An den Wochenenden vom 18. und 19. sowie 25. und 26. März 2023 wird im neu hergerichteten Singisen Saal des ehemaligen Klosters Muri/AG erstmals das Kammermusikfestival «Frühlingserwachen» durchgeführt.
PM/SMZ
- 23. Feb. 2023
Sebastian Bohren ist Artist in Residence und verantwortet das Programm des neuen Kammermusikfestivals in Muri. Foto: Marco Borggreve
Das Festival findet im Rahmen der Reihe «Musik im Festsaal» statt. Neben Sebastian Bohren, der auch als Geiger auftritt, sind internationale Künstlerinnen und Künstler zu hören: der japanische Pianist Mao Fujita, der Bassist Dominik Wagner aus Österreich, die russische Cellistin Anastasia Kobekina, der Pianist Lucas Debargue, die Bratschistin Blythe Teh Engstroem und der Pianist Konstantin Lifschitz. Neben viel klassischem Repertoire steht Die Magie des Tinnitus des Zürcher Komponisten Martin Wettstein auf dem Programm.
Ein neuer Saal
Die Konzerte des Kammermusikfestivals «Frühlingserwachen» erklingen im Singisen Saal des Klosters Muri. Dieser Raum wurde in früheren Zeiten als Lesesaal genutzt. Mit dem neu hergerichteten Saal verfügt Muri nun neben dem grossen Festsaal über Ort, der sich von der Akustik und Grösse her für Kammermusik eignet.
Wenn SMR und IGMR fusionieren …
Schliessen sich der Schweizer Musikrat (SMR) und die Interessengemeinschaft Musik und Radio (IGMR) zusammen, sollten die einzelnen Mitglieder der zusammengeschlossenen Unterorganisationen zur Ausgleichskasse (AK) Forte übertreten. Zwei Insider geben Auskunft.
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- 22. Feb. 2023
Pixelery.com/depositphotos.com
Annette Dannecker, Sie sind Co-Präsidentin des Schweizerischen Musikpädagogischen Verbands (SMPV), eines langjährigen Mitglieds des SMR. Wie verändert sich die Vorsorge bei einer allfälligen Fusion Ihres Dachverbands? Für den SMPV ändert sich insofern nichts, als dass wir – wie die IGMR – bereits Gründerverband der AK Forte sind. Wenn die Dienstleistungen dieser Ausgleichskasse weiteren Akteuren der Musikbranche zugänglich gemacht werden und der Wechsel nicht in jedem Einzelfall zwingend ist, begrüsse ich das.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit? Die Mitglieder des SMPV rechnen ihre AHV-Beiträge über die AK Forte ab, ebenso die Löhne ihrer Angestellten. Der SMPV hat eine Vertretung im Vorstand der AK Forte, die seine Anliegen, z. B. die nachhaltige Verwaltung des Kassenvermögens, einbringen kann. Die Zusammenarbeit ist sehr konstruktiv, partnerschaftlich und zielführend!
Nach einer Fusion müssten alle Mitglieder des SMR über die AK Forte abrechnen. Wir haben einige Mitglieder, die das nicht tun, und das wurde und wird auch akzeptiert. Manchmal fühlt man sich bei einer anderen Kasse, wo man langjährige Kundin ist, einfach besser aufgehoben. Die AK Forte versucht mit guten Dienstleistungen zu überzeugen und nicht mit Zwang.
Was wäre aus Sicht eines SMR-Mitglieds der Vorteil einer Fusion von SMR und IGMR? Ein Vorteil ist sicher, dass die AK Forte schweizweit tätig ist. Bei einem Wohnortswechsel können Kasse und Ansprechpersonen beibehalten werden. Zudem verrechnet sie sehr moderate Verwaltungskosten, d.h. es bleibt mehr Einkommen übrig. Da sie die Musikbranche und unsere Patchwork-Arbeitssituationen mittlerweile kennt, können die Fachpersonen auch kompetent Auskunft geben. Zudem veranstaltet sie Weiterbildungen für unsere Mitglieder.
Christian Leuenberger, als Finanzchef der Suisa sind Sie zuständig für die AHV-Abrechnung Ihrer Mitarbeitenden. Und als Mitglied der IGMR ist die Suisa ebenfalls bei der AK Forte. Wir erleben die Zusammenarbeit als professionell, freundlich und hilfsbereit. Auf Anfragen und Anliegen wird zeitnah und kompetent eingegangen. Wir können die AK Forte nur empfehlen.
Die Suisa ist nicht Gründerorganisation der AK Forte, sondern «nur» Mitglied. Ein Problem? Nein! Wir sind überzeugt, dass die AK Forte alle angeschlossenen Unternehmen gleich kompetent behandelt. Auch aus Kostensicht erwarten wir absolut keine Nachteile.
Sie sind im Vorstand der IGMR, der die Fusion mit dem SMR befürwortet. Das würde die Auflösung der IGMR bedeuten. Die Aktivitäten und die Bedeutung der IGMR haben über die letzten Jahre kontinuierlich abgenommen. Heute ist sie ein «leerer Gründerverband», deren organisatorischer Fortbestand gefährdet ist. Mit der angestrebten Fusion werden die Mitglieder in einen aktiven und etablierten Verband integriert, der national in Erscheinung tritt. Da die IGMR nicht überschuldet ist, aber auch keine Mittel aufweist, gestaltet sich die Fusion aus finanztechnischer Sicht problemlos. Der SMR wird Gründerverband der AK Forte und an der Abrechnung über die Ausgleichskasse ändert sich für die bestehenden Mitglieder nichts.
Lilli Maijala unterrichtet ab Herbst an der ZHdK
Die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) freut sich, ab Herbstsemester 2023 Lilli Maijala im Viola-Team zu begrüssen.
ZHdK
- 22. Feb. 2023
Lilli Maijala. Foto: Eduardus Lee
Lilli Maijala zählt zu den international gefragtesten skandinavischen Bratschistinnen der Gegenwart.
Seit ihrem Debüt als Siebzehnjährige mit dem Oulu Symphony Orchestra ist sie häufig als Solistin in namhaften Orchestern anzutreffen. Ihre Konzertaufnahmen für Alba Records wurden von The Strad und BBC Music Magazine gelobt. Als begehrte Kammermusikerin wird sie weltweit zu Festivals eingeladen.
Nachdem sie einige Jahre im experimentellen quartet-lab mit Patricia Kopatchinskaja, Pekka Kuusisto und Pieter Wispelwey gespielt hat, ist Lilli Maijala nun Mitglied des neu gegründeten Valo Quartetts.
Seit 2009 unterrichtet sie an der Sibelius Akademie Helsinki, seit 2011 als Professorin und Leiterin der Viola Faculty.
Ausgabe 3/2023 – Focus «Freiheit»
SMZ
- 22. Feb. 2023
Titelseite der Ausgabe 3/2023
Inhaltsverzeichnis
Focus
«Authentische musikalische Traditionen gibt es nicht» – Interview mit Yann Laville
Besuch eines Jugendorchesters aus dem Apartheidstaat
Vom 2. bis 19. März findet im Schloss Leuk das Festival für neue Musik Forum Wallis statt. Das Programm ist nun online.
PM/Forum Wallis
- 21. Feb. 2023
Foto (v.o.n.u.u.l.n.r.): Schloss Leuk, Schoss Company, Pascal Viglino, Dsilton, dissonArt Ensemble, Oberwalliser Volksliederchor, Le Pot, UMS `n JIP, Rolf Hermann
Anfang März 2023 verwandelt sich Schloss Leuk im gleichnamigen mittelalterlichen Walliser Städtchen einmal mehr in einen Hotspot für Neue Musik. Schweizer und internationale Acts der zeitgenössischen Musik geben sich dort am Forum Wallis ein Stelldichein. Sie gewähren vom 2. bis 4. März einen Einblick in das vielfältige Schaffen der aktuellen Musikavantgarde.
Mit dabei sind in der 16. Festivalausgabe die Schoss Company zusammen mit Cod.Act, Pascal Viglino, die Schweizer Freejazz-Grössen Manuel Mengis, Lionel Friedli, Manuel Troller und Hans-Peter Pfammatter, Jonas Imhofs Exquisición, der Leuker Schriftsteller Rolf Hermann, UMS ´n JIP, der österreichische Mikrotonpianist Georg Vogel mit seiner Band Dsilton, das dissonArt ensemble aus Thessaloniki. Anwesend sind ebenso die Komponistinnen und Komponisten der Ars Electronica Forum Wallis Selection. Sie findet 2022/23 zum 8. Mal statt, kuratiert von Simone Conforti (IRCAM Paris) kuratiert.
Die Konzerte der Ars Electronica Forum Wallis Selection (10. bis 12. März) finden erstmals im neu eingerichteten MEBU (Münster Earport) in Münster im Goms statt. Zudem schwärmt das Festival mit den Konzerten des Oberwalliser Volksliederchors (18./19. März) mit Simplon Dorf und Ernen wieder in verschiedene Oberwalliser Dörfer aus.
Das Forum Wallis ist ein internationales Festival für Neue Musik auf Schloss Leuk an der deutsch-französischen Sprachgrenze inmitten der Walliser Alpen in der Schweiz. Die Leitung hat die IGNM-VS inne, die Ortsgruppe der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM / ISCM).
Das Forum Wallis hat seit 2006 über 300 Uraufführungen mitproduziert. Zu den Höhepunkten der Festivalgeschichte gehören Stockhausens Helikopterstreichquartett zusammen mit dem Arditti Quartet, André Richard und Air Glaciers, Holligers Alp-Cheer, Cod.Acts Pendulum Choir sowie die regelmässigen Gastspiele von Weltklasse-Ensembles wie recherche, Klangforum Wien oder Ensemble Modern.
Die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) freut sich, ab Herbstsemester 2023 Silvia Careddu als neue Hauptfachdozentin Querflöte zu begrüssen.
ZHdK
- 17. Feb. 2023
Silvia Careddu. Foto: Neda Navaee
Silvia Careddu zählt unter den jüngeren Flötistinnen und Flötisten zu den prägenden Persönlichkeiten der Gegenwart. Den Beginn ihrer Laufbahn verdankt sie dem Gewinn des Premier Grand Prix à l’unanimité und dem Publikumspreis des 56. Concours international de Musique de Genève.
In der Folge wirkt sie als Soloflötistin in renommierten Orchestern wie den Wiener Philharmonikern, den Wiener Symphonikern und aktuell im Orchestre National de France.
Sie ist eine vielgefragte Solistin und Kammermusikpartnerin.
Silvia Careddu engagiert sich als Pädagogin an mehreren europäischen Musikhochschulen, als Jurorin an zahlreichen Wettbewerben und gibt Meisterkurse in Europa und Asien.
Neuer Konzertsaal in Vitznau
Mitte Februar fand in Vitznau die Einweihung eines neuen, unterirdisch angelegten Kammermusiksaals statt.
PM/SMZ/ks
- 15. Feb. 2023
Der neue Kammermusiksaal in Vitznau ist unterirdisch angelegt. Foto: Ralph Feiner
Der Kammermusiksaal verbirgt sich mit seiner Raumhöhe von zirka 10 Metern komplett im Boden. Baubeginn war am 2. November 2020 und insgesamt haben 20 Fachplaner-Firmen und 50 Handwerker mitgearbeitet.
Multifunktional
Der Bauherr Peter Pühinger, Gründer und Visionär des Campus Kultur Kulinarik Vitznau, wollte einen intimen Raum für Kammermusik und Chorgesang mit perfekter Akustik realisieren. Dank ausgeklügelter Technik lässt sich der Saal nun für verschiedenste Veranstaltungen nutzen. Mit einer veränderbaren Nachhallzeit zwischen 0.8 bis 1.7 Sekunden kann die Akustik den jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden. Ein digitaler Multimediasaal, der auch als Konzertfoyer dient, ergänzt den analogen Konzertsaal. Dazu gehören eine professionelle Akustikanlage mit Regieraum und ein Tonstudio. Mit Hilfe eines mechanischen Hebebodens lässt sich der Kammermusiksaal innert Kürze in einen bühnenlosen ebenen Bankett- oder Tanzsaal verwandeln.
Werner Reinhart: Stille treibende Kraft
An den «Werner-Reinhart-Tagen» vom 27. bis 29. Januar 2023 in Winterthur wurde der Mäzen erstmals in den Mittelpunkt eines Symposiums gerückt. Konzerte und Ausstellungen begleiteten den Anlass.
Viviane Nora Brodmann
- 10. Feb. 2023
Die Villa Rychenberg in Winterthur war Werner Reinharts Residenz. Foto: Wikimedia. Link zur Lizenz
Der ausserordentlich umfangreiche Briefwechsel des Winterthurer Kaufmanns und Mäzens Werner Reinhart (1884–1951) wurde im Rahmen eines achtjährigen Forschungsprojekts des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Zürich in Kooperation mit dem Musikkollegium Winterthur in einer Datenbank erschlossen. Diese bildete die Basis für das Symposium der «Werner-Reinhart-Tage», die auf Initiative der ehemaligen Projektmitarbeitenden (Franziska Gallusser, Lion Gallusser, Ulrike Thiele) stattgefunden haben.
Nach einer Einleitung von Laurenz Lütteken (Zürich) gab Kerstin Richter (Winterthur) am Freitagabend einen Einblick in die Geschichte und die Tradition des Mäzenatentums der Familie Reinhart. Ulrike Thiele (Zürich) führte das Publikum darauf in Reinharts Tätigkeit als Kaufmann, sein Wirken als Mäzen und seine Vernetzung mit der europäischen Musik- und Kulturszene ein. In der anschliessenden Podiumsdiskussion zwischen Ulrike Thiele, Elisa Bortoluzzi (Zug) und Dominik Deuber, Direktor des Musikkollegiums Winterthur, wurde der Bogen von Werner Reinhart als Mäzen bis zur Diskussion der Reichweite und der Wahrnehmung des Mäzenatentums heute geschlagen.
Sowohl finanziell wie organisatorisch unterstützen
Die am Samstag und Sonntag folgenden Referate näherten sich Werner Reinhart über von ihm unterstützte oder anderweitig mit ihm verbundene Personen, immerzu im historischen Kontext, auch im Hinblick auf die beiden Weltkriege, die etwa das Exil von Komponisten in der Schweiz zur Folge hatten. Anhand seiner Beziehungen zu Richard Strauss und Hans Pfitzner (Michael Meyer, Trossingen) sowie zu Paul und Gertrud Hindemith (Franziska Gallusser, Luzern/Zürich) wurden die unterschiedlichen Verhältnisse und Unterstützungsformen betrachtet. Auch Anton Weberns Rychenberg-Variationen als musikalische Erinnerungen an Winterthur (Esma Cerkovnik, Zürich) wurden unter diesem Gesichtspunkt beleuchtet.
Am Beispiel der Vorgeschichte und Uraufführung von Alban Bergs Lulu (Daniel Ender, Wien) und der nicht nur mäzenatischen, sondern auch kaufmännischen Begleitung bei der Entstehung von Igor Strawinskys Histoire du Soldat (Christian Kämpf, Dresden) wurde deutlich, wie überlegt Reinhart vorging. Eine fruchtbare finanzielle und organisatorische Unterstützung zeigte sich auch im Lebenslauf des Dirigenten Hermann Scherchen und dessen Gründung verschiedener Musikinstitutionen in der Schweiz (Ullrich Scheideler, Berlin). Die erwähnten Akteure, Werke und Konzerte kamen im Beitrag über das Winterthurer Konzertrepertoire und Reinharts grosses Engagement für das Musikkollegium Winterthur aus einem anderen Blickwinkel erneut zur Sprache (Alessandra Origani, Zürich).
Fördern, was die Musik weiterbringt
Weitere Ausblicke wurden mit der Betrachtung der kulturell einflussreichen Londoner Zeit des jungen Werner Reinharts (Thomas Irvine, Southampton) und seiner massgeblichen, wenn auch indirekten Beteiligung an der Gründung der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik gegeben (Matthew Werley, Salzburg). Lion Gallusser (Zürich) stellte angesichts der Förderung von Schweizer Komponisten Überlegungen zur «Etablierung einer Schweizer Moderne» an. Auch Reinharts «literarischer Kosmos», der sich vor allem auf die Frühzeit seiner Mäzenatentätigkeit zu beschränken scheint, wurde anhand seiner Beziehung zu Rainer Maria Rilke, Hermann Hesse und Stefan Zweig illustriert (Arturo Larcati, Salzburg). So kristallisierte sich während des ganzen Symposiums heraus, dass Werner Reinhart zu jenen Mäzenen gehörte, die weniger nach persönlichem Geschmack, sondern mehr mit Blick auf die Entwicklung der Musik förderten. Dabei hielt er sich persönlich bewusst im Hintergrund. Wie viele Referentinnen und Referenten betonten, lehnte er nämlich den Druck oder die öffentliche Erwähnung von Widmungen kategorisch ab.
Die weiteren Veranstaltungen stellten einen Kontrapunkt zum reichhaltigen Symposium dar. Am Samstagabend machte das Musikkollegium Winterthur Reinharts Welt mit Werken von Paul Hindemith, Hans Pfitzner, Ernst Krenek und Heinrich Kaminski hörbar. Visuell begleitet wurde das Symposium von einer spontanen Führung am Sonntagnachmittag von Kerstin Richter durch die Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz» sowie von Andres Betschart, Leiter der Sammlungen der Winterthurer Bibliotheken, mit einer kommentierten Vorstellung der Quellen zur Histoire du Soldat in der Villa Rychenberg, Reinharts Residenz. Die anschliessende konzertante Aufführung des Werks am Sonntagabend im Stadthaus Winterthur rundete die «Werner-Reinhart-Tage» ab.
Le Piano Symphonique – ein Klavierfestival in Luzern
Luzern hat wieder ein Klavierfestival. Vom 7. bis 11. Februar sind Recitals und Klavierkonzerte zu hören, zum Teil auch spielerisch zusammengebracht.
Georg Rudiger
- 09. Feb. 2023
Jean Rondeau im Luzerner Neubad. Foto: Philipp Schmidli
Am Sprungturm hängen Scheinwerfer. Die Wasserrutsche führt ins Trockene. Hier im ehemaligen Luzerner Hallenbad wird schon lange nicht mehr geschwommen. Unter dem Namen Neubad ist bereits vor zehn Jahren ein alternatives Kulturzentrum entstanden mit Club und Gastronomie.
An diesem Abend steht beim Late-Night-Konzert des Klavierfestivals «Le Piano Symphonique» ein Cembalo im Schwimmbecken. Die Zuschauer hören vom Beckenrand zu oder haben mehr liegend als sitzend auf einer Tribüne Platz genommen, um den Klängen des französischen Cembalostars Jean Rondeau zu lauschen. Das Prélude en la mineur von Jean-Philippe Rameau lässt er wie eine Improvisation beginnen: frei, mit bewusst gesetzten Pausen, den Tönen nachhörend. Der zarte Cembaloklang wird durch die weissen Kacheln des Beckens verstärkt. Zwischen Rettungsring und Startblöcken entsteht eine konzentrierte, fast meditative Stimmung. Auch die Suite en la ist eine Entdeckung. Die Courante phrasiert Rondeau jazzig. Jeder Triller ein kleines Kunstwerk! Die gebrochenen Akkorde in François Couperins La Ténébreuse (Allemande) gleichen Gefühlsausbrüchen, die sich im Marche des Scythes von Pancrace Royer mit spektakulären Läufen zu einem echten Rausch steigern. Nach seinem gefeierten Luzern-Debüt kommt Rondeau an die Poolbar, bestellt einen Tee und mischt sich unters Restpublikum.
Das Klavierfestival des Luzerner Sinfonieorchesters ist zum ersten Mal zu Gast im Neubad. «Ich finde es spannend, das Cembalo in diesem Rahmen zu präsentieren. Dass wir hier nun auch neues Publikum gefunden haben, ist ein schöner Nebeneffekt», sagt Intendant Numa Bischof Ullmann tags darauf beim Gespräch im Café.
Start mit Brahms, Fortsetzung mit Schumann
Im Jahr 2019 hatte das Lucerne Festival sein im Herbst stattfindendes Pianofestival eingestellt. Die Enttäuschung in der Stadt war riesig. Als das Kultur- und Kongresszentrum (KKL) schliesslich eine Ausschreibung veranstaltete, um wieder ein Klavierfestival ins Leben zu rufen, entwarf Bischof Ullmann sein Konzept von «Le Piano Symphonique» – und erhielt den Zuschlag. Das erste Festival 2022 widmete sich ganz Johannes Brahms und wurde gut aufgenommen.
In diesem Jahr eröffnete Rudolf Buchbinder die Konzertreihe mit feingliedrigen Mozart-Variationen über Ah, vous dirai-je, Maman KV 256, einer ganz gerade gespielten, am Ende sich schön zuspitzenden Appassionata und etwas zu massiv genommenen Symphonischen Etüden op. 13 von Robert Schumann, dem Schwerpunkt-Komponisten des diesjährigen Festivals. Im reichen Programm finden sich weitere grosse Namen wie Evgeny Kissin im Sonderkonzert oder Khatia Buniatishvili, aber auch Newcomer wie der erst 18-jährige Israeli Yoav Levanon, der auf Wunsch des Intendanten Ignacy Jan Paderewskis selten gespieltes Klavierkonzert mit dem Luzerner Sinfonieorchester im KKL interpretiert. Dass in der zweiten Konzerthälfte Víkingur Ólafsson noch ein Klavierrezital gibt, ist ungewöhnlich.
«Wir möchten spielerisch mit Konzertformaten umgehen und den Künstlerinnen und Künstlern den passenden Rahmen geben. Dazu gehören auch traditionelle Formen.» Bischof Ullmann will den Klavierkanon feiern, aber auch Unbekanntes ans Licht holen. Im nächsten Jahr gibt es eine Uraufführung. Dass das Lucerne Festival im Mai jetzt doch wieder ein von Igor Levit kuratiertes Klavierfest neu auflegt, betrachtet er gelassen, zu unterschiedlich seien die Ausrichtungen.
Martha Argerich ist schon lange dem Luzerner Sinfonieorchester verbunden. Robert Schumanns Klavierkonzert gestaltet sie im voll besetzten KKL wirklich als Fantasie, als die es ursprünglich geplant war: mit delikaten Farbwechseln, drängender Melodik und müheloser Virtuosität. Nie spielt sie das Hauptthema im ersten Satz gleich. Die Pianistin ist ganz verwoben mit dem Orchester, das Michael Sanderling aufmerksam um alle Klippen leitet. Nur im Finale hakt es hin und wieder ein wenig im Zusammenspiel. Aber die heiklen Übergänge, etwa vom Intermezzo zum Finale, gelingen wie aus einem Guss. Argerich zaubert, lässt den Flügel im Diskant wie eine Celesta klingen und macht aus den donnernden Akkordbrechungen elegante Spitzen. Und sie schenkt, selten genug, zwei Zugaben: ein ganz verinnerlichtes Von fremden Ländern und Menschen aus Schumanns Kinderszenen und eine delikate Gavotte aus Bachs Englischer Suite III in g-Moll.
Aufbruchstimmung
Vor der Pause erklang Johannes Brahms 3. Sinfonie in ihrer gesamten Bandbreite zwischen lyrischem Innehalten und dramatischem, kämpferischem Ausbruch. Der im Herbst 2021 aus Dresden gekommene Chefdirigent Michael Sanderling sieht Johannes Brahms als «zwingend notwendige Eingangstür für grosses romantisches Repertoire». Eine Gesamtaufnahme der vier Sinfonien und des von Arnold Schönberg für Orchester bearbeiteten Klavierquartetts in g-Moll erscheint in wenigen Wochen.
Die rein privat finanzierte Vergrösserung des Orchesters von rund 50 Stellen beim Amtsantritt des Intendanten im Jahr 2004 auf im Augenblick rund 80 schafft nun die Voraussetzung, gross besetzte Werke angemessen zu realisieren. Während anderswo auf die Sparbremse gedrückt wird, verbreitet sich beim Luzerner Sinfonieorchester Aufbruchsstimmung. Ein neues Orchesterhaus sorgt für optimale Probe- und Aufnahmebedingungen. Sanderling ist begeistert vom Rückhalt in der Stadt und der schnellen Auffassungsgabe seiner Orchestermitglieder. Die Harmonie ist auch zu hören bei Brahms’ 3. Sinfonie. Besonders die Streicher reagieren auf Sanderlings klares, sachdienliches Dirigat schnell und sensibel. Bei den nicht ganz homogen besetzten Bläsern ist noch Luft nach oben. Im Finale entfesselt Sanderling die gestauten Orchesterkräfte und lässt den Satz wieder zur Ruhe kommen. Und das Luzerner Publikum feiert sein immer grösser werdendes Orchester.
Klavierfestival «Le Piano Symphonique», noch bis 11. April. sinfonieorchester.ch
8. Ars Electronica Forum Wallis Selection 2022/23
Die Resultate des heuer zum 8. Mal ausgetragenen Wettbewerbs für akusmatische Musik Ars Electronica Forum Wallis sind bekannt gegeben worden.
PM/Forum Wallis
- 08. Feb. 2023
Ausschnitt aus dem Plakat des Forum Wallis 2023
In die Ars Electronica Forum Wallis Selection 2022/23 kamen zehn Musikschaffende aus China, Brasilien, Chile, den USA, Italien, Österreich und Deutschland. Ihre Namen (in alphabetischer Reihenfolge) und Werktitel lauten:
Karl Gerber/Four Sensors
Nolan Hildebrand/Merz Re[#1]
Daniel Mayer/Matters_8
Robert McClure/syn
Felipe Otondo/Sauti
Mattia Parisse/Brulicautoma
Alessio Rossato/Temple of No Religion
Thiago Salas & Renan Gama/Rejunte
Zach Thomas/branch-splitter-moss
Bihe Wen/Atmo-
Eine Special Mention gab es für sieben weitere:
Alejandro Casales/Lullaby
Ron Coulter/fever
Nicola Fumo Frattegiani/Der hohle Zahn
Paul Oehlers/Red Coyote
Leah Reid/Ring Resonate Resound
Rosa Maria Sarri/Stallo
Konstantine Vlassis/Lækurinn að brjóta.
Die Werke werden am 10., 11. und 12. März 2023 im Rahmen des Festivals für Neue Musik Forum Wallis im neu eingerichteten Mebu Münster im Goms gespielt.
Das Forum Wallis ist ein internationales Festival für Neue Musik, das 2006 gegründet und von der Walliser Sektion der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik IGNM-VS alljährlich veranstaltet wird. Die 16. Festivalausgabe findet vom 2.-19. März 2023 nacheinander auf Schloss Leuk, im Mebu Münster sowie in Simplon Dorf und Ernen statt.
Beim Chorkompositionswettbewerb zum 100. Geburtstag der ISCM erhielt Sabina Schmuki für ihre Komposition «Ave Terra» in der Kategorie Kinderchöre einen dritten Preis.
ISCM Switzerland
- 07. Feb. 2023
Der Mädchenchor Tiara in den Studios des Lettischen Nationalradios zusammen mit den Ausgezeichneten und Jurymitgliedern. Foto: Latvijas Radio
Beim Chorkompositionswettbewerb zum 100-jährigen Bestehen der ISCM (International Society for Contemporary Music, Internationale Gesellschaft für Neue Musik IGNM) wurde in der Kategorie Kinderchöre die Schweizer Komponistin Sabina Schmuki mit einem 3. Preis ex aequo ausgezeichnet. Vier verschiedene ISCM-Ländersektionen führen den Wettbewerb in vier Kategorien durch: gemischte Chöre Laien (ISCM Baskenland), gemischte Chöre Profis (ISCM Estland), Männer-/Frauenchöre (ISCM Switzerland) und Kinderchöre (ISCM Lettland) (die SMZ berichtete).
Jury und Resultate
In der Jury des Wettbewerbs der lettischen Sektion wirkten die Dirigentin Aira Birziņa sowie die Komponisten Uģis Prauliņš und Āriks Ešenvalds. Insgesamt wurden 25 Werke aus Lettland, Litauen, Polen, Finnland, den Niederlanden, Österreich, Italien, der Schweiz, Israel und den USA eingereicht.
1. Platz – nicht vergeben
2. Platz – Zuzanna Kozeja (Polen) – Laus Trinitati
3. Platz – Renāte Stivriņa (Lettland/Polen) – Ave Maris stella
3. Platz – Sabina Schmuki (Schweiz) – Ave Terra
3. Platz – Alfred Momotenko-Levitsky (Niederlande) – When You ask me
Uraufführung von Ave Terra
Der Mädchenchor Tiara des Rigaer Doms brachte Ave Terra im 1. Studio des Lettischen Radios (Latvijas Radio) unter der Leitung von Aira Birzina zur Uraufführung. Dieser Chor gehört zu den weltbesten Mädchenchören und gewann jüngst den 1. Preis beim 53. Chorwettbewerb in Tolosa.
Sabina Schmuki hat sich in Ave Terra an der Idee des «Ave Maria» orientiert und daraus das Ave Terra entwickelt. «An unorthodox approach to creation and climate change», «eine unkonventionelle Annäherung an die Schöpfung und den Klimawandel», heisst es im Untertitel. Das Stück fordert den Zuhörer denn auch zur Achtsamkeit und zur Umkehr auf. Es ist bereits das zweite Werk, das Schmuki diesem Thema widmet. Davor schrieb sie – vor dem Hintergrund des dramatischen Bergsturzes von Gondo und der Problematik des schwindenden Permafrostes – ein Stück für Männerchor in Rätoromanisch.
Auf der Grundlage des Rahmenkonzeptes «Junge Talente Musik» des Bundes führt der Kanton Nidwalden ein Förderungsprogramm für Musikschülerinnen und -schüler ein. Bewerbungsfrist: 28. Februar.
PM/SMZ/ks
- 03. Feb. 2023
Ob Trompete oder andere Instrumente, alle Musiktalente sind willkommen. Foto: Adobe Photostock
Wer an einer Nidwaldner Musikschule, am Kollegi Stans oder privat ein Instrument lernt oder die Stimme ausbilden lässt, kann sich ab sofort bis am 28. Februar für das kantonale Förderprogramm für Musikbegabte anmelden. Die Aufnahmeprüfung findet am 1. April in Hergiswil statt. Die erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen können mit dem Progamm im Schuljahr 2023/24 starten. Es richtet sich nicht nur an angehende Profis, sondern an alle begabten Musikschülerinnen und -schüler mit Wohnsitz im Kanton Nidwalden.
Grundlage für die Einführung der Musikalischen Begabtenförderung im Kanton Nidwalden sei das Rahmenkonzept «Junge Talente Musik» des Bundes, schreibt die Musikbegabtenförderung Nidwalden in ihrer Medienmitteilung. Unter anderem sehe dieses Konzept direkte finanzielle Beiträge für die einzelnen Talente vor. Auch der Kanton beteilige sich mit einem namhaften Beitrag am Programm.
In eine bessere Welt entrücken – Liederabende in der Ukraine
Mit der Hilfe von Silke Gäng veranstaltet Roman Melish Liederabende in der Ukraine.
Georg Rudiger
- 02. Feb. 2023
Roman Melish (rechts) und Taras Stoliar in der St.-Andreas-Kirche in Kyjiw. Bild: Maryana Rogovska
Die sanften Akkorde verbreiten Geborgenheit. Die helle, knabenhafte Stimme von Roman Melish berührt in ihrer Zerbrechlichkeit. «Du holde Kunst, in wieviel grauen Stunden», singt der ukrainische Countertenor. «Hast du mein Herz zu warmer Lieb‘ entzunden, hast mich in eine bessre Welt entrückt!» Für diesen besonderen Liederabend am 25. November 2022 in der goldglänzenden St.-Andreas-Kirche in Kyjiw stehen Dieselgeneratoren bereit, damit bei Stromausfall das von Andriy Vasin gespielte E-Piano nicht stumm bleibt. Batteriegetriebene Lampen sind ebenfalls besorgt. Nur bei Bombenalarm müsste man abbrechen. Aber es bleibt ruhig. Die zum Konzert eingeladenen Kriegsflüchtlinge können sich für eine Stunde in eine bessere Welt träumen. Ein Stück Normalität im Chaos, ein wenig Balsam für die Seele.
Banduraspieler und Soldat
Bis vor wenigen Tagen hat Taras Stoliar noch an der Ostfront im Donbas gekämpft. Nun sitzt der Soldat im Kampfanzug neben dem Sänger und spielt die Bandura, das ukrainische Nationalinstrument. Auch diese aus dem 6. Jahrhundert stammende Laute klingt mit ihren zarten, silbrigen Tönen beruhigend. In Sowjetzeiten wurde die Bandura als Ausdrucksmittel des ukrainischen Nationalbewusstseins erbittert bekämpft. Dmitri Schostakowitsch berichtet in seinen posthum veröffentlichten Memoiren von einer Massenexekution an Banduraspielern in den 30er-Jahren.
Stoliar ist eigentlich professioneller Musiker und spielt im Naoni-Orchestra, dem nationalen Orchester für Volksinstrumente. Seit dem Angriff Russlands verteidigt er sein Heimatland. Für das Konzert brauchte er eine Sondererlaubnis der Militärbehörde. «Wir konnten so zeigen, dass auch Musiker als Soldaten für unser Land kämpfen – und dass Soldaten auch Musiker sein können», sagt Roman Melish im Videogespräch. Deutsche und ukrainische Lieder hat der Sänger für dieses Konzert zusammengestellt, das man zuvor auch an zwei Abenden im ehemals russisch besetzten Irpin in einer Bibliothek veranstaltete. «Das Publikum war sehr berührt. Ich habe viele Tränen gesehen. Die Zuhörerinnen und Zuhörer haben für die Dauer des Konzertes vergessen, dass sie Flüchtlinge sind», erzählt er.
Unterstützung aus Basel
Dass diese Liederabende mitten im Krieg stattfinden, ist Silke Gäng zu verdanken. Die Mezzosopranistin und künstlerische Leiterin von Lied Basel hat mit Roman Melish zusammen in Basel studiert. Auch in den letzten Jahren, als er wieder in Kyjiw wohnte, kam er zu Konzerten in die Schweiz. «Wir waren eher Kollegen als Freunde», sagt Gäng beim Gespräch in ihrer Heimatstadt Freiburg. Als Russland die Ukraine angriff und sie auf Romans Instagram-Profil furchtbare Bilder aus dem Krieg sah, war sie tief bewegt und nahm zu ihm Kontakt auf. «Es gab damals bei uns viele Solidaritätskonzerte. Ich wollte den Menschen vor Ort mit Musik helfen. Aber wird Musik überhaupt gebraucht, wenn man ums Überleben kämpft?»
Beim Basler Liedfestival stellt sie mit ihren Mitstreitern das Kunstlied in einen grösseren gesellschaftlichen Kontext und geht der Frage nach, was Musik bewirken kann. Der Krieg sei sozusagen der Realitycheck gewesen. Sie sammelte in Basel Spenden für das ambitionierte Vorhaben in der Ukraine, feilte mit Roman am Programm und sprach ihm die deutschen Texte ein, damit er die korrekte Aussprache üben konnte. Dass es mit Mykola Lyssenko sogar einen ukrainischen Komponisten gab, der im 19. Jahrhundert in Leipzig bei Carl Reinecke studiert und die deutsche Kunstliedtradition in der Ukraine eingeführt hatte, erfuhr sie erst durch Romans Recherchen.
Musik, um zu fühlen
Für ihn selbst war das Kunstlied Neuland. Der Countertenor ist auf Alte Musik spezialisiert. Deshalb kam er 2013 zum Studium an die Schola Cantorum Basiliensis. Deshalb kehrte er 2019 wieder in die Ukraine zurück, um dort die historische Aufführungspraxis bekannter zu machen. Dass er selbst nicht zur Waffe greifen muss, hat er seinem Gesang zu verdanken. Nach dem zehnten Kriegstag erhielt er einen Musterungsbescheid. Der verantwortliche Soldat im Militärbüro erkannte ihn als Sänger, war er doch im ukrainischen Fernsehen in der Show The Voice wenige Tage zuvor mit einer Vivaldi-Arie zu sehen gewesen – und schickte ihn wieder weg.
Den Kriegsausbruch am 24. Februar 2022 erlebte Roman im Haus seiner Eltern auf dem Land in der Westukraine. «Ich war total gelähmt und hatte eine unglaubliche Angst.» Eigentlich wollte er am nächsten Tag nach Kyjiw zurückkehren. Nun herrschte überall Panik. Die Autos stauten sich. Die Supermärkte wurden leergekauft. «Mein Bruder und ich haben unsere Dokumente gerichtet und einen Koffer gepackt für den Fall, dass wir fliehen müssen.» Erst am 6. April kehrte er im abgedunkelten Zug für ein Konzert an Mariä Verkündigung nach Kyjiw zurück. Und erlebte eine Stadt im Ausnahmezustand – mit Checkpoints, nächtlicher Ausgangssperre und Menschen, die in der U-Bahn leben, weil ihr Haus zerbombt wurde.
Am Anfang habe er sich im Krieg als Musiker völlig nutzlos gefühlt, aber das habe sich geändert. «Für mich bietet Musik die Möglichkeit, darüber nachzudenken, was gerade passiert. Mit Musik kann ich meine Emotionen teilen. Die Menschen brauchen hier Musik, weil sie etwas fühlen möchten. Sie ist wichtig für den inneren Halt.» Der Krieg habe ihn verändert. Er sei direkter und weniger kompromissbereit als vorher. Jeder Tag könne sein letzter sein. Dieses Bewusstsein mache ihn aber auch empfänglicher für das Schicksal anderer.
Als sich Silke Gäng bei ihm meldete, empfand er dies «wie eine Umarmung in diesem furchtbaren Krieg». Die Unterstützung aus Basel bedeute ihm viel. «Sie hilft mir, damit ich anderen helfen kann. Unser Liederabend-Projekt hat mir Kraft und Energie zurückgebracht. Und meinem Leben wieder einen tiefen Sinn geschenkt.»
Inzwischen gibt Melish in Kyjiw wieder regelmässig Konzerte mit Alter Musik. Für den nächsten Liederabend könnte er sich einen Auftritt vor Soldaten vorstellen. Oder ein Konzert in Butscha, dem durch das russische Massaker weltweit bekannt gewordenen Ort. Aber zunächst kommt Roman Melish am 21. April nach Basel, um im Rahmen von Lied Basel einen Liederabend zu geben und sich bei den Spendern zu bedanken. Neben Andriy Vasin und der Sopranistin Ivanna Plish soll auch Taras Soliar dabei sein, wenn er wieder eine Sondererlaubnis bekommt. «Gefährlich leben» heisst das Motto des Festivals, das lange vor Kriegsbeginn festgelegt wurde.
Konzert in der Bibliothek in Irpin. Bild: Yevhen Petrychenko
Tagung Musikdiskurse nach 1970
Eine dreitägige öffentliche Veranstaltung an der Hochschule der Künste Bern HKB beleuchtet vom 23. bis 25. März Diskurse zur zeitgenössischen Musik und ihr Verhältnis zu Improvisation, Fernsehen und Gesellschaft. Referate mit Perspektiven aus 14 Ländern und Podiumsdiskussionen werden durch zwei Konzerte ergänzt.
HKB
- 31. Jan. 2023
Improvisatorinnen wie Franziska Baumann prägten die Entwicklung zeitgenössischer Musik. Foto: Francesca Pfeffer
Seit den 1970er-Jahren erfolgte ein Boom zeitgenössischer Musik: Festivals entstanden, Ensembles wurden gegründet, Konzertreihen lanciert. Das SNF-Projekt «Im Brennpunkt der Entwicklungen. Der Schweizerische Tonkünstlerverein 1975–2017» an der HKB untersucht konkurrierende ästhetische Entwicklungen, die wachsende Bedeutung nicht-komponierter Musik, die Rolle gesellschaftspolitischer Umbrüche für das zeitgenössische Musikschaffen sowie den medialen Wandel.
Die Tagung spiegelt diese Themen aus der Perspektive von 14 Ländern in fünf Panels: Wie wird mit kontroversen Positionen zwischen Tradition und Avantgarde um die Deutungshoheit über das Zeitgenössische gestritten? Und mit welchen Folgen?
Lange Zeit versperrte sich zeitgenössische Musik der improvisierten Musik. Erste Bestrebungen ihrer Integration erwiesen sich (beim STV) als unbeholfene Versuche, aus dem selbstgewählten und wehleidig beklagten «Ghetto» auszubrechen. Später erfolgte die gegenseitige Annäherung beherzter. Wie haben sich zeitgenössische Musik und Improvisation nun gegenseitig wahrgenommen und beeinflusst? Welche Rolle hatte Improvisation in der Entwicklung neuer Musik?
Neue Musik und Fernsehen: Das ist vorab eine Erzählung von Aufstieg und Niedergang, zuerst begünstigt durch Neugier gegenüber dem neuen Medium und Narrenfreiheit, dann geprägt von Quotenzwang und bürokratischen Strukturen. Doch spielen die marginalen Beiträge im TV überhaupt eine Rolle im Diskurs? Wie weit lassen sich am Boom und späteren Abflauen wie auch an Veränderungen in Auswahl, Inhalt und Form ein Verständnis neuer Musik ablesen, inwiefern auch ein gesellschaftlicher, kultureller und medialer Wandel?
Letzteren reflektiert auch das letzte Panel: Welche Rolle spielen Institutionen bei Entwicklung und Prägung verschiedener Diskurse? Welche Stellung haben Veranstalter, seien es Radio, Labels, Festivals oder Komponistenverbände? Und welches sind die übergreifenden Diskurse? Das Nationale? Das Internationale? Die Stellung der Frauen? Ein Abschlusspodium u. a. mit dem Historiker Philipp Sarasin wird sich diesen Fragen widmen.
Ergänzt werden Referate und Diskussionen durch musikalische Live-Beiträge: Improvisationsdiskurse werden auf die Bühne gebracht, und ein zweiter Konzertabend stellt Werke vor, die es einst nicht auf die Bühne geschafft haben, weil die Jury sie aus ästhetischen, personalpolitischen oder praktischen Gründen nicht für die Programme nominierte.
Die «liturgischen» Kompositionen des Obwaldner Musikers werden dieses Jahr an verschiedenen Orten in der Schweiz aufgeführt.
Angelo Garovi
- 27. Jan. 2023
Josef Garovi spielte seine Orgel-Werke in Gottesdiensten. Foto: Garovi-Archiv
Am 7. März 2023 jährt sich der 115. Geburtstag von Josef Garovi (1908–1985). Der Obwaldner Musiker und Komponist wirkte seinerzeit in Obwalden, Luzern, Zürich und im Wallis. 1977 wurde er mit der Orlando-di-Lasso- Medaille und 1978 mit dem Kulturpreis der Innerschweiz geehrt.
Bei der Ordnung des Nachlasses kamen verschiedene, nicht publizierte liturgische Orgelkompositionen zum Vorschein, die der Komponist jeweils selbst in den Gottesdiensten gespielt hatte – und die dann im Nachlass liegen geblieben sind.
Diese «liturgischen» Kompositionen sollen nun in diesem Jahr aufgeführt werden. Choralvorspiele, Präludien, Postludien, Offertorien, Versetten werden an folgenden Kirchen gespielt, teilweise an Orten seines Wirkens: In Obwalden an der Pfarr- und Wallfahrtskirche Sachseln, im Frauenkloster und in der Kollegiumskirche in Sarnen; in Luzern an der Jesuitenkirche (Orgelklasse von Suzanne Z’Graggen, Hochschule Luzern) sowie an der Johanneskirche (Beat Heimgartner); im Wallis an der Kollegiumskirche Brig (Hilmar Gertschen) sowie in Zürich an der Johanneskirche (Tobias Willi).
Weitere konzertante Aufführungen seiner Werke sind geplant in der Klosterkirche Engelberg (Alessandro Valoriani), an der Hofkirche Luzern (Stéphane Mottoul) sowie in Bern an der Dreifaltigkeitsbasilika (Olivier Eisenmann). Damit wird in diesem Jahr in verschiedenen Kirchen beinahe das gesamte Orgelwerk des Dupré-Schülers Josef Garovi gespielt.
Josef Garovi studierte u.a. an der Organistenschule Luzern. Foto: Garovi-Archiv
Genaue Angaben zu den Orten und Konzerten werden zu gegebener Zeit
auf der Josef-Garovi-Website veröffentlicht.