Verstärkte Unterstützung für die Kultur

Der Bundesrat verstärkt die Unterstützung des Bundes für den Kulturbereich. Die Kulturschaffenden erhalten rückwirkend Ausfallentschädigungen ab dem 1. November 2020.

Foto: Jacob Padilla / unsplash.com (s. unten)

Die Einbussen werden somit ohne Unterbruch ab dem 20. März 2020 gedeckt. Diese Unterstützung wird laut der Medienmitteilung des Bundes zudem auf die Freischaffenden ausgedehnt. Die Änderung der Covid-19-Kulturverordnung tritt am 1. April 2021 in Kraft.

Auch die Voraussetzungen für die Gewährung von Nothilfe werden gelockert. Die Vermögensgrenze wird von 45’000 auf 60’000 Franken erhöht. Für jedes unterhaltspflichtige Kind wird diese Grenze um 20’000 statt wie bisher um 15’000 Franken angehoben. Ferner wird nur das frei verfügbare Vermögen (Liegenschaften sind davon ausgenommen) für die Beurteilung der Gesuche einbezogen. Suisseculture Sociale und die Kantone können den Gesuchstellenden einen Vorschuss gewähren, um die Liquidität sicherzustellen, wenn 30 Tage nach der Einreichung des Gesuchs noch kein Entscheid vorliegt.

Mehr Infos:
https://www.bak.admin.ch/bak/de/home/aktuelles/nsb-news.msg-id-82947.html

Rosenberger unterrichtet in Lübeck

Die in Zürich geborene Komponistin Katharina Rosenberger ist auf die Professur für Komposition an der Musikhochschule Lübeck (MHL) berufen worden.

Foto: Hans Gut

Rosenberger übernimmt zum Sommersemester die internationale Kompositionsklasse an der MHL. Die Schweizerin folgt damit Dieter Mack nach, der nach 18-jähriger Tätigkeit an der MHL in den Ruhestand geht.

Die 1971 in Zürich geborene Klangkünstlerin studierte am Berklee College of Music in Boston, an der Londoner Royal Academy of Music sowie an der Columbia Universität New York bei Tristan Murail, wo sie ihren Doctor of Musical Art erwarb. Zwölf Jahre unterrichtete sie Komposition und Klangkunst an der University of California in San Diego und wurde dort 2018 zur Professorin ernannt.

Ihre Werke sind interdisziplinär angelegt und beziehen bildende Kunst, Video und Theater ein. In ihren überwiegend kammermusikalischen Werken setzt sie ungewöhnliche Instrumentenkombinationen ein, oft mit einer Hauptrolle für die menschliche Stimme und unter Mitwirkung von Tanz, Licht und Elektronik.

Am liebsten, schreibt die Musikhochschule Lübeck, entwickelt sie ihre Arbeiten in der Zusammenarbeit mit anderen Künstlern. Sie lockt ihr Publikum gerne an ungewöhnliche Orte und wirft traditionelle Erwartungen zur Aufführungspraxis dabei über den Haufen.

Herkulesaufgabe/Travaux d’Hercule

Andreas Wegelin, Generaldirektor der Suisa, Genossenschaft der Urheber und Verleger von Musik, beantwortet die Fragen der Schweizer Musikzeitung zu Corona.

Andreas Wegelin, Generaldirektor der Suisa, Genossenschaft der Urheber und Verleger von Musik, beantwortet die Fragen der Schweizer Musikzeitung.

Wie geht es Ihnen und der Suisa nach diesem Jahr?

Das Unternehmen Suisa muss – wie auch Musiker und Veranstalter – einen Einbruch hinnehmen. Er betrifft die Livebranche, also dort, wo Musiker vor Publikum spielen, ganz drastisch. Wir haben in diesem Bereich Umsatzeinbussen von über 50 Prozent. Leider sieht es auch für 2021 nicht besser aus; der andauernde Lockdown lässt uns im Moment in diesem Sektor ohne positive Perspektiven. Glücklicherweise lizenziert die Suisa nicht nur den Livebereich, sondern vertritt die Urheber auch im Senderecht, bei Aufnahmen, bei der Leerträgervergütung und für Online-Nutzungen. Diese Bereiche sind weniger von der Krise betroffen. Und es zeigt sich jetzt, wie wichtig die Investition in die Zukunft des Online-Lizenzgeschäfts – in unserem Falle in unsere Tochter Suisa Digital Licensing und in die Dienstleistungsfirma Mint Digital Services — ist. Die Einnahmen für unsere Mitglieder konnten im Online-Bereich um fast 40 Prozent gesteigert werden. Sie sind damit aber noch nicht auf dem Niveau der Lizenzeinnahmen aus der Boomzeit der CD.

Intern im Unternehmen gibt es trotz des Wegfalls von Veranstaltungen und der entsprechend geringeren Lizenzabwicklung genug zu tun. Einerseits fielen 2020 vor allem die grossen Anlässe weg, kleine mit wenig Umsatz mussten jedoch mit genauso viel oder gar mehr Aufwand trotzdem abgerechnet werden. Andererseits bietet die Krise die Chance, Prozesse und Abläufe zu überdenken und neu noch konzentrierter auszurichten auf Online-Selfservices. Das Ziel ist, dass sowohl Mitglieder wie auch Kunden automatisiert und online Zugang bekommen zu den wichtigsten Dienstleistungen der Suisa.

Die persönliche Situation ist anstrengend, da ungewohnt und für die Zukunft unsicher. Gesamthaft gesehen bringt die Krise auch eine Zäsur mit, in welcher man sich bewusster wird, welche Dinge wirklich wichtig sind und auf welche man auch verzichten kann. So ist es beispielsweise durchaus von Vorteil, dass gewisse Gespräche auch per Video stattfinden können und man nicht ständig zu Meetings mit entsprechend aufreibender Reisezeit unterwegs sein muss.

Was ist für Sie besonders einschneidend an der Corona-Zeit?

Besonders beeindruckend sind für mich Künstlerinnen, welche mit der ihnen eigenen Kreativität neue Wege beschreiten. Insbesondere durch Kontakt zu ihrem Publikum auf elektronischem Weg oder, ganz krass, das Ghost Festival, welches Ende Februar – genau ein Jahr nach den ersten einschränkenden Massnahmen (max. 1000 Besucher ab 28. Februar 2020) – stattgefunden hat. Oder eben gerade nicht stattfinden konnte: eine gross angelegte Solidaritätsaktion mit Schweizer Musikbands, aber auch den Technikern und Veranstaltern im Hintergrund. Beeindruckende 1,2 Millionen Franken konnten auf diese Weise mittels Ghost-Ticketverkäufen gesammelt und an die notleidende Branche verteilt werden.

Wie verändert die Corona-Zeit Ihrer Meinung nach den Musikerberuf?

Corona hat gezeigt, dass die Musiker – ganz viele sind freischaffend oder in Kleinstunternehmen tätig – ihre Lebenssituation und ihre Arbeit besser bekannt machen müssen. Es gelang glücklicherweise der Taskforce Culture, sich in Bundesbern, in der Regierung, im Parlament und in der Verwaltung, Gehör zu verschaffen, damit die Unterstützungsmassnahmen für staatlich verordnete Ausfälle auch an Kulturschaffende und Kulturbetriebe bezahlt werden. Diese Kraft und das Bewusstsein in der Gesellschaft und der Politik für die Kultur gilt es weiter zu entwickeln und zu festigen. Nach der Pandemie wird nicht wie vor der Pandemie sein, gerade deshalb ist diese gemeinsame Stimme der Kultur besonders wichtig. Viele Künstlerinnen und Künstler fühlen sich von der Politik im Stich gelassen und nicht ernst genommen. Die Taskforce Culture und andere Künstlerverbände mussten bei vielen Parlamentarierinnen und Parlamentariern zuerst überhaupt das Bewusstsein schaffen, dass Kunstmachen ein Beruf ist – mit richtigen Jobs und einer Wertschöpfung von mehreren Milliarden Franken. Auch dieses Bewusstsein gilt es weiterhin zu schärfen.

Welche Frage möchten Sie dem Bundesrat stellen oder was wünschen Sie sich von ihm, damit die Musikszene wieder auflebt?

Corona ist gefährlich. Gefährlich ist es aber für die Einwohnerinnen und Einwohner dieses Landes auch, ohne Kultur, ohne Musik auszukommen und sich nicht mehr für gemeinsame Kulturerlebnisse treffen zu dürfen. Es muss doch differenziertere Möglichkeiten geben, als einfach sämtliche Veranstaltungen mit Publikum zu schliessen. Gemeinsame Kultur- und Musikerlebnisse sind ein Grundbedürfnis der Menschen. Lasst also unter Schutzmassnahmen nicht nur Einkaufszentren offen sondern auch kleinere und mittlere Kulturveranstaltungen. Bundesrat Alain Berset hat im Oktober 2019 in einem Interview mit der WoZ (https://www.woz.ch/-a10e) gesagt, dass «die Kultur in unserem Land absolut unbestritten ist, als wichtiges identitätsstiftendes Element». Wenn ich mir die aktuelle Situation für die Kulturschaffenden anschaue, dann würde ich ihn gerne fragen: «Herr Berset, wenn Kultur unbestritten und identitätsstiftend ist, weshalb bemüht sich der Bundesrat nicht besonders, Kultur wieder zugänglich zu machen?»

Herkulesaufgabe

Die Schweizer Musikzeitung hat den Verbandsverantwortlichen schriftlich vier Fragen gestellt. Redaktionsschluss war am 8. März, mitten in der Frühjahrssession 2021, als das Covid-19-Gesetz behandelt wurde.

Al Nik / unsplash.com
Herkulesaufgabe

Die Schweizer Musikzeitung hat den Verbandsverantwortlichen schriftlich vier Fragen gestellt. Redaktionsschluss war am 8. März, mitten in der Frühjahrssession 2021, als das Covid-19-Gesetz behandelt wurde.

Wenn es «rund» läuft, gehen sie vergessen: die Musikorganisationen, deren Arbeit nicht im Rampenlicht steht. In Krisenzeiten sind die unentbehrlichen Lobbyisten in Sachen Musik besonders wichtig und gefragt wie nie.

Nach einem Jahr Corona haben Verantwortliche der Partnerorganisationen der Schweizer Musikzeitung eine Zwischenbilanz gezogen anhand von vier Fragen:

Wie geht es Ihnen und Ihrem Verband?
Was ist für Sie besonders einschneidend an der Corona-Zeit?
Wie verändert die Krise Ihrer Meinung nach den Musikerberuf und/oder Ihren Verband?
Welche Frage möchten Sie dem Bundesrat stellen oder was wünschen Sie sich von ihm, damit die Musikszene wieder auflebt?

 

Wolfgang Böhler
Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Musik-Medizin SMM

Christine Bouvard
Présidente de l’Association Suisse des Ecoles de Musique ASEM

Annette Dannecker et Paola De Luca (texte)
Coprésidentes de la Société Suisse de Pédagogie Musicale SSPM

Michael Kaufmann
Präsident von Sonart – Musikschaffende Schweiz

Frank-Thomas Mitschke
Rektor der Kalaidos Musikhochschule

Valérie Probst
Secrétaire générale du Concours Suisse de Musique pour la jeunesse CSMJ

Rosmarie Quadranti
Präsidentin des Schweizer Musikrats SMR

Johannes Reinhard
Präsident des Eidgenössischen Orchesterverbands EOV

Noémie L. Robidas
Présidente de la Conférence des Hautes coles de Musique Suisses CHEMS

Beat Santschi
Zentralsekretär des Schweizerischen Musikerverbandes SMV

Cristina Urchueguía
Präsidentin der Schweizerischen Musikforschenden Gesellschaft SMG

Andreas Wegelin
Generaldirektor der Suisa, Genossenschaft der Urheber und Verleger von Musik

Anmari Mëtsa Yabi Wili
Präsidentin des Forums Musik Diversität FMD

 

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Monbijou – Klang aus der Brücke

Der Klarinettist und Saxofonist Sha lotet mit seinen Instrumenten den Raum unter der Monbijou-Brücke aus. Oben dröhnt der Autoverkehr.

Aufnahmen im Tunnel unter der Brücke. Foto: zVg

Sha spielt Bassklarinette und Altsaxofon und tut dies gewöhnlich als Teil von Ronin und Mobile, den zwei Ensembles um Nik Bärtsch, deren «Ritual Groove Music» zu den innovativsten und erfolgreichsten Schweizer Musikexporten gehört. Unter dem Banner von Sha’s Feckel ist Sha schon früher in eigener Regie in Erscheinung getreten (das Album Greatest Hits ist ein echter Knüller). Diesmal ist er nun aber wirklich vollkommen solo: eine Bassklarinette, ein Saxofon, gelegentlich der Hauch eines elektronischen Loops, ein Hocker, ein Mensch – und ein gewaltiger Höhlensound. Der Grund dafür steht im Titel.

Imposante 337,5 Meter lang ist die Berner Monbijou-Brücke, und es gehören dazu zwei Betontunnel, die unter den rauschenden Autos vom einem Aare-Ufer zum anderen führen. In einem davon setzte sich Sha hin und spielte live die drei Stücke ein, die sich auf dieser wunderbaren Mini-LP finden – ein kurzes Intro, ein fast halbstündiges Herzstück, Mon Bijou, dann noch ein Dessert, MM, in konventioneller Sechs-Minuten-Länge.

Üblicherweise stimmt es misstrauisch, wenn Musiker über die Vorzüge ihrer Videos reden. Reicht die Musik allein nicht aus, um sich unsere Aufmerksamkeit zu verdienen? Hier trifft das Gegenteil zu. Darum ist die stimmungsvolle Videoaufnahme des Auftritts auch einige Wochen vor dem Tonträger veröffentlicht worden. Die vom Dekor her kargen (Beton, Blech, Leuchtstäbe), von den fast monochromen Farben her indes äusserst facettenreichen Bilder etablieren die ortsspezifische Stimmung, ohne die Aufnahmen ihrer Magie zu berauben. Ähnlich subtil ist die Musik. Nach dem zarten, kurzen Intro gibt sich Sha im meditativen Kernstück viel Zeit und Raum, um seine Themen zu entwickeln, und trägt dann im dritten Teil die Loops doch noch etwas dicker auf. Der feiste Klang von Bassklarinette und Sax wirkt dank dem Tunnel-Hall noch reichhaltiger. Der Verkehr, den man dumpf über die Brücke donnern hört, steuert eine eigene, ungewohnte Variation des Konzepts eines «Drone» bei. Ein in jeder Hinsicht packendes Werk.

Image

Monbijou. Sha: Saxofon und Bassklarinette. Ronin Rhythm Records

Videoteaser: roninrhythmrecords.bandcamp.com/album/monbijou

Herkulesaufgabe/Travaux d’Hercule

Anmari Mëtsa Yabi Wili, Präsidentin des Forums Musik Diversität FMD, beantwortet die Fragen der Schweizer Musikzeitung zu Corona.

Anmari Mëtsa Yabi Wili, Präsidentin des Forums Musik Diversität FMD, beantwortet die Fragen der Schweizer Musikzeitung.

Wie geht es Ihnen und dem FMD nach diesem Jahr?

Das Vakuum im kulturellen Leben schlägt sich natürlich bei Institutionen wie privat nieder. Es wäre gerade akut wichtig, Veranstaltungen zu planen, um den Zusammenhalt zu kultivieren und neue Mitglieder anzulocken. Vielleicht werden gerade aus diesem Mangel heraus andere Möglichkeiten gefunden, um am kulturellen Leben teilhaben zu können, z. B. eine neue Mitgliedschaft bei einer kulturellen Vereinigung!

Ich persönlich? In meinem ganzen Leben war ich noch nie so gesund. Ich bin zum Glück mehrfach beschäftigt. Veranstaltungen mit Publikum sind üblicherweise locker über das Jahr verteilt, also leide ich nicht unter einer akuten Lebensveränderung. Dazwischen schreibe ich viel, kreiere neue Werke und Projekte. Mein Atelier im Frachtraum meines Kulturfrachters Lorin ist gegebenermassen mobil, was ich gerade jetzt bei den erdrückend fremdbestimmten Zeiten auskoste bis ausnütze. Seit November arbeite ich mehrheitlich in Deutschland und Holland an meinen nächsten Projekten. In der Pandemie gehört zur Schifffahrt ein Formular für Dienstreisen, welches mir mit meiner Crew freies Überqueren der Grenzen auch zu Fuss und per Auto, Flugzeug oder Zug erlaubt.

Eine Freude erfüllt mich, dass ich schon Jahre vor Covid eines meiner zentralen Projekte begann: die jährlich neu konzipierten Performancefahrten mit Lorin, welche perfekt auch mit Corona funktionieren: Erst jetzt bemerke ich die Verwandtschaft zur Street-Art. Es wird zwar publiziert, an welchen Abenden wir von wann bis wann fahren werden. Aber es werden keine Gäste an Bord genommen, es braucht keine Tickets, keine Bestuhlung. Die Menschen bewegen sich ganz frei im öffentlichen Raum, ob wir da sind oder nicht. Wir haben eine feine, zarte Sprache gefunden und können damit zeitgenössisch experimentell bei unseren Leisten bleiben. Und trotzdem passen wir sogar bei Dunkelheit, somit für einen grossen Teil der Bevölkerung zur Schlafens- oder Einschlafenszeit, in die grosse breite Gesellschaft, auf den Rhein inmitten der Basler Bevölkerung. Ein Modell, das wir gerade am Übertragen sind auf weitere europäische Städte am Wasser.

Zu guter Letzt: Es ist eine anstrengende Zeit. Jede Idee braucht 5-mal mehr Hintergrundarbeit. Alle Beteiligten brauchen 5-mal mehr Nerven, dabei bewegen wir uns so schon in einem sehr nervenaufreibenden Beruf.

Was ist für Sie besonders einschneidend an der Corona-Zeit?

Krass finde ich, dass alle Theater, Konzertsäle, Kinos, Museen, Probelokale, Jugendtreffs geschlossen, Frauen- und andere Demos verboten sind, während volle Flugzeuge, Trams, Weihnachtsrummel, Fussballpartys, zu zwei Dritteln ausgelastete Stehkabinen der Gondelbahnen, Bergrestaurants und Gottesdienste gefördert werden. Damit wird der Verlust von hohen Kultur- und Bildungslevels akzeptiert.

Sehr überrascht bin ich, dass sich die Allgemeinheit, mit weltweit abgeglichenem Narrativ, wie in einer Art Schocklähmung, mal in diese, dann in die andere Richtung bewegt. Dass nicht meine Ärztin, sondern die Bundesrätin sagt, was für uns gesund sei, dass ich mein Grosskind umarmen, aber nicht hüten soll. Auch dass uns vom Bundesrat weisgemacht wurde, wir hätten die «medizinischen und finanziellen Mittel» für einen Lockdown, hat mich erschreckt. Immerhin fehlen in allen kulturellen Sektoren regelmässig grosse Mengen Geld und gibt es auf der Welt ewige ernsthafte Probleme wie Flüchtlingsströme und Hungersnöte.

Die psychischen Auswirkungen finden viel zu wenig Beachtung, dabei gilt es in erster Linie, ein ganzheitlich gesundheitliches Problem zu meistern. Es ist, als wären wir um Jahrzehnte zurückgeworfen, als Homöopathie oder Akupunktur Fremdwörter, Gender und LGBT etc. Fremdwörter waren. Gerade waren die diversen Bedürfnisse der Gesellschaft in einem Prozess der Aufmerksamkeit angelangt, gerade wurden die Fühler nach Entwicklungsmöglichkeiten ausgestreckt, gerade begannen fortschrittliche Projekte – was nun alles wieder mehr oder weniger brachliegt.

Ich würde so gerne positive Töne anschlagen, und es gelingt mir bei dieser Fragestellung leider nicht, das ist wohl das Krasseste am Ganzen!

Wie verändert die Corona-Zeit Ihrer Meinung nach den Musikerberuf und/oder Ihren Verband?

Es ist die Zeit der Selbstreflexion: Die Selbständigen suchen neue Formate, die Angestellten bangen um ihre Zukunft. Menschen suchen neue Verbindungen. Das Publikum findet teils neue, interessante Wege, sich mit Kultur zu beschäftigen. Bedrohlich ist, dass nicht nur von unserem Publikum, sondern auch in unseren aktiven Kreisen versucht wird, die Livekultur mit dem Internet zu ersetzen. Einbussen an Qualität und Bildung werden in einer allgemeinen passiven Art von Depression oder Hoffnungslosigkeit geduldet. Schlussendlich vertraue ich aber der Kraft und dem Verstand der Menschen: Nach genügend langem Schlummern macht sich erfahrungsgemäss eine unaufhaltsame Energie breit, um die Krise zu überwinden und das Leben in gestärkter Eigenregie anzugehen. Ich denke, die Streetart kann sich zu einem wichtigen Kulturzweig entwickeln.

Welche Frage möchten Sie dem Bundesrat stellen? Oder was wünschen Sie sich von ihm, damit die Musikszene wieder auflebt?

Mein Wunsch an den Bundesrat ist: Unsere freie Arztwahl gibt ein farbiges Bild unserer diversen und eigentlich im Vergleich zu anderen Kulturen freien Gesellschaft ab. Bitte überlassen Sie Verhaltensentscheide dem medizinischen Fachpersonal. Ärztlich verschriebene Massnahmen werden in der Regel einfach verstanden und auch eingehalten. Es sind doch die Ärztinnen und Ärzte, die uns durch gesundheitliche Krisen begleiten, die anhand ihrer Unterlagen Menschen mit Risiko rechtzeitig warnen und schützen können, um den robusteren Menschen durch alle Generationen ihre Freiheit weiterhin zu ermöglichen. Ich bin auch überzeugt, dass das medizinisch therapeutische Fachpersonal kulturelle und soziale Aktivitäten als gesundheitlich wichtigen Teil des Lebens einstufen und diese somit fördern wollen. Diese Stimmen brauchen wir dringend!

Bitte kreieren Sie neue, einfach durchschaubare Unterstützungsformate speziell für Kultur und Bildung, die innert nützlicher Frist umsetzbar sind.

Wenn Sie sich Musik, ein Buch oder einen Film zu Gemüte führen, bitte bedenken Sie: Diese «Produkte» entspringen einer oft schon in jungen Lebensjahren oder in wichtigen jugendlichen Treffen beginnenden Berufsentwicklung. Bitte machen Sie das möglich.

Veranstaltungen in allen Formen müssen mit bestem Vertrauen in die Menschen ganz rasch wieder möglich sein. Das richte ich gerne speziell an meine Vorgängerin, Frau Bundesrätin Simonetta Sommaruga, frühere Pianistin und frühere Präsidentin des FMD, ForumMusikDiversität Schweiz.

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Corona

Schon ein ganzes Jahr! Wie geht es den Verbänden, die an der Musikzeitung beteiligt sind? Was war besonders aufreibend, wo stehen sie heute, was erhoffen sie sich für die kommenden Monate? Dazu ein Blick in die Arbeit der Taskforce Culture, von Künstleragenturen und eines englischen Songwriters.

Titelbild: neidhart-grafik.ch
Corona

Schon ein ganzes Jahr! Wie geht es den Verbänden, die an der Musikzeitung beteiligt sind? Was war besonders aufreibend, wo stehen sie heute, was erhoffen sie sich für die kommenden Monate? Dazu ein Blick in die Arbeit der Taskforce Culture, von Künstleragenturen und eines englischen Songwriters.

Alle blau markierten Artikel können durch Anklicken direkt auf der Website gelesen werden. Alle andern Inhalte finden sich ausschliesslich in der gedruckten Ausgabe oder im e-Paper.

Focus

Herkulesaufgabe
Eine Zwischenbilanz von Verantwortlichen der SMZ-Partnerorganisationen
nach einem Jahr Corona
Alle Interviews online

Pragmatisch durch die Krise
Darren Hayman und seine Überlebensstrategien

Vollbremsung
Künstleragenturen haben ein schwieriges Jahr hinter sich

Dolmetscherin komplexer Erwerbsformen
Die Juristin Nina Rindlisbacher, seit Beginn der Corona-Krise engagiert in der Taskforce Culture, erzählt von ihrem Einsatz für den Kultursektor.


La RMS parle du sujet de ce numéro à la radio :
Espace 2, Pavillon Suisse, mardi 30 mars 2021, de 20h à 22h30

ab zirka 1:55:00
 

… und ausserdem

RESONANCE


Hörerfahrung erweitern — der Dirigent Titus Engel

Unerhörtes von Frauen — erster Teil des Festivals «frauenkomponiert»

Radio Francesco — maintenant / jetzt

Chatten über …  Musikförderung: Michael Kaufmann und Urs Schnell

«La prise de risque est totale »Powder her Face à Fribourg

Carte blanche per Zeno Gabaglio

 

CAMPUS


Virtuelle Musikräume — Spielen, Hören und Unterrichten im Netz
 

FINALE


Rätsel
— Chris Walton sucht


Reihe 9

Seit Januar 2017 setzt sich Michael Kube für uns immer am 9. des Monats in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb.

Link zur Reihe 9


Download der aktuellen Print-Ausgabe

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Herkulesaufgabe/Travaux d’Hercule

Annette Dannecker et Paola De Luca, Coprésidentes de la Société Suisse de Pédagogie Musicale SSPM, répondent aux questions de la Revue Musicale Suisse concernant Corona

Annette Dannecker et Paola De Luca (texte), Coprésidentes de la Société Suisse de Pédagogie Musicale SSPM, répondent aux questions de la Revue Musicale Suisse

Comment allez-vous après cette année ?

Après une année de crise pandémique, mes sentiments à cet égard sont partagés.

D’un point de vue personnel, et j’imagine comme l’ensemble de la population, je ressens une lassitude générale quant à cette situation qui nous maintient en permanence dans une atmosphère d’incertitude, ainsi que le manque de perspectives, qui rend difficile la projection dans un avenir plus serein. Je suis néanmoins impatiente de faire à nouveau des projets concrets et que la musique reprenne sa place dans notre société.

D’un point de vue professionnel au sein de la SSPM, cette crise a apporté beaucoup de sens et de valeur à notre travail pour la défense des intérêts des professeurs et professeures de musique. Ce parcours est semé d’embûches et nous donne parfois l’impression d’être des Don Quichotte et de nous battre contre des moulins à vent, mais cela ne me décourage pas pour autant, la lutte continue !

Et, comme ma collègue Annette l’a si justement dit, la rencontre avec d’autres personnes et institutions engagées dans la même lutte donne du courage et atténue la fatigue dans ce parcours.

Les nombreux retours positifs de nos membres quant aux informations et quant à l’aide qu’elles ou ils reçoivent me donnent du baume au cœur et le courage de continuer.

Quel est votre souvenir le plus marquant de cette année de pandémie ?

Mes souvenirs les plus marquants de cette année de pandémie sont ceux liés au début de la crise.

J’ai plusieurs occupations professionnelles, dont une qui se situe au Tessin. Il y a exactement une année, début mars 2020, je me suis retrouvée sur le quai complètement désert de la gare de Bellinzone, alors qu’à l’heure du train pour Zurich, ce quai est toujours noir de monde.

Cet événement qui pourrait sembler anodin a été en fait le signe précurseur de la gravité de la situation au Tessin à ce moment-là, et était en fort contraste avec ce qui se passait dans le reste du pays. Le Coronavirus a touché en premier le sud des Alpes, et j’ai pu constater de mes propres yeux que le premier décès a suscité une réaction très forte auprès de la population tessinoise, qui a adopté des changements de comportement immédiats, bien avant les autres. Tout cela a eu lieu environ une semaine avant la prise de conscience collective de la situation, lors de la conférence de presse du Conseil fédéral du 13 mars 2020.

Cette conférence de presse a été comme un deuxième « électrochoc » pour moi. En effet, l’annonce de la fermeture des écoles a été le signal que nous devions toutes et tous mettre nos vies entre parenthèses et cela a entièrement bouleversé nos habitudes (à l’époque nous ne pouvions pas imaginer la suite des événements et l’ampleur de la crise).

Ce qui m’a marquée le plus dans le premier confinement a été le silence, qui sous certains aspects était agréable dans une ville comme Genève, mais qui sous d’autres avait un côté plus triste, comme de ne plus entendre les cris des enfants dehors (j’habite en face d’une école).

Selon vous, en quoi la pandémie a-t-elle changé la profession de musicien ou le travail de votre association ?

Comme je l’ai indiqué dans la question précédente, je fais partie de celles et ceux qui ont différentes activités professionnelles et je suis donc à même de comprendre les problématiques engendrées par la pandémie.

Les indépendants et indépendantes ont été le plus gravement touchés par la crise, cela en a précarisé un bon nombre, au point que beaucoup de personnes envisagent de changer de profession.

Je pense qu’il faudra du temps pour que le secteur culturel puisse se relever après cette crise, et je crains que certains aspects de la vie des musiciens et musiciennes ne soient changés de manière indélébile.

Ce qui a représenté un changement radical pour les professeurs et professeures de musique a été le « virage numérique » des leçons données en ligne. Ces nouveaux outils numériques se sont révélés être une expérience excitante et pleine de nouvelles perspectives pour certains, mais malheureusement un certain manque de connaissance pour les utiliser a été vécu comme un handicap par d’autres, qui ont eu beaucoup plus de mal à s’adapter à ces nouveautés. Nous avons d’ailleurs fait un guide pratique pour venir en aide à toutes celles et tous ceux qui en avaient besoin, ce qui nous a permis de tester les différentes propositions, afin d’être à même de conseiller nos membres en se basant sur notre expérience.

Il ne faut cependant pas perdre de vue que ces nouveaux paramètres qui découlent de l’enseignement à distance doivent être réglementés et surveillés, et cela devra être supervisé par les associations professionnelles.

Le travail au sein de mon association a été beaucoup plus axé sur l’aspect syndical et politique, mais l’aspect relationnel et humain avec les membres a pris aussi une place importante. En effet, passer du temps au téléphone pour répondre aux questions, mais aussi et surtout pour écouter les inquiétudes et le vécu des membres a été un aspect important de cette période de crise (qui n’est malheureusement pas terminée).

Quelle question aimeriez-vous poser au Conseil fédéral ou que voudriez-vous qu’il fasse pour relancer la vie musicale ?

Je souhaite que toutes celles et tous ceux qui ont subi des pertes dues à l’interdiction de travailler (de manière particulière le domaine culturel qui a dû cesser ses activités depuis une année entière) puissent recevoir une compensation de 80 pour cent de leurs revenus ou un revenu de base. Ce qui se passe à ce niveau dans le canton de Zurich et est en projet dans certains autres cantons devrait être généralisé au niveau national.

Je souhaite aussi que les professeurs et professeures d’art indépendants soient inclus dans les catégories des ayants droit à une indemnisation financière.

Il faudra certainement beaucoup de temps pour que la scène culturelle puisse se remettre (si tant est que cela soit possible) du traumatisme que représente cette crise du Covid, il faut aussi qu’il y ait une réelle prise de conscience générale de l’importance des artistes (et des enseignants et enseignantes d’art) dans notre société. Et cela doit se manifester aussi par une aide financière concrète et respectueuse de toutes celles et tous ceux qui ont l’interdiction de travailler pour préserver la collectivité.

Mon opinion personnelle rejoint le texte de la pétition de la Taskforce Culture, qui résume parfaitement toutes mes revendications

Herkulesaufgabe/Travaux d’Hercule

Beat Santschi, Zentralsekretär des Schweizerischen Musikerverbandes SMV, antwortet auf die Fragen der Schweizer Musikzeitung zu Corona.

Beat Santschi

Beat Santschi, Zentralsekretär des Schweizerischen Musikerverbandes SMV, antwortet auf die Fragen der Schweizer Musikzeitung.

Wie geht es Ihnen und dem SMV nach diesem Jahr?

Dem SMV geht es den Umständen entsprechend gut. Den Mitgliedern weniger. Ich werde langsam zum Zoombie. Das Problem ist, dass die Krise noch nicht vorüber ist. Es zehrt schon sehr an den Kräften. Aus heutiger Sicht erscheint mir die Verbandsarbeit früherer Jahre geradezu paradiesisch gemütlich.

Was ist für Sie besonders einschneidend an der Corona-Zeit?

Während der Liveperformance-Sektor seit einem Jahr faktisch oder praktisch unter einem Berufsverbot leidet und die Betroffenen nur dank permanentem Kampf mit den Behörden mehr schlecht als recht über die Runden kommen, macht die Tonträgerindustrie im Streaminggeschäft Rekordgewinne, die den Musikerinnen und Musikern nach wie vor grösstenteils vorbehalten werden.

Sehr positiv war und ist die Zusammenarbeit mit anderen Verbänden, auch der Veranstalter, in der Taskforce Culture sowie mit dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund zugunsten des gesamten Kultursektors. Auch die internationale Solidarität im Rahmen der Fédération Internationale des Musiciens wurde durch die Krise noch zusätzlich gestärkt, trotz beispielloser Schwierigkeiten in vielen Ländern.

Wie verändert die Corona-Zeit Ihrer Meinung nach den Musikerberuf und Ihren Verband?

Je länger die Krise dauert, desto mehr freischaffende Musiker und Musikerinnen werden sich beruflich anders ausrichten (müssen). Eine Umfrage unserer englischen Schwestergewerkschaft ergab, dass 40 Prozent ihrer Mitglieder daran denken, den Musikerberuf aufzugeben. Eine Umfrage der Taskforce Culture Romande kommt für die Westschweiz zu einem ähnlichen Resultat. Den damit einhergehenden Verlust an kultureller Vielfalt wieder zu kompensieren, wird eine Herkulesaufgabe sein.

Glücklicherweise hat der SMV bisher keinen Mitgliederschwund zu beklagen, im Gegenteil. Doch die langfristigen Auswirkungen der Krise lassen sich noch nicht abschätzen. Wir hoffen natürlich, dass die zu erwartenden Steuer-Mindereinnahmen der Kantone und Kommunen nicht auf dem Rücken der Kultur kompensiert und langfristig zu Problemen für unsere Orchester werden.

Welche Frage möchten Sie dem Bundesrat stellen oder was wünschen Sie sich von ihm, damit die Musikszene wieder auflebt?

Ob er Pläne zur Revision der Sozialversicherungen hat, nachdem sich deren Lücken für die Kulturschaffenden in der Krise eklatant gezeigt haben. Die Frage habe ich BR Berset schon gestellt. Die Antwort war enttäuschend. Die eines Tages zu erwartende Wiedereröffnung der Kulturbetriebe soll nicht an starre Zahlen gekoppelt sein, sondern sich – wie im «Basler Modell» aufgezeigt – flexibel an den örtlichen Begebenheiten und vorhandenen Schutzkonzepten orientieren.

Wolfgang Böhler

Wolfgang Böhler, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Musik-Medizin SMM, beantwortet die Fragen der Schweizer Musikzeitung zu Corona.

Wolfgang Böhler

Wolfgang Böhler, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Musik-Medizin SMM, beantwortet die Fragen der Schweizer Musikzeitung.

Wie geht es Ihnen und der SMM nach diesem Jahr?

Bei der Schweizerischen Gesellschaft für Musik-Medizin trafen ein Präsidiumswechsel und die Pandemie zusammen. Wir mussten unser jährliches Symposium absagen und waren mit einer erhöhten Zahl von Anfragen wegen Verunsicherungen, Zukunftsängsten und Depressionen konfrontiert. Nach der Pandemie werden wir die Netzwerke der Gesellschaft revitalisieren müssen, weil alle kleineren und grösseren Treffen weggefallen sind.

Mir persönlich geht es gut. Ich bin es gewohnt, mich im Homeoffice selber zu organisieren und dank diversifizierten Einnahmequellen materielle Krisen immer wieder einigermassen durchzustehen.

Was ist für Sie besonders einschneidend an der Corona-Zeit?

Für mich persönlich war die Situation in Manaus sehr belastend. Ich habe dort Familie und baue eine Kulturwerkstatt als Versöhnungsprojekt auf. Die brasilianische Urwaldmetropole ist ein globaler Hotspot der Pandemie. Wir beklagen unter Freunden und Familie etliche Todesfälle. Die meisten Musiker sind verzweifelt oder materiell in lebensbedrohlicher Situation.

Wie verändert die Corona-Zeit Ihrer Meinung nach den Musikerberuf und Ihren Verband?

Ich vermute, dass viele Junge weniger selbstverständlich eine Musikkarriere anstreben werden als bisher. Zudem dürfte das Bewusstsein dafür wachsen, welche psychischen Belastungen der Musikerberuf mit sich bringt. Es kann dazu führen, dass die Bedeutung unserer Therapeutinnen und Therapeuten für das psychische und physische Wohlergehen im musikalischen Berufsalltag besser wahrgenommen wird.

Welche Frage möchten Sie dem Bundesrat stellen oder was wünschen Sie sich von ihm, damit die Musikszene wieder auflebt?

Ich hätte mir vom Bundesrat erhofft, dass er besser erklärt, was die Eigenart grossflächiger Massnahmen ist. Globale Massnahmen können in den Details sinnlos oder widersprüchlich wirken. Die Kritik am Bundesrat hat sich ja immer an konkreten, kleinräumigen, scheinbar absurden Konsequenzen entzündet. Es ist ein Zeichen politischer Reife, im Interesse des grossen Ganzen Massnahmen auch dann zu akzeptieren, wenn sie im Detail sinnlos scheinen. Die Kulturschaffenden sind da meines Erachtens weitaus kooperativer und einsichtiger als andere wirtschaftliche Interessensvertreter. Es wäre schön, wenn das anerkannt würde.

Herkulesaufgabe/Travaux d’Hercule

Michael Kaufmann, Präsident von Sonart – Musikschaffende Schweiz, beantwortet die Fragen der Schweizer Musikzeitung zu Corona.

Michael Kaufmann

Michael Kaufmann, Präsident von Sonart – Musikschaffende Schweiz, beantwortet die Fragen der Schweizer Musikzeitung.

Wie geht es Ihnen und Sonart nach diesem Jahr?

Das Pandemiejahr war für alle Kulturschaffenden eine Katastrophe, und es hat uns alle psychisch stark belastet. Dies vor allem – davon war ich ganz persönlich auch betroffen –, weil auch die künstlerische Tätigkeit weitgehend gestoppt war, was teilweise die Kreativität blockiert hat. Das ist für Kulturschaffende fatal und vielleicht noch schlimmer, als die ohnehin schon schwierige wirtschaftliche Situation. Also ein Mix von sozialer Notlage und künstlerischer Blockierung.

Was ist für Sie besonders einschneidend an der Corona-Zeit?

Es gibt aus meiner Sicht zwei Hauptthemen: Das eine ist die soziale Absicherung, welche vor allem für Musikerinnen und Musiker mit einem hohen Anteil an freischaffender Tätigkeit prekär ist. Das war schon vor der Krise so, die Krise hat nur verschärft, was viele nicht wissen: Musikerinnen und Musiker leben in der Regel sehr, sehr bescheiden und haben wenige Reserven. Eine Kollegin rechnete vor: Bei den heutigen Gagen in freien Projekten der zeitgenössischen Musik beträgt der Stundenlohn alles in allem 16 Franken. Kultur ausserhalb der subventionierten Institutionen darf nichts kosten. Der Gesellschaft ist diese nicht viel wert. Das zweite ist die Wiederaufnahme des Konzertbetriebs: Es ist jetzt zentral, dass wir die Liveacts wieder aufnehmen, wieder direkt ans Publikum gelangen. Denn von der reinen Streamingkultur haben alle die Nase voll.

Wie verändert die Corona-Zeit Ihrer Meinung nach den Musikerberuf und Ihren Verband?

Der Beruf der Musikschaffenden ist laufend im Wandel. Auch das hat die Krise des letzten Jahres noch verdeutlicht. Immer mehr Musiker sind heute in diversen künstlerischen Tätigkeiten unterwegs: auf der Bühne, im Bildungssystem, im Kulturmanagement, in multimedialen Projekten, in der Vermittlung usw. Heisst: Es gibt eine grosse Vielfalt an Tätigkeiten, aber damit auch viele Unwägbarkeiten und wirtschaftliche Unsicherheiten. Für unseren Verband ist dies seit Langem klar, und wir arbeiten intensiv an entsprechenden Konzepten: Einerseits ist es der Kampf um die soziale Sicherheit, andererseits wollen wir noch mehr Weiterbildungen und Dienstleistungen anbieten, um unsere Mitglieder fit zu machen. Für Sonart heisst das aber eine härtere Gangart in der Politik und die öffentliche Verteidigung eines der nützlichsten Berufe unserer Gesellschaft.

Welche Frage möchten Sie dem Bundesrat stellen oder was wünschen Sie sich von ihm, damit die Musikszene wieder auflebt?

Ganz einfach: Wir wollen wieder auf die Bühnen! Und wir wollen als Folge aus der Krise noch bessere Rahmenbedingungen für die Kultur. Soziale, infrastrukturelle und kulturpolitische. Nachhaltige Investitionen in Kultur lohnen sich für die Gesellschaft. – Wenn die Politik dazu bereit ist, wollen und können wir einen grandiosen Neustart hinlegen. Mit oder ohne Maske …

Herkulesaufgabe/Travaux d’Hercule

Rosmarie Quadranti, Präsidentin des Schweizer Musikrats SMR, beantwortet die Fragen der Schweizer Musikzeitung zu Corona.

Rosmarie Quadranti

Rosmarie Quadranti, Präsidentin des Schweizer Musikrats SMR, beantwortet die Fragen der Schweizer Musikzeitung.

Wie geht es Ihnen und dem SMR nach diesem Jahr?

Nun, die Frage nach dem persönlichen Befinden ist schnell beantwortet: Ich bin froh, bin ich nicht erkrankt, und je länger die Pandemie dauert, desto ungeduldiger werde ich. Ich kann es kaum erwarten, bis die Impfungen greifen und sich das Leben wieder normalisiert: einfach in einer Beiz ein Bier trinken, Livemusik hören, ein Theater besuchen, in den Zoo gehen, ein Museum geniessen …

Der Musikrat als Dachorganisation war stark gefordert: die Vorstandsmitglieder in ihren Verbänden und Institutionen, Nina Rindlisbacher und ich als Mitglieder der Taskforce Culture. Und trotzdem bleibt bei mir das Gefühl, dass man halt doch ziemlich ohnmächtig ist.

Was ist für Sie besonders einschneidend an der Corona-Zeit?

Einschneidend ist, dass man nach wie vor viel zu wenig eingebunden ist. Bund (Bundesrat und BAK) und Kantone sprechen nun zwar mit uns (ein Verdienst der Taskforce Culture), tatsächlich einbezogen sind wir aber immer noch nicht. Das einschneidendste Erlebnis war wohl, dass es keine geeigneten Strukturen gibt, um bei Krisen als Kulturbranche an Entscheiden und Massnahmen beteiligt zu werden. Gefreut hat mich aber die Kreativität und die Willenskraft gerade der Musikwelt, die sich nicht unterkriegen lässt und kämpft.

Wie verändert die Corona-Zeit Ihrer Meinung nach den Musikerberuf und Ihren Verband?

Der Schweizer Musikrat hat an Stärke gewonnen. Er wurde wahrgenommen. Es wurde klar, dass in Krisen der Einzelne nicht viel bewirken kann, es also z. B. den SMR braucht.

Das Ausmass des Schadens, den diese Pandemie aber bei den einzelnen Musikschaffenden, den Veranstaltern, den Institutionen, den Laien angerichtet hat, das wird wohl erst sehr viel später tatsächlich sichtbar werden.

Welche Frage möchten Sie dem Bundesrat stellen oder was wünschen Sie sich von ihm, damit die Musikszene wieder auflebt?

Als Mitglied der Taskforce Culture stellten und stellen wir dem Bundesrat tatsächlich immer wieder Fragen. Mitten in der Krise wurden regelmässige Gespräche mit Bundesrat Alain Berset installiert. Das war wichtig. Ich möchte dem Bundesrat daher keine Frage stellen, sondern eine Forderung wiederholen: «Das Wiederaufleben der Musikszene wird dann bestmöglich gelingen, wenn diese beim Erarbeiten und Umsetzen einer Revitalisierungsstrategie tatsächlich stark einbezogen ist.» Und eine grosse Bitte an den Bundesrat ist auch, dass man neue Zusammenarbeitsformen definiert. Denn es ist ja leider nicht auszuschliessen, dass eine nächste Krise kommt.

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Herkulesaufgabe/Travaux d’Hercule

Johannes Reinhard, Präsident des Eidgenössischen Orchesterverbands EOV, beantwortet die Fragen der Schweizer Musikzeitung zu Corona.

Johannes Reinhard

Johannes Reinhard, Präsident des Eidgenössischen Orchesterverbands EOV, beantwortet die Fragen der Schweizer Musikzeitung.

Wie geht es Ihnen und dem EOV nach diesem Jahr?

Für den Eidgenössischen Orchesterverband war es ein sehr intensives Jahr, welches uns stark gefordert hat. Die physische Delegiertenversammlung, die ein grosser Event mit tollen Musik-Workshops geworden wäre, musste verschoben und am Ende abgesagt werden. Innert kurzer Zeit musste eine Ersatzlösung für die statutarischen Geschäfte gefunden werden. Weiter war der EOV massgeblich am sehr rasch aufgegleisten Aufbau der Bundeshilfen für Laienvereine beteiligt. Dann gab es deutlich mehr Anfragen von Mitgliedsorchestern zu beantworten als sonst. Es war spürbar, dass im EOV-Vorstand die Rädchen ineinandergreifen und der Verband als Ganzes funktioniert. Dies vor allem dank meinen sehr engagierten und flexiblen Vorstandsmitgliedern, die einen grossen Job gemacht haben!

Mir persönlich geht es gut. Da ich als Geologe viel draussen auf Baustellen bin, war ich von den verfügten Einschränkungen (z. B. Homeoffice-Pflicht) weniger betroffen und konnte zumindest beruflich weitgehend im gewohnten Rahmen weiterfahren.

Was ist für Sie besonders einschneidend an der Corona-Zeit?

Wie alle Musikerinnen und Musiker war ich natürlich stark betrübt, quasi von einem Tag auf den anderen das Musizieren in Gruppen aufgeben zu müssen. Und auch alle Besuche von Konzerten unserer Mitgliedsorchester fielen ja aus. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich am 3. März in der Tonhalle Maag ein Orchesterkonzert besuchte. Dort spielte ein Amateurorchester u.a. Strauss’ Heldenleben. Die Programmierung hätte Potenzial für einen vollen Saal gehabt. Doch die grosse Holzhalle war zu nur etwas mehr als einem Drittel gefüllt und man begrüsste sich nach Bekanntwerden der ersten Corona-Fälle auch in der Schweiz bereits mit einer gewissen Skepsis.

Und dann folgte eine lange Pause. Keine Konzerte mehr, einfach nichts. Als ich dann Mitte September nach 192 (!) Tagen zum ersten Mal wieder ein Konzert besuchte (das Thuner Stadtorchester spielte mit Alexandre Dubach Mendelssohns berühmtes Violinkonzert und Beethovens Pastorale), war ich total ergriffen von der Intensität des Liveerlebnisses und mir rannen am Ende Tränen der Rührung über die Wangen.

Wie verändert die Corona-Zeit Ihrer Meinung nach den Musikerberuf und Ihren Verband?

Zu den langfristigen Auswirkungen der Corona-Zeit auf den Musikerberuf kann ich noch nicht viel sagen. Sicher hat uns jedoch die Krise die ökonomische Vulnerabilität der Sicher hat uns jedoch die Krise die ökonomische Vulnerabilität der Berufsmusikerinnen und -musiker noch stärker als bisher vor Augen geführt noch stärker als bisher vor Augen geführt. Besonders bei den Freischaffenden existiert da ein problematisches Prekariat. Da fehlen vielerorts die sozialen Absicherungen, und wenn dann die gewohnten Veranstaltungen und Konzerte nicht stattfinden können, drohen diese Menschen abzustürzen wie Artisten vom Seil, bei denen ein Auffangnetz fehlt.

Unser Verband wurde im letzten Jahr teilweise zu einschneidenden Entscheiden gezwungen. Meiner Ansicht nach ist der EOV an der schwierigen Situation gewachsen und hat sich eine Agilität zugelegt, die ich vorher so nicht kannte. Wir haben sicher nicht alles richtig gemacht, aber uns nach bestem Wissen und Gewissen mit der Situation arrangiert.

Welche Frage möchten Sie dem Bundesrat stellen oder was wünschen Sie sich von ihm, damit die Musikszene wieder auflebt?

Ich stehe voll und ganz hinter den verfügten Massnahmen, auch wenn sie unser Amateurmusizieren zeitweise vollständig lahmlegten. Ich finde, der Bundesrat hat bisher sehr gute Arbeit geleistet und uns vernünftig durch die Krise navigiert. Es bringt nichts, Öffnungen zu erzwingen, die kurze Zeit später wieder einen umso heftigeren Rückschlag zur Folge haben. Allerdings muss, wer A sagt, auch B sagen. Dies bedeutet, wenn die Kultur nicht mehr stattfinden darf, braucht es soziale Auffangnetze für die Betroffenen. Und obwohl in diesem Bereich schon vieles aufgegleist wurde, gibt es noch einiges zu tun. Ich wünsche mir vom Bundesrat, dass er die Existenzen der Kulturschaffenden nachhaltig sichert. Denn die Kultur ist ebenso wichtig in unserem Leben wie die «Wirtschaft»!

Herkulesaufgabe/Travaux d’Hercule

Frank-Thomas Mitschke, Rektor der Kalaidos Musikhochschule, beantwortet die Fragen der Schweizer Musikzeitung zu Corona.

Frank-Thomas Mitschke, Rektor der Kalaidos Musikhochschule, beantwortet die Fragen der Schweizer Musikzeitung.

Wie geht es Ihnen und der Kalaidos Musikhochschule nach diesem Jahr?

Mir geht es sehr gut, da ich mit Corona direkt nie in Berührung gekommen bin. Bezüglich der Hochschule gab es einige Projekte in 2020, die wegen Corona leider nicht stattfinden konnten. Wir hoffen nun, dass diese nur aufgeschoben sind
und nicht aufgehoben.

Was ist für Sie besonders einschneidend an der Corona-Zeit? Können Sie uns das krasseste oder überraschendste Erlebnis erzählen?

Nein, es gab kein negatives Erlebnis, das so stark unter den anderen in dieser negativen Situation heraussticht.

Wie verändert die Corona-Zeit Ihrer Meinung nach den Musikerberuf und Ihre Hochschule?

Ich bin der Überzeugung, dass nichts mehr genau so sein wird wie vorher, sollte diese Pandemie einmal beendet sein. Darüber zu jammern hilft wenig, und wir sollten das Beste daraus machen. Das Beste heisst für mich: Wo immer möglich zurückkehren zu Musik mit physischer Präsenz, sei es in Konzerten, sei es im Unterricht. Wo dies nicht geht, sollten wir geprüft haben, was gut ist, und bewusst die Hilfsmittel einsetzen, die wir benötigen. Im Moment habe ich den Eindruck, jeder experimentiert nach seinem Gusto mit Skype, Whatsapp, Zoom, Appassimo und was es noch alles gibt. Es sollte eine Studie erstellt werden, welche klar die Eignung für unsere Zwecke – also die Vermittlung von Musik – beschreibt. Ich habe diesen Gedanken sowohl in der KMHS als auch in der Kalaidos FH eingebracht.

Welche Frage möchten Sie dem Bundesrat stellen oder was wünschen Sie sich von ihm, damit die Musikszene wieder auflebt?

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Herkulesaufgabe/Travaux d’Hercule

Noémie L. Robidas, Présidente de la Conférence des Hautes Ecoles de Musique Suisses CHEMS, répond aux questions de la Revue Musicale Suisse concernant Corona.

Noémie L. Robidas

Noémie L. Robidas, Présidente de la Conférence des Hautes Ecoles de Musique Suisses CHEMS, répond aux questions de la Revue Musicale Suisse.

Comment allez-vous après cette année ?

Pour ma part, bien qu’un peu essoufflée, je garde le moral et le cap espoir pour l’HEMU comme pour la CHEMS et pour l’avenir de nos missions dans la société. La crise sanitaire a révélé non seulement des forces dans les équipes enseignantes et administratives et chez les étudiants et étudiantes, mais également un besoin humain d’avoir accès à la culture sans écran interposé… sinon la vie perd son sel et son sens.

Quel est votre souvenir le plus marquant de cette année de pandémie ?

Je garde un souvenir clair de ce fameux vendredi 13 mars où nous avons reçu la consigne de fermer nos écoles en un temps record. Nous ne nous doutions pas qu’un an plus tard, le virus serait encore dans le paysage ! Je me souviens aussi de la finale du Prix Crédit suisse de la musique que j’ai eu l’honneur de présider. J’ai ressenti une émotion très vive en écoutant jouer ces jeunes talents des différentes HEM en live. Cela m’a émue aux larmes tellement cela faisait longtemps que je n’avais pas entendu un vrai concert !

Selon vous, en quoi la pandémie a-t-elle changé la profession de musicien ou le travail de votre association ?

Cela pousse chaque équipe de direction des différentes HEM à questionner et à remettre en question des contenus de cours, des projets et d’en revoir les orientations, les formats, ce que nous n’aurions pas osé faire avant de la même façon. Nous avons pu prendre conscience que la technologie aide à contourner les contraintes kilométriques mais ne peut pas compenser les liens humains qui se nourrissent de vraies rencontres, que ce soit entre les musiciens, avec le public ou, concernant la CHEMS, entre les directeurs des HEM.

Quelle question aimeriez-vous poser au Conseil fédéral ou que voudriez-vous qu’il fasse pour relancer la scène musicale ?

Je pense important de permettre aux concerts de reprendre l’affiche avec des plans de protection adaptés aux lieux (m2, aération, etc.) et non seulement en mettant des jauges arbitraires. Évidemment, cela est peut-être plus complexe à gérer, mais ce serait une réponse adéquate. Je crois important de reconnaître le travail des musiciens indépendants sans qui la vie musicale suisse ne pourrait évidemment pas trouver toute sa richesse en termes d’offre. Enfin, pour nos jeunes diplômés, apporter des aides sous forme de tremplin ou d’accompagnement à l’insertion professionnelle pour les deux ou trois premières années au sortir des études.

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