Aktion verlängert

«Deine Noten gegen die Not»: Die vom Lucerne Festival initiierte und von Sonart – Musikschaffende Schweiz mitgetragene Kampagne wird bis am 11. September verlängert.

Alle sind aufgerufen, ihre Videos auf solidarityformusic.ch hochzuladen. Foto: Lucerne Festival

Wie Lucerne Festival mitteilt, sei mit der Aktion seit dem 12. August eine sechsstellige Summe zusammengekommen. Um mit der Kampagne #SolidarityForMusic (SMZ-Nachricht vom 13.8.) noch mehr Geld zu sammeln, wird sie bis am 11. September verlängert.
 

Violinkonzert

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf das Konzert für Violine und Orchester in D-Dur.

Nicht nur Bartók, Berg und Brahms schrieben ihre Violinkonzerte für einen bestimmten Solisten; auch Ludwig van Beethoven hatte bei der Konzeption seines Werkes die Kunstfertigkeit eines ihm verbundenen Instrumentalisten vor Augen: Es handelt sich um Franz Clement (1780–1842), der ab 1802 als Direktor dem Orchester im Theater an der Wien vorstand und später von Carl Maria von Weber in gleicher Funktion nach Prag an das Ständetheater berufen wurde. Bereits 1794 hatte Beethoven den noch jugendlichen Virtuosen gehört und in dessen Stammbuch anerkennend notiert: «Lieber Clement! Wandle fort den Weg, den du bisher so schön, so herrlich betreten. Natur und Kunst wetteifern, dich zu einem der größten Künstler zu machen. Folge beyden, und du darfst nicht fürchten, das große – große Ziel zu erreichen, das dem Künstler hieniden möglich ist. Sey glücklich, lieber Junge, und komme bald wieder, dass ich dein liebes, herrliches Spiel wieder höre. Ganz dein Freund L. v. Beethoven.»

Die Idee zum Violinkonzert op. 61 – in der für das Instrument charakteristischen Tonart D-Dur – dürfte auf ein am 7. April 1805 veranstaltetes Benefizkonzert zurückgehen, bei dem nicht nur Beethovens Eroica erstmals vollständig in der Öffentlichkeit erklang, sondern auch Clement ein eigenes respektables Violinkonzert (ebenfalls in D-Dur) vorstellte. Die enge, freundschaftliche Verbindung von Komponist und Interpret spiegelt sich in Beethovens handschriftlicher, wortwitziger Widmung «Concerto par Clemenza pour Clement primo Violino e direttore al theatro a vienne» (Konzert aus Grossmut für Clement …). In der Druckausgabe widmete er das Werk jedoch dem befreundeten Librettisten Stephan von Breuning; die Klavierfassung ist dessen im Alter von nur 18 Jahren verstorbener Frau Julie, der Tochter von Beethovens Arzt, zugeeignet.

Auch musikalisch bestehen zwischen der handschriftlichen Fassung und der späteren Verlagsausgabe teilweise erhebliche Unterschiede, die vor allem den Solopart betreffen: Binnen weniger Wochen war das Stück in höchster Eile niedergeschrieben und von Clement gewissermassen prima vista gespielt worden. Erst danach nahm sich Beethoven nochmals die Solostimme für eine detaillierte Durcharbeitung vor. Unberührt blieb allerdings der formale Aufbau, der insbesondere im Kopfsatz mit seiner Fülle an thematischen Gestalten einen geradezu sinfonisch dimensionierten Umfang von 535 Takten aufweist und damit nicht nur den zeitgenössischen Rahmen sprengt. Besonders markant ist dabei das einleitende, pochende Paukenmotiv (es erklingt insgesamt mehr als 70 Mal), aber auch das von den Holzbläsern vorgetragene Hauptthema, das mit seinem lyrischen Gestus den Charakter des gesamten Satzes bestimmt. Kürzer gefasst ist das als Romanze angelegte Larghetto, während Beethoven das Finale als ein Rondo im munteren 6/8-Takt gestaltet und ansatzweise die Ausdruckswelt seiner nur wenig später niedergeschriebenen Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68, der Pastorale, vorwegnimmt.

Das erwähnte Violinkonzert von Franz Clement ist übrigens erst kürzlich in einer neuen Einspielung mit Mirijam Contzen (Violine) und dem WDR- Sinfonieorchester unter Reinhard Goebel auf CD (Sony) erschienen.


Hören Sie rein!

Neuer Subventionsvertrag mit Tonhalle-Gesellschaft

Der Zürcher Stadtrat beantragt dem Gemeinderat, den Subventionsvertrag zwischen der Stadt und der neu gegründeten Tonhalle-Gesellschaft Zürich AG auf den Zeitpunkt nach Durchführung der Kapitalerhöhung zu genehmigen.

Medienorientierung Saison 2020/21 Tonhalle-Orchester Zürich Foto: tgz/Matthias Lehmann

Die finanzielle Situation der Tonhalle-Gesellschaft Zürich erfordert laut der Mitteilung der Stadt eine rasche und substantielle Verbesserung. Der Verein habe deshalb beschlossen, die Rechtsform der Tonhalle-Gesellschaft Zürich von einem Verein zu einer Aktiengesellschaft zu ändern. Damit könne eine Kapitalerhöhung erfolgen, um dem Orchester eine finanziell gesicherte Zukunft zu ermöglichen. Dieser Schritt wurde auch im Kulturleitbild 2020–2023 der Stadt Zürich, veröffentlicht im Juni 2019, angekündigt.

Die Rechtsformänderung der Tonhalle-Gesellschaft Zürich hat die Stadt Zürich veranlasst, eine Totalrevision des Subventionsvertrags vorzunehmen. Der neue Subventionsvertrag ersetzt den bisherigen Vertrag zwischen der Stadt Zürich und dem Verein Tonhalle-Gesellschaft Zürich vom 2. März 1988. Die zentralen Inhalte des bisherigen Subventionsvertrags – sein Zweck, die Unterstützung des Zürcher Sinfonieorchesters (Tonhalle-Orchester Zürich), und der Subventionsbeitrag von jährlich 19’781’648 Franken (Stand 2020) – bleiben im neuen Subventionsvertrag gleich. Der neue Subventionsvertrag weist eine kohärente Struktur und Systematik auf, berücksichtigt die geltenden Schwerpunkte und Anforderungen der Stadt Zürich an die Subventionsverhältnisse im Kulturbereich und ist an die neue Rechtsform der Tonhalle-Gesellschaft Zürich angepasst.

Der Stadtrat beantragt dem Gemeinderat, den neuen Subventionsvertrag zwischen der Stadt Zürich und der neu gegründeten Tonhalle-Gesellschaft Zürich AG auf den Zeitpunkt nach Durchführung der Kapitalerhöhung zu genehmigen. Falls der Gemeinderat zustimmt, möchte sich die Stadt Zürich an der Tonhalle-Gesellschaft Zürich AG beteiligen, um ihre heutige Mitgliedschaft im Verein in der neuen Organisationform fortzuführen und um ihre Verbundenheit mit dem Sinfonieorchester zu unterstreichen. Vorgesehen ist ein Erwerb von 2500 Namensaktien à nominal 100 Franken, also gesamthaft zu 250’000 Franken.
 

Grand Prix Theater für Jossi Wieler

Der Schweizer Grand Prix Theater / Hans-Reinhart-Ring geht in diesem Jahr an den Opern- und Theaterregisseuren Jossi Wieler. Die weiteren fünf Theaterpreise erhalten der Regisseur Boris Nikitin, die Puppenspielerin Kathrin Bosshard, der Autor und Dramaturg Mats Staub, die Szenografin Sylvie Kleiber und das Genfer Théâtre du Loup.

Jossi Wieler. Foto: BAK/Gneborg

Jossi Wieler, geboren 1951 in Kreuzlingen, lebt heute in Berlin. Er studierte Regie an der Universität Tel Aviv, arbeitete viele Jahre als Schauspielregisseur und erhielt für seine Inszenierungen zahlreiche Auszeichnungen. Seit 1994 inszeniert er gemeinsam mit Sergio Morabito auch für das Musiktheater. An der Staatsoper Stuttgart, deren Intendant Jossi Wieler von 2011 bis 2018 war, erarbeitete das Regie-Duo über 25 Produktionen. Ende Februar 2020 realisierten sie Giacomo Meyerbeers «Les Huguenots» am Grand Théâtre de Genève.

Der Schweizer Grand Prix Theater / Hans-Reinhart-Ring setzt die Tradition des seit 1957 von der Schweizerischen Gesellschaft für Theaterkultur (SGTK) verliehenen wichtigsten Schweizer Theaterpreises fort und ehrt eine Persönlichkeit oder Institution des Schweizer Theaterschaffens. Die Preissumme beträgt 100’000 Franken.

Eine Bibel fürs Wagner-Museum

Dem Luzerner Richard Wagner Museum wird eine Bibel aus dem Jahr 1870 überreicht, die Richard Wagner eigenhändig signierte.

Widmung von Richard Wagner in der Doré-Bibel (Bild: zVg)

Ein Zürcher Galerist stiftet dem Mueseum eine Bibel die der Atheist Wagner 1870 bei «Franz Josef Schiffmann’s Buchhandlung und Antiquariat in Luzern» erwarb, wie der Einband verrät. Wagner lebte seit 1866 in Luzern, im Landhaus Tribschen am See. Seine Geliebte Cosima von Bülow schenkte ihm 1869 das dritte uneheliche Kind. Dieser Sohn sollte den Namen «Wagner» tragen. Allerdings war das nur möglich durch die Heirat seiner Eltern.

Am 25. August 1870, vor 150 Jahren, fand in der reformierten Gemeinde der Matthäuskirche die Trauung von Cosima und Richard Wagner statt. Pfarrer Johann Heinrich Tschudi hat die Eheschliessung vollzogen. Cosima musste sich vorher von ihrem Mann Hans von Bülow scheiden lassen und als Katholikin zum Protestantismus übertreten. Ihrem Sohn zu Liebe hat sie dies auf sich genommen. Pfarrer Tschudi hat sich dabei kooperativ gezeigt und es zugelassen, dass das Kind mit einer Verzögerung von über einem Jahr am 4. September 1870 getauft und registriert und damit als Wagner-Sohn anerkannt wurde.
 

Davos Festival: Coronatauglich und experimentierfreudig

Marco Amherd folgt in Davos mit seiner ersten Festivalintendanz den Linien seiner Vorgänger.

Das Colores Trio am Festivalbrunch am Schwarzsee in Davos Laret. Foto: Davos Festival/Yannick Andrea

Gerade sass Marco Amherd noch auf der Orgelbank und gestaltete in der Kirche St. Theodul beim Mittagskonzert Johann Sebastian Bachs Fuge in D-Dur BWV 532/2 mit virtuosem Pedaleinsatz und grosser Transparenz. Nun nimmt sich der neue Intendant des Davos-Festivals Zeit für ein ausführliches Gespräch. Sein Auftritt als Organist in einem Konzert zur Festivalhalbzeit war der einzige, bei dem Amherd auch musikalisch in Erscheinung trat.

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Intendant Marco Amherd spielte bachsche Werke in der Kirche St. Theodul. Foto: Davos Festival / Yannick Andrea

Dennoch ist der 32-jährige Walliser beim Festival omnipräsent, hält engen Kontakt zu den Künstlern, ist bei Proben sowie der wunderschönen Festivalwanderung nach Davos Wiesen in Wanderschuhen und Shorts dabei und sagt jedes Konzert persönlich an. Dass nach der Dirigentin Graziella Contratto, dem Klarinettisten Reto Bieri und dem Pianisten Oliver Schnyder, der nur die letztjährige Festivalausgabe betreute, nun mit Marco Amherd wiederum ein Künstlerintendant das Sagen hat, ist vom Stiftungsrat so gewollt. Das Besondere in Davos ist aber, dass der Intendant hier musikalisch kaum in Erscheinung treten soll. Gefragt ist seine Expertise bei der Auswahl der Musikerinnen und Musiker, sein Netzwerk, sein praktisches Know-how als Künstler. Was reizt den Organisten und Chordirigenten Marco Amherd am neuen Job? «Ich mache gerne Programme. Ich möchte einen roten Faden spinnen und den Konzerten einen Spannungsbogen geben. Auch finde ich es wichtig, Konventionen aufzubrechen und neue Konzertformen zu finden. Da ist beim Davos-Festival vieles möglich. Man kann hier experimentierfreudig sein, weil auch einmal etwas daneben gehen darf.»

«Von Sinnen»

Der neue Intendant war schon im Frühjahr zuversichtlich, dass das Festival coronakonform würde über die Bühne gehen können. Hier treten keine internationalen Stars mit Standardwerken auf, sondern jedes Programm ist exklusiv und vor Ort produziert. Dass die rund neunzig jungen Musikerinnen und Musiker aus vierzehn Ländern, fast alle unter dreissig, wohlbehalten in die 1500 Meter hoch liegende Stadt gekommen sind, ist dem Organisationstalent von Geschäftsführerin Anne-Kathrin Topp zu verdanken. Für viele ist es der erste Auftritt seit dem Ausbruch der Coronapandemie.

«Von Sinnen» heisst in diesem Jahr das schön mehrdeutige Festivalmotto, das in den einzelnen Konzerten lustvoll durchdekliniert wird. In der Kirche St. Johann in Davos Platz wird Bernd Frankes expressive Komposition On the Dignity of Man vom jungen, ausdrucksstarken Sibja-Saxofon-Quartett und dem exquisiten Davos-Festival-Kammerchor unter der Leitung von Andreas Felber plastisch vor Ohren geführt. Ihre experimentelle Seite zeigen die vier Hochbegabten bei der Uraufführung von from the noise ihres Baritonsaxofonisten Joan Jordi Oliver in der Kirche Davos Wiesen. Die live erzeugten Geräusche und Klänge werden digital bearbeitet und, in den Höhen ein wenig zu scharf, in den Kirchenraum geschickt. Das Schweizer Colores-Trio verzückt nicht nur die Teilnehmer des traditionellen Brunchs am Schwarzsee in Davos Laret, wenn Fabian Ziegler, Matthias Kessler und Luca Staffelbach auf Marimba und Vibrafon Astor Piazzollas Libertango grooven lassen. Bei den eigenen, komplexen Arrangements von Ravels Le tombeau de Couperin und Saint-Saëns’ Danse macabre zeigen die drei jungen Schlagzeuger in der Kirche St. Johann bei aller virtuoser Fertigkeit vor allem grosse Musikalität. Das Simply Quartet lässt im Hotel Schweizerhof beim «Liebessinn»-Abend Robert Schumanns A-Dur Streichquartett op. 41 Nr. 3 auf höchstem Niveau schmachten, während Schauspieler Elias Reichert in Roberts Briefen an Clara den fordernden Gefühlen nachspürt: «Es muss werden. Vergessen Sie das Ja nicht.»

Geschichten an besonderen Orten

Marco Amherd möchte mit seinen Programmen «Geschichten erzählen». Dabei ist für ihn auch die Verbindung zur Literatur wichtig. Die jungen Musikerinnen und Musiker, die Amherd alle persönlich ausgewählt hat, sind offen dafür. Auch Reto Bieri hatte schon in den einzelnen Konzerten mit dem Festivalmotto gespielt und besondere Programme komponiert. Der von Oliver Schnyder eingeführte Very-Young-Artists-Kurs wurde in diesem Jahr fortgeführt. Amherd muss in Davos nicht das Rad neu erfinden. «Ich sehe mich durchaus in Kontinuität zu meinen Vorgängern», sagt er. Eigene Ideen hat er trotzdem. «Ich möchte die Vokalmusik noch stärker in den Vordergrund stellen. Ausserdem haben wir mit Cardinal Complex eine Alte-Musik-Formation beim Festival – auch dieser Bereich ist mir sehr wichtig.» Dass er mit einer elektroakustischen Anlage der Firma Müller BBM, die er selbst am Tablet steuert, die Akustik im Hotel Schweizerhof um Längen verbessert hat, berichtet er erst auf Nachfrage.

Das Davos-Festival ist auch ein Musikfestival der besonderen Orte. Mit der Bergbahn geht es hoch auf 1861 Meter zum Hotel Schatzalp. Vor der Jugendstilfassade spielt am frühen Abend ein erst beim Festival zusammengestelltes Bläserquintett beim dreiteiligen Konzertabend «Übersinnlich» mit «kulinarischen Intermezzi» Samuel Barbers Summer Music zu Quiche und Prosecco, ehe sich das Publikum ins feudale Innere begibt, um, gestärkt von Bündner Gerstensuppe, in Marin Marais Le tableau de l’operation de la taille musikalisch einer Gallenblasen-Entfernung beizuwohnen. Marco Amherd liest die entscheidenden OP-Schritte auf Französisch vor (Cembalo: Matías Lanz). Beim Einsatz des Skalpells hört man den Schmerz in höchsten Tönen der Gambe (Alex Jellici). Allmählich geht die Sonne unter und es wird dunkler im Saal. Die Tischlampen verbreiten Wohnzimmeratmosphäre. Anton Spronk modelliert auf dem Cello Al fresco von Composer in residence Gerald Resch. Und Amanda Taurina (Oboe), Marie Boichard (Fagott) und Frederic Bager (Klavier) beglücken mit einer flinken, vitalen Version von Francis Poulencs Trio. Das grandiose musikalische Finale wird regional abgerundet mit einem Röteli, dem feinen Bündner Kirschlikör. Danach bringt die Schatzalpbahn zu später Stunde die Besucher musikalisch erfüllt und kulinarisch befriedigt wieder ins.

Berner Kulturstrategie auf dem Prüfstand

Die Corona-Pandemie treffe den Kultursektor und die Kulturschaffenden äusserst hart, schreibt die Stadt Bern. Daher müsste die im Frühling diskutierte Kulturstrategie überprüft und den aktuellen Bedürfnissen angepasst werden.

Franziska Burkhardt, Leiterin Kultur Stadt Bern. Foto: Caroline Marti

Im August 2019 startete ein partizipativer Erarbeitungsprozess für das Massnahmenpaket 2021-2024. Ein erster Entwurf wurde im Februar 2020 im Rahmen des 4. Berner Kulturforums mit Beteiligten und Interessierten öffentlich diskutiert. Gestützt auf die Rückmeldungen planten die betroffenen Dienststellen das Massnahmenpaket zu überarbeiten und dem Gemeinderat im Sommer 2020 zur Genehmigung vorzulegen.

Bereits zehn Tage nach dem Kulturforum mussten wegen der Covid-19-Pandemie die ersten kulturellen Veranstaltungen abgesagt werden, schreibt die Stadt weiter. Kurz darauf folgte der Lockdown. Eine Aufnahme des Normalbetriebs ist voraussichtlich noch längere Zeit nicht möglich. Dementsprechend unsicher und schwierig sei zurzeit die Situation für Kulturschaffende und Kulturinstitutionen.

Aus diesem Grund hat die Präsidialdirektion entschieden, das Massnahmenpaket 2021–2024 zu überprüfen. Kultur Stadt Bern wird bis Ende 2020 Gespräche mit Kulturschaffenden, Veranstaltenden und weiteren Anspruchsgruppen führen.
 

Sinfonie Nr. 8

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf die Sinfonie Nr. 8 in F-Dur.

Nachdem Beethoven zwischen 1806 und 1808 die Arbeit an gleich drei Sinfonien abgeschlossen hatte, kam es im Jahre 1812 noch einmal zu einem vergleichbaren Schub sinfonischer Werke und Entwürfe. Ob und in welcher Weise dies mit dem Russland-Feldzug Napoleons in Beziehung steht, der das ganze politische Europa in Atem hielt, kann nicht abschliessend geklärt werden. Dennoch ist auffällig, dass – wie schon bei den nahezu zeitgleich entstandenen Sinfonien Nr. 5 und Nr. 6 – scharf kontrastierende ästhetische wie musikalische Ideen in direkter Nachbarschaft zueinander stehen. Ende Mai notierte Beethoven gar in einem Brief an den Verlag Breitkopf & Härtel, er «schreibe 3 neue sinfonien, wovon eine bereits vollendet», und meinte damit die Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92, die Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93, aber wohl auch die allerersten Skizzen zur späteren Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125.

Öffentlich erklang die 8. Sinfonie erstmals am 27. Februar 1814 im Grossen Redoutensaal, knapp drei Monate nach der spektakulären Uraufführung der 7. Sinfonie, die «Kenner wie Nichtkenner» entzückt hatte und geradezu triumphal gefeiert wurde. Doch anders als das Schwesterwerk machte die Achte – für das gespannte Auditorium gänzlich unerwartet – «kein Furore», wie die Allgemeine musikalische Zeitung notierte. Beethoven kommentierte diese Bemerkung trotzig mit «eben weil sie viel besser ist». So überlieferte es Carl Czerny. Dennoch berichtete Eduard Hanslick (gleichsam Wiens musikalisches Gedächtnis und Gewissen) noch Jahrzehnte später, dass bis etwa 1850 üblicherweise die Pastorale (Nr. 6) gemeint war, wenn man von der F-Dur-Sinfonie sprach – ganz so, als habe Beethoven niemals ein zweites Werk in dieser Tonart geschrieben.

Offensichtlich hatte man schon früh die 8. Sinfonie als ein (zu) leicht gefügtes Gegenstück zur Siebten missverstanden, wobei der metronomisch tickende zweite Satz und das metrisch verschobene, altväterliche Tempo di Menuetto häufig als humoristisch gedeutet wurden; der Kopfsatz und das Finale beeindruckten merkwürdigerweise weniger. Dabei geht es Beethoven in allen Sätzen der Sinfonie nicht so sehr um plakativen musikalischen Humor als vielmehr um ein Spiel mit der Erwartungshaltung des Hörers, der immer wieder auf höchst geistreiche Art in die Irre geleitet oder überrascht wird: mit plötzlichen dynamischen Ausbrüchen, Akzentverlagerungen oder Unregelmässigkeiten bei der Gestaltung der Perioden. Zudem kommt die Sinfonie ohne langsame Einleitung aus. Beethoven springt mit dem ersten Ton sofort in das Allegro vivace e con brio und in den für einen ersten Satz ungewöhnlichen 3/4-Takt …

P.S. Bei dem beliebten, thematisch auf das Allegretto scherzando verweisenden Kanon über den «lieben Mälzel» und sein Metronom (WoO 162) handelt es sich um eine von Anton Schindler untergeschobene Fälschung.


Hören Sie rein!

Lucerne Festival zeigt sich solidarisch

Lucerne Festival startet eine Solidaritätsaktion zugunsten Schweizer Musikerinnen und Musikern. Die Bevölkerung wird aufgerufen, eigene Interpretationen von Beethovens Ode an die Freude einzureichen. Als Botschafter engagieren sich unter anderem Cecilia Bartoli, Francine Jordi, Knackeboul, Patricia Kopatchinskaja und Erika Stucky.

Isabelle Briner, Luuk und Ronny Spiegel beteiligen sich neben vielen anderen. Bild: Lucerne Festival

Mit der Kampagne #SolidarityForMusic ergreift Lucerne Festival gemeinsam mit seinen Hauptsponsoren die Initiative, um auf die Not der freischaffenden Musikerinnen und Musiker aufmerksam zu machen und zu helfen.

Die grossangelegte Charity-Kampagne ist auf 16 Tage angelegt. Jeder Teilnehmer kann sich oder Andere beim Interpretieren von Beethovens «Ode an die Freude» filmen. Dabei kann gesungen, getrommelt, geklatscht oder gerappt werden. Das Video wird dann auf die Kampagnenwebsite hochgeladen, dort sind bereits Video-Statements und -Beiträge von bekannten Schweizer und in der Schweiz lebenden Musikerinnen und Musikern zu entdecken.

Wer nicht musizieren möchte, kann auf der Webseite auch einfach einen Geldbetrag spenden. Am Ende des Projekts werden alle Beiträge der Partner und die Geldspenden, die über die Kampagnen-Website gesammelt wurden, an Sonart, den Verband der Musikschaffenden Schweiz, übermittelt.

Mehr Infos: www.solidarityformusic.ch

Basel steht zur Musikakademie

Auf Anfang Januar 2021 wird der Vertrag zwischen der Musik-Akademie Basel und dem Kanton Basel-Stadt um weitere vier Jahre erneuert. Der Staatsbeitrages wird um 2,3 Millionen Franken erhöht.

Tag der offenen Tür 2019 an der Musik-Akademie Basel. Foto: Eleni Kougionis

Mit dem Staatsbeitrag von 54,5 Millionen Franken für die Jahre 2021 bis 2024 soll sichergestellt werden, dass die Akademie ihr Angebot in den nächsten vier Jahren fortführen und ausbauen kann. Insbesondere gelte es, schreibt der Kanton Basel-Stadt, auf die steigenden Kinder- und Schülerzahlen im Kanton und den damit verbundenen Anstieg in der Nachfrage nach musikalischer Grundbildung zu reagieren.

Die Musik-Akademie Basel betreibt als privatrechtliche Stiftung die Musikschule der Musik-Akademie Basel. Die ebenfalls auf dem Campus der Musik-Akademie angesiedelte Hochschule für Musik mit den Instituten Klassik, Jazz und Schola Cantorum Basiliensis ist vollumfänglich Teil der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) und über den Globalbeitrag an die FHNW finanziert.

Ein Vierteljahrtausend europäische Musikgeschichte

Schott Music feiert 2020 seinen 250sten Geburtstag. Die Geschichte des Unternehmens spiegelt auch die Entwicklung der Musik, der Kultur und der Gesellschaft in diesem Zeitraum

Serenadenhof des Stammhauses in Mainz. Bilder: schott music,SMPV

1770 gründete der junge Kupferstecher und Klarinettist Bernhard Schott einen Verlag in Mainz, wo sich noch heute die Firmenzentrale in einem denkmalgeschützten klassizistischen Gebäude aus dem Jahr 1792 befindet. Im 19. Jahrhundert kam es zu einer ersten Blütezeit bei B. Schott’s Söhnen, als mit der 9. Sinfonie und der Missa solemnis bedeutende Spätwerke Beethovens verlegt werden konnten. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts war die Zusammenarbeit mit Richard Wagner prägend – und kostspielig aufgrund der enormen finanziellen Investitionen in dessen Bühnenwerke Die Meistersinger, Der Ring des Nibelungen und Parsifal.

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«Je dicker die Werker, desto dünner wird der Strecker.»
Frühe Karikatur von Willy Strecker zu den immensen Vorschuss- und Honorarforderungen Richard Wagners gegenüber Ludwig Strecker senior

1874 starb Franz Schott, der Enkel des Firmengründers. Er vermachte einen Anteil des Verlags an Ludwig Strecker, der als Volontär in der Firma einstieg und später die Leitung übernahm. Mit Peter Hanser-Strecker als geschäftsführendem Gesellschafter ist Schott Music heute noch ein Familienunternehmen. Es gehört zu den führenden Musik– und Medienverlagen für klassische und zeitgenössische Musik und versammelt mehr als zwanzig Musikverlage unter seinem Dach. Rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Lektorat, Redaktion, Herstellung und Distribution werden international beschäftigt.

Das Programm umfasst Spiel- und Unterrichtsliteratur, Urtextausgaben, Lehrmethoden, sechs Fachzeitschriften, Chormusik und Jazz, Studienpartituren, Gesamtausgaben, Musikbücher und CDs, ergänzt durch digitale Produkte wie Musik-Apps, E-Books und E-Scores. Ausserdem verleiht Schott weltweit Aufführungsmaterial zu fast 10 000 Konzert- und Bühnenwerken.

Die Verlagsgeschichte in Stationen
Um einen Zeitstrahl angeordnete Kurztexte, Bilder und Musikbeispiele laden zu einer Zeitreise ein, die anhand der Verlagsgeschichte auch die musikalische, kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung über ein Vierteljahrtausend mitverfolgen lässt.
www.250-joy-of-music.com

Raritäten im Abonnement

Der neu gegründete Musikverlag Aurio beliefert Musikerinnen und Musiker mit Werken abseits der gängigen Pfade. Die Noten sind als PDF oder gedruckt erhältlich, einzeln oder in regelmässigen Abständen.

Foto: zVg,SMPV

Die Suche nach originellem Repertoire ist aufwendig. Mit seinem Aurio-Musikverlag nimmt der Komponist und Pianist Sebastian Gabriel Musikerinnen und Musikern diese Recherche ab und stellt ihnen Stücke in spielfertigen Ausgaben zur Verfügung. Der Verlag bietet Werke unbekannter Komponisten und selten aufgeführte Stücke bekannter Komponisten im Abonnement oder auch einzeln an. Vier Mal im Jahr erscheinen sorgfältig editierte Notenausgaben, edel gedruckt oder digital als PDF und angereichert mit Erklärungen und Audioaufnahmen zur Orientierung. In jeder Ausgabe finden sich fünf bis sechs Werke mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad, darunter auch Kammermusik mit eingerichteten Stimmen.

Die ersten Editionen vom April 2020 bieten musikalische Entdeckungen für Querflöte, Klavier und Klarinette; Ausgaben für Violine, Violoncello und klassische Gitarre folgen. Das Angebot richtet sich an Laienmusiker, Musiklehrerinnen, Musikstudenten und Profimusikerinnen.

Namhafte Künstlerinnen und Künstler kuratieren jeweils für eine Ausgabe ein Werk. So empfiehlt Yaara Tal mit Fantesia ein Klavierstück von Ferdinand Kauer, einem wenig bekannten Komponisten der Wiener Klassik, Michael Korstick entdeckt ein Werk von Peter I. Tschaikowski neu und die Flötistin Kathrin Christians hat Stücke von Louise Farrenc, Carl Wilhelm August Blum und Claude Debussy für die von ihr verantwortete Edition herausgesucht. Die Bandbreite des Repertoires reicht vom Barock bis zu zeitgenössischen Werken, einige Kuratoren legen auch eigene Bearbeitungen vor.

Die Ausgaben sind zum Üben, zum Unterrichten und zum Konzertieren konzipiert. Gedruckt wird auf einem von japanischer Papierkleidung inspirierten Naturpapier. Die spezielle Bindung der Editionen sorgt dafür, dass die Noten auf dem Pult aufgeschlagen liegen bleiben. Die digitale Ausgabe kommt als PDF und ist auf allen Endgeräten aufrufbar. Die Editionen erscheinen zweisprachig, auf deutsch und englisch, und können weltweit abonniert werden.

www.aurio-verlag.de
 

Kantonaler Kulturpreis für Niggi Messerli

Niggi Messerli, Gründer der Palazzo AG und Leiter der Kunsthalle Palazzo, wird mit dem mit 25’000 Franken dotierten Kulturpreis 2020 des Kantons Basel-Landschaft ausgezeichnet.

Niggi Messerli anlässlich der Preisverleihung auf Schloss Ebenrain. Foto: zVg

Niggi Messerli sei seit dem Beginn das Gesicht des Kulturhauses Palazzo in Liestal, schreibt der Kanton. Er erhält den Preis für sein Lebenswerk. Vor 40 Jahren erarbeitete er mit drei Freunden ein Konzept für einen autonomen, selbstverwalteten Kulturbetrieb und gründete im alten Postgebäude in Liestal die Kulturhaus Palazzo AG.

Als er und seine Weggefährten 1979 «das Palazzo» für den Mehrspartenbetrieb eröffneten, gab es noch keine Konjunktur der Off-Spaces. Es gab aber den Drang nach selbstverwaltetem Raum jenseits institutioneller Beglaubigung. Damit war die Alternativkultur im Baselbiet angekommen. Das Haus lädt seitdem an der Schnittstelle zwischen Oberbaselbiet und städtischer Agglomeration zu einem kulturellen Abstecher ein.

Gleichzeitig mit dem 40-Jahr-Jubiläum findet ein Stabwechsel statt und der Gründer Niggi Messerli übergibt sein Haus in neue Hände, die es weiterentwickeln sollen. Das Palazzo vereint heute eine Kunsthalle, das Kino Sputnik und ein Kleintheater; eingemietet sind zudem ein Buchladen, ein indisches Restaurant, Beratungsstellen, Ateliers und eine kleine Moschee.
 

Tod des Drehleier-Pioniers René Zosso

Der Genfer Drehleierspieler René Zosso, der die Möglichkeiten des Instruments sowohl mit Pierre Schaeffer als auch mit Jordi Savall oder René Clemencic erforscht hat, ist im Alter von 85 Jahren verstorben.

Foto: Manuel Braun (Ausschnitt, Link s. unten)

Der 1935 in Genf geborene René Zosso gilt als Pionier der Wiederentdeckung der Drehleier.  Erste Konzerte gab er mit dem Instrument bereits 1962. Dabei interessierte ihn weniger das ursprüngliche Repertoire der Drehleier als vielmehr deren allgemeine klangliche Möglichkeiten. In den 1960er- und 1970er-Jahren arbeitete er deshalb sowohl mit dem Musique-concrète-Begründer Pierre Schaeffer als auch mit Mittelalter-Ensembles zusammen. 

Kollaborationen ergaben sich dabei mit dem Österreicher René Clemencic, einem weiteren Spezialisten für mittelalterliche Musik. Dessen Erforschungen der Alten Musik bereicherte er dank seiner Kenntnis der Prosodie des Französischen, Lateins und alter mediterraner Dialekte. Um die Jahrtausendwende partizipierte er auch an zahlreichen Projekten von Jordi Savall.

 

Sonatine für Mandoline und Klavier

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf die Sonatine für Mandoline und Klavier c-Moll.

«Deh vieni alla finestra» (Feinsliebchen, komm ans Fenster). Bei diesen Worten aus Mozarts Don Giovanni kommt auf der Opernbühne noch heute die Mandoline ins Spiel und verrät etwas über ihre Herkunft aus der italienischen Volksmusik. Doch nicht erst diese wundervolle Canzonetta hat zu ihrer Verbreitung beigetragen. Vielmehr war die in Quinten gestimmte neapolitanische Mandoline um die Wende zum 19. Jahrhundert in Paris ebenso beliebt wie in Wien oder Prag. Johann Nepomuk Hummel etwa schrieb einige ausgewachsene Kompositionen, 1798 findet sich das Instrument bei Leopold Kozeluch in einer kurios besetzten Sinfonia concertante für Klavier, Mandoline, Trompete, Kontrabass und Orchester. Auch Beethovens Œuvre weisst vier kurze Sätze auf, darunter zwei von ihm so bezeichnete «Sonatinen», hinter denen sich allerdings jeweils nur ein einziger Satz verbirgt.

Diese klanglich wohl am ausgewogensten auf einem Hammerklavier zu begleitenden Petitessen entstanden während Beethovens Aufenthalt in Prag zwischen Februar und April 1796 als Auftrag oder Gefälligkeit für die Gräfin Josephine von Clary-Aldringen. Alle vier Einzelstücke (ein mögliches fünftes ist verschollen) gerieten jedoch ebenso rasch in Vergessenheit wie die Mandoline selbst – wenigstens in der Musik für den Konzertsaal oder Salon. Erst in den 1920er-Jahren gelangte das Instrument hier zu neuer Blüte. Übrigens auch bei Arnold Schönberg, sowohl in der dodekafonen Serenade op. 24 (1920/24) wie auch in der Bearbeitung von Luigi Denzas Funiculi, funicula (1921). Beethovens Stücke erschienen erst zwischen 1880 und 1940 erstmals im Druck.

Dass Beethoven bei dem als «Sonatine» bezeichneten Adagio c-Moll WoO 43a offenbar auf limitierte technische Fertigkeiten Rücksicht zu nehmen hatte, beweist ein Blick in das Autograf. Es wird heute in der British Library verwahrt und ist in das sogenannte Kafka-Skizzenbuch eingeheftet: Wie die durchgestrichenen 16tel-Läufe in der Mandolinen-Stimme zeigen, sollte ursprünglich der A-Teil des Stückes nicht wörtlich wiederholt, sondern anspruchsvoller variiert werden.


Hören Sie rein!

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