat nach der Berliner Tagung ist die Untersuchung Mulem-ex – Musiklehrkräftebildung – eine explorative Studie veröffentlicht worden. Ziel war, herauszufinden, warum sich junge Menschen in Deutschland gegen ein Studium des Lehramts Musik entscheiden. Im Bereich Schulmusik fehlen dort Tausende ausgebildete Lehrkräfte und die Zahl der in entsprechenden Studiengängen Neuimmatrikulierten ist stark rückläufig. Verkürzt und vereinfacht dargestellt nennt die Studie folgende Gründe für die Entwicklung eines negativen Berufsbildes: Musikaffine nehmen die auf die europäisch-klassische Kunstmusik ausgerichtete Eignungsprüfung als hohe Hürde wahr; viele Befragte fühlen sich zu wenig auf den Berufsalltag vorbereitet, sehen wenig Entfaltungsmöglichkeiten; zahlreiche potenzielle Studierende fürchten im Berufsalltag die hohe Arbeitsbelastung wegen zeitaufwendiger Vorbereitung des Unterrichts und gleichzeitig fehlende Möglichkeit für musikalisch-künstlerische Tätigkeit.
Die Ausbildungssituation in Deutschland ist bedingt mit derjenigen in der Schweiz zu vergleichen. Wer hierzulande an der allgemeinbildenden Schule Musik unterrichten möchte, braucht ein Diplom einer Pädagogischen Hochschule (PH) oder einen Abschluss in Schulmusik I bzw. für Gymnasien Schulmusik II (Musikhochschulen). Allerdings fehlen aussagekräftige Zahlen zum Beispiel über die Abwahl resp. Nichtwahl bestimmter Fächer oder Studiengängen an den PHs oder zum Verbleib von Absolventinnen und Absolventen an PHs und MHs. Zudem sind die Anstellungskontexte für Musiklehrpersonen der darunter liegenden Schulstufe, im Bereich Musik & Bewegung, sehr heterogen. Rückfragen bei der Kammer Pädagogische Hochschulen bei Swissuniversities und der Konferenz Musikhochschulen Schweiz (KMHS) haben ergeben, dass in der Schweiz dazu bislang keine fundierten Daten vorliegen. Die KMHS würde allerdings eine umfassende Erhebung begrüssen.
Chance für guten Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen? Die Uhr in der Berliner U-Bahn-Station war am 4. Mai 2024 tatsächlich kurz vor zwölf stehengeblieben.
Den Kompass neu einstellen?
Wo geht es lang? In der Musik, aber nicht nur dort. Wer gibt die Richtung vor? Das Musikfestival Bern widmet sich vom4. bis 8. September dem Thema «Kompass».
Musikfestival Bern/PR
- 27. Juni 2024
George E. Lewis – Composer in Residence. Foto: Maurice Weiss
Ein Kompass ist ein nützliches Ding, auch wenn es längst durch neuere Technologien ersetzt scheint. Er gibt uns doch eine klare Disposition der Welt mit. Wir wissen dann, wo Norden ist. Wir können uns orientieren. Aber reicht das heute noch aus, da die diversesten Richtungen und Ausrichtungen nebeneinander erscheinen? Wir müssen über den Kompass wieder nachdenken, müssen ihm nachspüren, wie er ausschlägt. Manchmal ist das ein leichtes Vibrieren, manchmal aber ein Hufschlag …
Orientierung und Neuorientierung
Deshalb hat das Musikfestival Bern der Musikszene von Stadt und Kanton den «Kompass» als Thema vorgeschlagen. Diese hat mit vielfältigen Ideen reagiert, aus denen das Kuratorium wiederum einige auswählte und ausarbeiten liess. So führt eine Veranstaltung mit Ludmilla Mercier und Ulysse Loup zu den kalbenden Gletschern Grönlands, eine andere mit Werner Hasler und Stefan Schultze in die Welt der Tiere, die sich bei ihren Zügen und Flügen ebenfalls nach einem inneren Kompass orientieren. Wie synchron koordinieren sich zum Beispiel drei Turntable-Spielerinnen und -Spieler (unter ihnen Marcel Zaes), die an unterschiedlichen Orten der Welt spielen? Ist ihre Ungenauigkeit nicht gerade das Interessante daran? Was imaginiert ein iranischer Musiker (Ali Latif-Shushtari) zu den Mikrogrammen des wandernden Robert Walser, wohin führen sie ihn? Und was bedeutet uns heute noch Arnold Schönbergs aufrüttelndes Zeitdokument A Survivor from Warsaw? Die Berliner Opernkompanie Novoflot und der aus Thun stammende Komponist Michael Wertmüller haben sich das Stück vorgenommen und beleuchten es neu.
In solchen Projekten zeigt sich, wie unterschiedlich die Musikerinnen und Musiker von heute agieren. Aber wurde nicht immer schon die Orientierung in der musikalischen Welt aufs Neue überdacht? So wurden einzelne Komponierende zu Kompassen, in ihrer Zeit und darüber hinaus, indem sie einfach Fragen stellten und manchmal auch Antworten versuchten. Schönberg zum Beispiel sah sich gewiss in einer solchen Position. Mit der Atonalität und vor allem der Zwölftontechnik glaubte er der Musikgeschichte eine Richtung zu weisen. Tat er auch, wenn auch längst nicht mehr unwidersprochen. Es ist immer noch der Mühe wert, sich mit ihm zu beschäftigen. In der dreiteiligen Konzertreihe Extremromantik stellt das Klavierduo Susanne Huber / André Thomet zwei seiner frühen atonalen Werke in den Fokus und fügt als Gegensatz vierteltönige Musik des Jahrgangsgenossen Charles Ives hinzu. Dieser tritt ab Band auch im zweiten Teil der Reihe auf, wozu Jacques Demierre aktuelle Kommentare beisteuert. Und als dritte Kompassfigur erscheint Franz Liszt, der wahre Zukunftsmusiker des 19. Jahrhunderts, mit dem die Elektronikerin Olga Kokcharova in einen grenzensprengenden Dialog tritt.
Richtungen und Schranken
Grenzen stehen oft dem Weg entgegen, den ein Kompass anzeigt. Und deshalb fragt das Ensemble Proton Bern zusammenmit vier Komponistinnen und Komponisten und dem Vokalensemble Cantando Admont nach den Grenzen unseres Landes, seiner Offenheit und Abgeschirmtheit. Welchem inneren Kompass folgen etwa Geflüchtete auf ihrer schwierigen Reise durch unser Land? Welche Schranken müssen sie überwinden? Das internationale Vokalquartett Operadicals (mit Franziska Baumann) und der Berner Chor suppléments musicaux wiederum suchen nach der Terra incognita der menschlichen Stimme. Und Mauricio Kagel, der aus Argentinien stammende und in Köln heimische Komponist, betrachtete in seinen Stücken der Windrose die Welt aus ungewohntem Blickwinkel. Der Süden, den wir mit Hitze verbinden, steht für ihn für patagonische Kälte. So geraten Ordnungen ins Strudeln.
Composer in Residence: George E. Lewis
Grenzüberschreitung und Neuorientierung sind aber vor allem auch für den Musiker zentral, der als Composer in Residence nach Bern kommt: George E. Lewis. Der Posaunist aus dem Jazzavantgardezirkel der AACM (Association for the Advancement of Creative Musicians) gehört längst zu den wichtigen Figuren der US-Musik. In seiner Musik verbinden sich Improvisation und Komposition, computergesteuerte Installationen und interaktive Konzertformen mit einer tiefgreifenden Reflexion über die Bedingungen heutigen musikalischen Schaffens. Er wird über Dekolonisation sprechen; sein Computerorchester interagiert mit der Pianistin Magda Mayas in Voyager; und er schreibt ein neues Stück für die wandlungsfähige winddynamische Orgel im Berner Münster. Daniel Glaus spielt den Solopart und wird so zum «Teufel im Dom». Mit jeder Aufführung ändert sich die Sicht- und Hörweise. Selbst auf den Kompass der Partituren kann man sich nicht mehr völlig verlassen. Vielleicht jedoch ist gerade das befreiend …
Stets im persönlichen Gespräch mit der Unendlichkeit
Die Ärztin Stefania Longoni Bortoluzzi hat neben ihrem Beruf für die Musik gelebt. Ihre umfangreiche Musiksammlung ist nun Teil der Bibliothek der Fondazione Conservatorio della Svizzera italiana. Ein Porträt der vor rund einem Jahr verstorbenen Musikgönnerin.
Mario Chiodetti
- 26. Juni 2024
Die Bibliothek in Velate. Foto: zVg
Es wird oft gesagt, dass die Zusammenstellung einer Bibliothek oder einer Musiksammlung das tiefste Wesen einer Person widerspiegle, ihre intimsten Wünsche, Neugierden und manchmal auch Hoffnungen. Hunderte von Büchern oder Aufnahmen zusammenzutragen setzt zunächst eine vielseitige Bildung voraus, möglicherweise herausgewachsen aus einer in jungen Jahren verwurzelten Leidenschaft, mit zunehmendem Alter kultiviert und vielleicht «durch Ansteckung» von Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten übertragen. Unsere Lektüre und unsere Musikvorlieben repräsentieren das Eintauchen in eine Welt, in der wir gerne leben würden, einen Zufluchtsort des Geistes und oft auch des Körpers, denn das Hören von Musik oder ein angenehmes Buch können heilsame und glücklich machende Endorphine freisetzen.
Einladung zum Schönen
So konnten wir, als wir das grosse Haus von Emilio und Stefania Bortoluzzi in Velate (Italien) betreten durften, über seine grossen Bücherschränke und Regale voller CDs und DVDs sofort die Essenz ihrer Charaktere erfassen. Eine Einladung zum Schönen und der Beweis, dass Wissenschaft und Humanismus perfekt miteinander vereinbar sind und sich gegenseitig unterstützen können, denn beide Ehepartner waren Ärzte, suchten aber kontinuierlich nach ihrer tiefsten Bestimmung, die durch ausgiebiges Lesen und Musikgenuss inspiriert wurde. Wenn Emilio aus den Büchern neue Energie für sein poetisches Schreiben gewann, sich in sein Arbeitszimmer zurückzog, um Reime zu finden und Gefühle und Erinnerungen zum Ausdruck zu bringen, setzte Stefania im grossen, mit Fresken verzierten Wohnzimmer eine LP der Deutschen Grammophon auf und verfolgte im Sessel die Stationen ihres Lebens mit der Musik als stetiger Begleiterin. Sie hatte Kunstmusik bereits mit der Luft des Mailänder Hauses eingeatmet, in dem sie geboren worden war, mit ihrer Mutter Alice Claius, einer Sängerin aus Leipzig, einer ausgezeichneten Liedinterpretin und Pianistin, in den dort erlebten Hausmusikabenden, die später auch in Velate Brauch wurden, mit dem unschätzbaren Vergnügen, die liebsten Freunde um sich zu haben.
Leidenschaft für legendäre Aufnahmen
Versuchen wir Stefania Longoni Bortoluzzi durch «Ermittlungen» in ihrer Musiksammlung näherzukommen. Diese verweist auf einige Grundpfeiler der Persönlichkeit der Ärztin, die 34 Jahre lang als Anästhesistin am Circolo-Krankenhaus in Varese arbeitete, wo ihr Mann Leiter der Intensivstation war: legendäre Aufnahmen mit möglicherweise nicht «historisch informierten» Interpreten, wie man heute diejenigen bezeichnet, die alte Musik aufführen, die dafür aber aussergewöhnliches Charisma und künstlerische Strenge aufwiesen.
Da sind Karl Richter mit den Bach-Passionen, die gesamte Tastenmusik des Kantors, interpretiert von Angela Hewitt, über die wir später sprechen werden, der Beethoven der Sinfonien und Konzerte, der Mozart für Klavier und Oper, die berühmtesten Aufnahmen Karajans. Vor allem aber finden wir eine grosse Sammlung von Liedern – die tiefste Leidenschaft Stefanias. Sie beherrschte das Deutsche perfekt, kannte die Texte der Lieder von Schubert, Schumann, Mendelssohn, Brahms, Wolf, Strauss auswendig und genoss die Werke von Richard Wagner in der Originalsprache. Die Romantiker, genau, und wir fügen auch Chopin hinzu, natürlich gespielt von Rubinstein, obwohl als Interpret auf einigen Aufnahmen auch Maurizio Pollini auftauchte, oder Arturo Benedetti Michelangeli, oder der grossartige und viel zu früh verstorbene Dino Ciani.
Diese spezielle Vorliebe könnte wie ein Widerspruch erscheinen, denn Stefania Longoni war eine pragmatische Person, ohne viel Firlefanz, sehr direkt, und doch lässt ihr Musikgeschmack etwas ganz anderes vermuten, nämlich einen zutiefst romantischen Geist. Vielleicht ist dies das Ergebnis der Mailänder Jahre, in denen die junge Frau bei ihrer Mutter Klavier studierte und in den Gedichten deutscher Dichter wie Uhland, Klopstock, Müller, Brentano und natürlich Goethe Schätze entdeckte. Ihr Geheimnis blieb in den Titeln der Platten bewahrt, von denen sie sich an jede einzelne erinnerte, deren Interpreten sie nennen und ein Urteil über ihre Leistung abgeben konnte. Doch am liebsten hörte sie immer ganz bestimmte Autoren, die als wahrhaftige «Mantras» innerlich rezitiert wurden, bevor sie die Platten auflegte.
Mit der Sensibilität einer Musikerin
Als Kind hörte Stefania ihre Mutter deren Liedrepertoire singen, und sie pflegte das Klavierspiel bis zum achten Lebensjahr, fühlte sich jedoch nicht geeignet, eine Konzertkarriere zu beginnen. Die Musik aber war immer in ihr, und sie blieb lebendig durch das Hören und Kennenlernen grosser Interpreten, denen sie in die Konzertsäle von halb Europa folgte. Die Ärztin, die dreissigtausend Patienten einschlafen liess, während sie ihnen bei der Anästhesie die Hand hielt, stellte ihre Musiksammlung mit äusserster Sorgfalt und Sachkenntnis zusammen und erinnerte sich an die vielen Live-Konzerte, die sie besucht hatte: Benedetti Michelangeli an der Scala, Herbert von Karajan in Salzburg, Bernhard Haitink im Concertgebouw in Amsterdam und dann Bernstein, Pollini, Sokolov, Fischer-Dieskau, Harnoncourt, Herreweghe – all die Namen standen in den Regalen wie Freunde, die sie «anrufen» konnte, wenn ein dringendes akustisches Bedürfnis bestand.
Als Kind hatte sie das Glück, Victor De Sabata zu treffen, der einmal Gast im Elternhaus war. Sie spielte ihm etwas am Klavier vor und erhielt Komplimente, dann hörte sie ihn an der Scala Tristan und Isolde dirigieren, und es war eine unvergessliche Erfahrung. Aber ihr Idol unter den Dirigenten war Karajan, über den sie Artikel und Biografien las und von dem sie ganze Boxen mit Beethoven- und Brahms-Aufnahmen sammelte, aber auch von Opern, die eine Ära prägten, so wie die legendäre Bohème mit Mirella Freni und Luciano Pavarotti in ihrer stimmlichen Blütezeit. Sie liebte es, die grossartige Videoaufzeichnung von Beethovens Neunter mit den Berliner Philharmonikern immer wieder anzuschauen, und wiederholte, dass niemand anderer in der Lage wäre, sie so zu spielen. Sie hörte mit dem Ohr und der Sensibilität einer Musikerin, nicht einer Amateurin, sie erfasste jede Nuance der Partitur und hatte Spass daran, verschiedene Interpretationen desselben Stücks zu vergleichen.
Der Weg nach innen
Ihre Leidenschaft für die Musik war ansteckend, so sehr, dass sie auch ihren Mann Emilio, der gerne Jazz hörte, dazu brachte, sich für klassische Musik zu begeistern und mit ihr Konzerte zu besuchen. Bei dem Dino Ciani gewidmeten Klavierwettbewerb hatte Stefania Longoni eine ihrer wichtigsten Begegnungen in der Musikwelt – mit der kanadischen Pianistin Angela Hewitt, damals unbekannt und sehr jung, die später wie eine Tochter für sie wurde. Angela kam vor allem im Frühling und Herbst, wenn sie in Italien auf Tournee war, in die Casa Bortoluzzi und übte im Klaviersaal. Stefania begleitete sie jedes Jahr zum Festival am Lago Trasimeno, das die Künstlerin organisierte, und fehlte bis 2018 bei keiner Ausgabe. In ihrer Musiksammlung befand sich die vollständige Kollektion der Aufnahmen von Angela Hewitt, die massgeblich dazu beitrug, die Leidenschaft der Ärztin für Johann Sebastian Bach zu erneuern, denn die kanadische Künstlerin gehört zu dessen bedeutendsten lebenden Interpreten. Stefania Longoni liebte das Reisen, und es verging keine Reise, bei der sie nicht die Gelegenheit wahrnahm, ein Live-Konzert zu hören, egal ob in Stresa, Amsterdam, Salzburg oder Berlin, in der Mailänder Scala oder im Metropolitan in New York war. Mit zunehmendem Alter wählte sie gezielter aus und näherte sich introspektiveren Komponisten und Werken an: Bach, dem späten Beethoven, Brahms, den späten Schubert-Sonaten, einigen Liedern von Schumann, aber auch Opern, die sie vielleicht in jungen Jahren weniger häufig gehört hatte.
Die Musikgönnerin
Stefania und Emilio Bortoluzzi waren Mäzene der Musik und unterstützten von Anfang an die städtische Musiksaison von Varese, die von Fabio Sartorelli, Musikwissenschaftler und Dozent am Konservatorium «Giuseppe Verdi» in Mailand, geleitet wurde. Stefania spendete unter anderem eine Beleuchtungsanlage für die Konzerte, kaufte jedes Jahr verschiedene Abonnements, die sie dann den Menschen schenkte, die ihr wichtig waren, und lud verschiedene Musiker in das grosse Haus in Velate ein, um zu proben, darunter Leonidas Kavakos und den Pianisten Enrico Pace, die Geigerin Vilde Frang und die damals auf der internationalen Bühne noch unbekannte junge Beatrice Rana.
Nun ist die Musiksammlung, die Stefania Longoni liebevoll über viele Jahre zusammengestellt hat, ein Teil der Bibliothek der Fondazione Conservatorio della Svizzera Italiana, um denen nützlich zu sein, die jeden Tag mit Musik zu tun haben. Und wenn man sich die Titelliste ansieht, offenbart sich mit Nachdruck die Seele der Frau, die ihre Spur in dieser Sammlung hinterlassen hat, wie im grossen Saal der Villa in Velate, wo die Wissenschaft jeweils einem intimen und persönlichen Gespräch mit der Unendlichkeit Platz machte.
Mario Chiodetti ist Journalist, Schauspieler und Schriftsteller. Er lebt in Varese (I).
Sommerfrische mit George Sand
Wer es sich leisten konnte, verliess Paris, wenn es heiss und stickig wurde. Die berühmteste französische Schriftstellerin des 19. Jahrhunderts versammelte auf ihrem Landsitz in Nohant die Crème de la Crème der damaligen Kulturszene.
Moritz Weber
- 26. Juni 2024
Historische Aufnahme des Hauses am 26. April 1875. Maurice Dudevant-Sand, seine Gattin Lina Calamatta und ihre beiden Kinder Aurore und Gabrielle. Foto: Placide Verdot (1827-1889)/Wikimedia
Die Landschaft ist topfeben in der Umgebung des Weilers Nohant-Vic in der Provinz Berry im Herzen Frankreichs. Dort steht das stolze Herrenhaus der Familie Dupin. Marie-Aurore de Saxe, Grossmutter von George Sand alias Aurore Dudevant, hatte es einst samt dazugehörigem Landwirtschaftsbetrieb, Stallungen, kleiner Kirche und fünf Hektar grossem Park gekauft.1
Hinter dem Haus liegen ein kleines Wäldchen mit verschlungenen Wegen und verwunschenem Weiher, ein grosszügiger Garten mit Beeten sowie ein Familienfriedhöfchen. Hier verbrachte George Sand die meiste Zeit ihres Lebens. Und hier gingen einige der bedeutendsten Kulturschaffenden jener Zeit ein und aus. Fern vom Trubel und vom Dreck der Hauptstadt arbeiteten sie in aller Ruhe und in inspirierender Gesellschaft an wegweisenden Theaterstücken, Romanen, Kompositionen und Gemälden.
Das Herrenhaus auf George Sands Landgut in Nohant-Vic. Die kleine Treppe bildet den «Bühnenausgang» des Theaters. Foto: Anonimage/wikimedia
Anfang 1838 lässt sich etwa der Dichter Honoré de Balzac von dieser Atmosphäre inspirieren. Das ländliche Leben, das die umtriebige George Sand vorzieht, beflügelt die Kreativität. In Nohant kann es auf Dauer aber auch langweilig werden, Musik muss also her. Die Hausherrin liebt Klaviermusik. Sie spielt das Instrument ja selbst, aber die Profis im Haus fehlen – bevorzugt Stars wie Franz Liszt. «Quand Franz joue du piano, je suis soulagé [sic]. Toutes mes peines se poétisent, tous mes instincts s’exaltent. Il fait surtout vibrer la corde généreuse» (Wenn Franz Klavier spielt, bin ich erleichtert. Alle meine Qualen verklären sich, alle meine Instinkte geraten in Begeisterung. Er bringt vor allem die grosszügige Saite zum Schwingen.), schreibt sie am 3. Juni 1837 in ihr Journal intime, als Liszt und seine Geliebte Marie d’Agoult monatelang in Nohant zu Besuch sind.
Der polnische Komponist Frédéric Chopin und dessen Intimfreund Wojciech Grzymała – sie kennen Sand längst aus den Pariser Salons – folgen ihren drängenden Einladungen jedoch noch nicht. Indessen wird Sand von je einem vergangenen, aktuellen und künftigen Liebhaber besucht; auch sie sind künstlerisch tätig: Charles Didier, Schweizer Journalist und Literat, Bocage (Pierre-Martinien Tousez), französischer Schauspieler, und Félicien Mallefille, auf Mauritius geborener französischer Schriftsteller.2
Chopinsche Musikfetzen über dem Garten
Erst zwei Jahre später kommt auch Chopin in den Genuss der Sommerfrische in Nohant. Nachdem ihn die geschiedene und seit Jahren alleinerziehende Sand zur berühmt gewordenen, verregneten Winterreise nach Mallorca eingeladen und sich sein Gesundheitszustand lebensgefährlich verschlechtert hat, erreicht das Grüppchen (Sands Kinder und Zofe sind dabei) im Juni 1839 den Landsitz. Chopin langweilt sich bald. Er vermisst sein ausschweifendes Leben in Paris, seine Freunde, das Streifen durch die Salons bis spät in die Nacht. Inständig bittet er Grzymała, ihn zu besuchen. Dessen Kommen freut auch Sand. Längst duzt sie diesen Mitgründer der polnischen Pariser Literatengesellschaft und nennt ihn «mon époux» – während sie und Chopin stets mit dem förmlichen «Sie» korrespondieren.
Gepolsterte Tür zu Chopins Musikzimmer in Nohant. Foto: Moritz Weber
Für ihren «malade» bestellt sie einen Pleyel-Flügel, damit er ungestört arbeiten und spielen kann. Die zur Schallisolierung wattierten Türen zu seinem Arbeitszimmer sind heute noch erhalten. Denn in Paris ist Chopins Hauptbeschäftigung das Unterrichten – mój młyn, seine «Mühle», wie er es etwas zynisch nennt. In Nohant kann Chopin nun während sieben Sommern (1839, 1841-1846) monatelang in Ruhe komponieren; noch dazu kostengünstig, er selbst könnte sich eine solch feudale und ausgiebige Sommerfrische inklusive gutem Essen kaum leisten.
Perfektionistisch feilt er an seinen neuen Werken. «Il s’enfermait dans sa chambre des journées entières, pleurant, marchant, brisant ses plumes, répétant et changeant cent fois une mesure […] avec une persévérance minutieuse et désespérée. Il passait six semaines sur une page pour en revenir à l’écrire telle qu’il l’avait tracée du premier jet.» (Er schloss sich tagelang in seinem Zimmer ein, weinte, ging umher, wiederholte und änderte hundert Mal einen Takt […] mit einer peinlich genauen, verzweifelten Hartnäckigkeit. Er arbeitete sechs Wochen an einer Seite, um schliesslich darauf zurückzukommen, wie er sie im ersten Wurf niedergeschrieben hatte.)3
Sands «hôte» (so betitelt sie ihn in Histoire de ma vie) komponiert tagsüber, sie schreibt in der Nacht und schläft den halben Tag. Diese «compagnonnage»4 kommt also gut aneinander vorbei, unternimmt aber trotzdem gemeinsame Spaziergänge, wobei er auf einem Esel reitet.
Mit seinen geliebten Freunden in Paris bleibt Chopin brieflich verbunden. Seinem zuverlässigen Intimus Julian Fontana etwa schickt er verlegerische Aufträge und mehr: «Écris-moi continuellement, trois fois par jour si tu le veux […] Que mon chapeau soit prêt dans quelques jours. Commande immédiatement mes pantalons, ma petite Juliette [sic].» (Schreib mir immerzu, dreimal täglich, wenn du willst […] Ob mein Hut in einigen Tagen bereit ist. Bestell sofort meine Hose, meine kleine Juliette [sic]. 3.10.1839)
Chopins Familie in Warschau erhält ebenfalls Post aus Nohant. Und auch seine alte Liebe in Polen, der musikalische Landwirt Tytus: «Woyciechowski vient de me conseiller d’écrire un Oratorio.» (Woyciechowski hat mit empfohlen, ein Oratorium zu schreiben. 8.8.1839) Ein Oratorium bringt Chopin nie zu Papier, das macht er seinem Tytus postwendend klar. In diesen Sommern vollendet er jedoch ein Klavier-Meisterwerk nach dem anderen: das schaurige Finale der b-Moll-Sonate, die h-Moll-Sonate, die Ballade in f-Moll, die «heroische» As-Dur-Polonaise, das luftig-leichte E-Dur-Scherzo mit seinem sehnsuchtsvollen Mittelteil und viele mehr.
Während Chopin komponiert, Sands Tochter Solange unterrichtet und das ganze Haus auch des Abends mit seinem Spiel erfüllt, lädt die «Hausherrin» (wie er sie nennt) ständig weitere Kulturschaffende ihrer grosser Künstlerfamilie ins Berry ein. Etwa den Maler Eugène Delacroix. Er ist auch mit Chopin sehr eng liiert und schreibt: «Il arrive de la fenêtre ouverte sur le jardin des bouffées de la musique de Chopin qui travaille de son côté: cela se mêle au chant du rossignol et à l’odeur des roses.» (Aus dem zum Garten hin offenen Fenster wehen Musikfetzen von Chopin, der ebenfalls am Arbeiten ist: Sie mischen sich mit dem Gesang der Nachtigall und dem Duft der Rosen. 7.6.1842)
Dieser ewige Junggeselle unterrichtet Maurice, den begabten Sohn Sands. Auch für ihn wird ein Atelier eingerichtet, er darf im schönen Grossmutter-Zimmer im Parterre schlafen und verbringt viel zweisame Zeit mit Chopin. «Jʼai des tête-à-tête à perte de vue avec Chopin, que jʼaime beaucoup, et qui est un homme dʼune distinction rare; cʼest le plus vrai artiste que jʼaie rencontré.» (Ich verbringe unendlich viel Zeit zu zweit mit Chopin, den ich sehr mag. Er ist ein Mensch von seltener Vornehmheit und der wahrhaftigste Künstler, dem ich je begegnet bin. 22.6.1842)
Nach der Klangkulisse kommt das Theater
Die grosszügige, gerne Männerkleider tragende und Zigarren rauchende George Sand ist für damalige Verhältnisse, was ihre Themen anbetrifft, eine avantgardistische Autorin. Geschlechtsidentität kann fluide sein (Gabriel, Grzymała gewidmet), und ihre Heldinnen sind selbstbestimmt (Lélia). Privat fühlt sich die Romancière von Frauen wie von Männern angezogen, sie ist bisexuell.5
Der Salon im Parterre, im Hintergrund George Sands eigenes Klavier. Foto: Moritz Weber
Die Sängerin und Komponistin Pauline Viardot ist Dauergast in Nohant, teils samt Familie. Sand hegt für sie mütterliche Gefühle, wie auch für Chopin, entgegen einer verbreiteten Meinung und wie sie selbst immer betont: «mon fils». Leidenschaft spielt in dieser Zweckgemeinschaft all die Jahre keine Rolle.6 «Ma fille» Viardot musiziert und improvisiert also mit ihm – musikalische Sternstunden im Berry.
Ausgesuchte Freunde Chopins kommen zu Besuch, wie der Dichter Stefan Witwicki und ein zweites Mal Grzymała. Bisweilen werden wegen all der Gäste, Bediensteten und Hausangestellten die Zimmer knapp. «Le domestique de Chopin […] est un polonais grave et stupide […] On pourra le mettre à côté de la sellerie.» (Chopins Diener […], ein Pole, ist ernst und dumm. Wir könnten ihn neben der Sattelkammer unterbringen. 8.4.1843)
Bereits Ende 1846 beschliesst George Sand, nun auch während des Winters in Nohant zu bleiben, und kündigt – ohne Chopin zu informieren – ihre Wohnung in Paris. Nach einer Meinungsverschiedenheit trennen sich ihre und Chopins Wege endgültig, und nun wird es plötzlich sehr still im prächtigen Landhaus. Sand versucht zwar, selbst Musik zu machen, aber das ist kein Ersatz für die frühere Klangkulisse. «Je suis forcée de me faire de la musique à moi-même, ce qui n’est pas gai du tout […] cela me donne à moi, les seules jouissances musicales que je puisse avoir ici». (Ich bin gezwungen, für mich selbst zu musizieren, was überhaupt nicht lustig ist […] das gibt mir die einzigen musikalischen Freuden, die ich hier haben kann. 5.3.1849)
Der Graveur und Autor Alexandre Manceau, Sands leidenschaftliche Liebe, der ab 1849 mit ihr fünfzehn Jahre in Nohant lebt,7 bringt leider keine Musik ins Haus. Dafür die darstellende Kunst: Er führt Regie auf der neuen, hauseigenen Kleinbühne, richtet zusätzlich ein Marionettentheater für Maurice ein, und die Vorstellungen werden zu Events für die «Berrichons» aus der Umgebung.
Das Mini-Theater im Parterre. Foto: Moritz Weber
Moritz Weber ist Pianist und Musikjournalist, seit 2012 bei SRF Kultur. Seine Recherche, «Chopins Männer», erregte 2020 weltweites Medienecho.
Anmerkungen
1 Anne Muratori-Philip, La Maison de George Sand à Nohant, Paris: Éditions du patrimoine, Centre des monuments nationaux, 2012, S. 4
2 George Sand, Correspondance (Éd. Lubin), Band IV, Paris: Classiques Garnier 1968 (Reprint 2013), S. 5
3 George Sand, Histoire de ma vie, Tome XIII, Chapitre 7, Paris: [Verlag nicht ermittelbar], 1855, S. 130f.
4 Martine Reid, George Sand, Paris: Gallimard, 2013, S. 158
5 Martine Reid, George Sand, Paris: Gallimard, 2013, S. 101f.
6 Armin Strohmeyer, George Sand – Eine Biografie, Leipzig: Reclam, 2004, S. 105
7 Armin Strohmeyer, George Sand – Eine Biografie, Leipzig: Reclam, 2004, S. 165, 197
Ausgabe 07/2024 – Focus «Sommerfrische»
SMZ
- 26. Juni 2024
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