Grand Prix Musik für Stephan Eicher

Auf Empfehlung der Eidgenössischen Jury für Musik vergibt das Bundesamt für Kultur den Schweizer Grand Prix Musik 2021 an Stephan Eicher. 14 weitere Musikerinnen und Musiker werden mit einem Schweizer Musikpreis ausgezeichnet.

Stephan Eicher 2012. Foto: Eddy Berthier (s. unten)

Die 14 Preisträgerinnen und Preisträger von 2021 sind: Alexandre Babel (Genf), Chiara Banchini (Lugano, TI), Yilian Cañizares, (Havanna, Kuba und Lausanne, VD), Viviane Chassot (Zürich, ZH), Tom Gabriel Fischer (Zürich, ZH), Jürg Frey (Aarau, AG), Lionel Friedli (Moutier, BE), Louis Jucker (La Chaux-de-Fonds, NE), Christine Lauterburg (Bern), Roland Moser (Bern), Roli Mosimann (Weinfelden, TG), Conrad Steinmann (Rapperswil, SG), Manuel Troller (Luzern), Nils Wogram (Braunschweig, D und Zürich).

Stephan Eicher wird 1960 in Münchenbuchsee geboren. Erste Erfahrungen sammelt in einer Electropunk-Band, den Noise Boys. 1981 werden er und seine Band Grauzone mit dem Song «Eisbär» im deutschsprachigen Raum bekannt. Mit dem Album «Les Chansons Bleues» (1983) beginnt sein Erfolg in Frankreich. In seiner Karriere hat Stephan Eicher bisher rund zwanzig Alben veröffentlicht, zuletzt «Homeless Songs» von 2019. 2021 stellt er in einer Tournee sein Projekt «Das Floss der Unnötigen» vor.

Das BAK mandatiert jährlich rund zehn Expertinnen und Experten aus dem Bereich Musik. Diese schlagen Kandidatinnen und Kandidaten aus allen Regionen der Schweiz und aus sämtlichen Musiksparten vor. Ihre Auswahl wird anschliessend der Eidgenössischen Jury für Musik unterbreitet. Im Januar 2021 haben die sieben Mitglieder der Jury den Preisträger des Schweizer Grand Prix Musik sowie die 14 Preisträgerinnen und Preisträger der Schweizer Musikpreise bestimmt. Der Schweizer Grand Prix Musik ist mit 100 000 Franken dotiert, die Schweizer Musikpreise mit je 25 000 Franken.

Fotonachweis: Eddy Berthier, Brüssel / wikimedia commons CC0 1.0

Tod des Jazztrompeters Hans Kennel

Der Schweizer Jazztrompeter Hans Kennel, der auch immer wieder Brücken zwischen Jazz und Volksmusik schlug, ist laut einer Todesanzeige in der NZZ im Alter von 82 Jahren in Zug gestorben.

Hans Kennel (Bild: www.hanskennel.com)

In Schwyz geboren, spielte der Trompeter Hans Kennel laut den Angaben auf seiner Webseite zuerst für kurze Zeit Klassik, dann viele Jahre Jazz und andere experimetelle Musik, bis er im Familienalbum zufällig ein Bild von 1932 erblickte, auf dem sein Vater, zusammen mit dessen Bruder und dem Grossvater spielen. Er gründete die Gruppen Alpine Jazz Herd (zusammen mit Jürg Solothurnmann), Alpine Experience und das Alphornquartett Mytha das auch Interesse bei jüngeren Musikern weckte.

1998 wurde Hans Kennel für seine engagierte und pionierhafte Auseinandersetzung mit Elementen alpiner Musik in den Grenzbereichen zwischen Volksmusik, Jazz und Klassik mit dem Innerschweizer Kulturpreis geehrt worden. 2014 wurde er für den ersten Schweizer Musikpreis (Schweizer Grand Prix Musik) des Bundesamts für Kultur (BAK) nomininiert.

Il povero Fiammingo

Das Vokalensemble Voces Suaves bringt auf seiner Schweizer Tournee vom28. Mai bis 1. Juni Madrigale und Canzonette des Renaissance-Komponisten Giaches de Wert zu Gehör.

2012 von Tobias Wicky gegründet, arbeitet das Ensemble heute ohne feste Leitung. Foto: Markus Räber,SMPV

Das neue Programm des Ensemble Voces Suaves präsentiert einige der expressivsten Madrigale von Giaches de Wert (1535-1596) im Kontext seiner Biografie, insbesondere seiner Beziehung zur Musikerin und Intellektuellen Tarquinia Molza (1542-1617). Die beiden lernten sich am Hof der Este in Ferrara kennen, der sich durch Musik, aber auch durch Intrigen auszeichnete, und wurden enge Freunde, und vermutlich Liebhaber. Das Programm folgt ihrem gemeinsamen Weg, in erster Linie durch die Madrigale von Wert und seinen Zeitgenossen, aber auch durch Auszüge aus historischen Briefen und Gedichten.

Einen besonderen Platz im Programm nehmen zwei musikalische Publikationen von Wert aus der Zeit seiner Beziehung zu Molza ein: das neunte Madrigalbuch und der Band mit Canzonette. Diese Bände enthalten Madrigale mit kontrastierenden Charakteren: wunderschön ausdrucksstarke und komplexe Vertonungen einiger der traurigsten Gedichte aus Petrarcas Canzoniere, neben leichten, kurzen, verspielten und geistreichen Canzonette. Diese kontrastierenden Stücke zeigen die Tiefe von de Werts Oeuvre und wie seine Musik das ganze Spektrum menschlicher Emotionen anschaulich darstellt.

Fritz-Gerber-Award 2021

Den diesjährigen Fritz-Gerber-Award erhalten die Klarinettistin Daniela Braun, die Geigerin Anastasiia Subrakova und der Saxophonist Luis Homedes López. Die Auszeichnung umfasst ein Stipendium zur Teilnahme an der Lucerne Festival Academy im Wert von 10’000 Franken und zusätzlich ein Preisgeld von 10’000 Franken.

Daniela Braun. Foto: Calm Vidal Photography

Die Geigerin Anastasiia Subrakova, 1994 in Akaban, Russland geboren, lernte ihr Instrument zunächst am Konservatorium in St. Petersburg bei Ilya Ioff. Anschliessend absolvierte sie an der HEMU – Haute Ecole de Musique et Conservatoire de Lausanne bei Sergiu Schwartz das Bachelorstudium und bei Svetlana Makarova den Master «Music Performance». Von 2018 bis 2020 widmete sich Subrakova dem Master in der Vertiefung Solist bei Ilya Gringolts an der Zürcher Hochschule der Künste. 2019 gewann sie den zweiten Preis des Kiwani-Wettbewerbs.

Der spanische Saxophonist Luis Homedes López, 1994 in Madrid geboren, wurde in Madrid unter anderen von Angel Luis de la Rosa unterrichtet. Ab 2014 studierte er bei Marcus Weiss in Basel an der Hochschule für Musik, bei dem er nicht nur den Bachelor, sondern auch den Master in Musical Performance abschloss. 2019 war er Stipendiat des Rahn Kulturfonds. Er nahm bei den Darmstädter Ferienkursen oder dem Kurtág-Ligeti Workshop in Budapest teil und spezialisiert sich derzeit in einem weiteren Master auf Zeitgenössische Musik.

Die ebenfalls 1994 geborene Schweizerin Daniela Braun studierte Klarinette bei Paolo Beltramini an der Hochschule Luzern – Musik und schloss, ebenfalls in Luzern, 2018 einen Master der Musikpädagogik ab. Derzeit befindet sie sich im Masterstudium bei Björn Nyman an der Norwegian Academy of Music in Oslo. Von 2016 bis 2018 war sie Mitglied des zeitgenössischen Ensemble HELIX der Hochschule Luzern und besuchte unter anderem Meisterkurse bei Yehuda Gilad oder die Zermatt Festival Academy.

Der «Fritz-Gerber-Award» schreibt Auszeichnungen offen aus, darüber hinaus werden Empfehlungen von Hochschulen und bekannten Persönlichkeiten aus der Kunst entgegen­genommen. Die Jury bestand dieses Jahr aus Michael Haefliger, Intendant von Lucerne Festival, Komponist und Dirigent Heinz Holliger sowie Felix Heri, Leiter von Lucerne Festival Contemporary.

 

Hunderte Kinder und Jugendliche sangen füreinander

Vom 12. bis 15. Mai fand in Basel das 12. Europäische Jugendchor Festival Basel (EJCF) statt. Über 700 Kinder und Jugendliche aus Schweizer Chören erlebten ein ausserordentliches und erfolgreiches Festival – jedoch ohne Publikum vor Ort. Die Corona-Vorschriften wurden konsequent umgesetzt.

Kein Publikum dieses Jahr – eine Fotoausstellung von Guido Schärli erinnert an das EJCF 2018. Foto: SMZ

Das diesjährige Festival hatte zwar wenig mit den bisherigen EJCFs zu tun, man könne aber trotzdem von einem grossen Erfolg sprechen, bilanziert die Festivalleitung. Da kein Publikum vor Ort zugelassen war, wurden einige Veranstaltungen gestreamt. Bis zum Festivalende sind ungefähr 6000 Downloads registriert worden.

Der internationale Choraustausch fiel den Corona-Vorschriften letztlich ganz zum Opfer. Es waren schliesslich alles Schweizer Chöre, die nach Basel reisten, im Hotel Ibis untergebracht und in Hallen der Messe Basel Corona-konform verpflegt wurden. Alle Sängerinnen und Sänger mussten sich jeden Morgen testen lassen und über 12-Jährige eine Maske tragen. Bislang wurden keine Ansteckungen bekannt. Die über 700 Kinder und Jugendlichen unter 20 Jahren befolgten die strengen Sicherheitsregeln auch beim gemeinsamen Singen in verschiedenen Veranstaltungen. Darunter waren Workshops, die von in der europäischen Chorszene bestens bekannten Fachpersonen geleitet wurden: Sanna Valvanne aus Finnland, Basilio Astùlez Duque aus Spanien, RoxorLoops aus Belgien sowie Patrick Secchiari und Dominique Tille aus der Schweiz. Zudem wurde an Chorbegegnungen gesungen, aber auch auf dem akustischen Spaziergang, auf Schiffen oder dem Rösslitram.

Über 70 Chorleitende aus der ganzen Schweiz setzten sich am 10. Schweizerischen Chorleiter- und Chorleiterinnen-Treffen mit Themen wie Stilkunde, Jodeln, Beatboxen unplugged oder Popkanons für Chöre auseinander.

Trotz all der Einschränkungen kam unter den anwesenden Chören und den freiwilligen Helferinnen und Helfern immer wieder das typische Festival-Feeling auf. Dies rapportierte Festivalleiterin Kathrin Renggli im konzentrierten einstündigen Rückblick am Ende des Festivals im Hans-Huber-Saal des Stadtcasinos Basel. Sie hat mit ihrem Team beispielhaft gezeigt, wie man Unvorhergesehenes pragmatisch und Einschränkungen kreativ angehen kann, um daraus Neues zu schöpfen.

All die vielen Fans, die dieses Jahr nicht auf die Rechnung kamen – üblicherweise besuchen rund 30 000 Personen über 40 Veranstaltungen – können sich auf das 13. Europäische Jugendchor Festival über die Auffahrtstage in zwei Jahren freuen.
 

Covid-19-Kulturmassnahmen gut umgesetzt

Der Nationale Kulturdialog hat sich an seiner Sitzung vom 10. Mai 2021 zur Umsetzung der Covid-Unterstützungsmassnahmen im Kulturbereich ausgetauscht und den guten Arbeitsfortschritt bei der Behandlung der Gesuche festgehalten.

Foto: missmushroom / unsplash.com (s. unten)

Der Nationale Kulturdialog stellt laut der Medienmitteilung des Bundes fest, dass aktuell bereits mehr als 60 Prozent der seit Herbst 2020 eingereichten Covid-Unterstützungsgesuche entschieden wurden. Des Weiteren wurden Ende April 2021 Vereinfachungen bei der Schadensberechnung für die Ausfallentschädigung an Kulturschaffende vorgenommen. Für Covid-Kulturmassnahmen sind im Bundesbudget für 2021 bisher 130 Millionen Franken vorgesehen. Der Nationale Kulturdialog begrüsst, dass das Parlament in der Sommersession über einen Zusatzkredit von 148 Millionen Franken beraten wird.

Der Nationale Kulturdialog hat zudem zwei Empfehlungen gutgeheissen: In der Tanzförderung soll unter anderem die Verbreitung von Produktionen freier Tanzgruppen gestärkt werden. Im Bereich der sozialen Sicherheit der Kulturschaffenden soll ein Unterstützungsangebot geschaffen werden, damit zusätzliche Kantone, Städte und Gemeinden die im 2016 beschlossenen Massnahmen zur Stärkung der beruflichen Vorsorge der Kulturschaffenden umsetzen. Mit diesen Empfehlungen wurde das Arbeitsprogramm 2016–2020 des Nationalen Kulturdialogs abgeschlossen.

Der Nationale Kulturdialog wurde 2011 ins Leben gerufen und vereinigt Vertreter der politischen Instanzen und der Kulturbeauftragten der Kantone, Städte, Gemeinden und des Bundes. Seine Arbeit basiert auf einer Vereinbarung aus dem Jahr 2011 und dem im April 2016 verabschiedeten Arbeitsprogramm 2016-2020. Die politischen Instanzen bilden das strategische Steuerungsorgan des Nationalen Kulturdialogs mit dem Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI), Vertretern der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), des Schweizerischen Städteverbands (SSV) und des Schweizerischen Gemeindeverbands (SGV).

Summertime mit Malwina Sosnowski

Die Geigerin Malwina Sosnowski organisiert ab dem 19. Juni bis 11. Juli zehn Gartenkonzerte – bei jeder Witterung.

Die Initiantin Malwinia Sosnowski im Skulpturenpark Beggingen. Foto: zVg,SMPV

Gärten und Parks in Basel, Beggingen, Biel, Riehen, Waldenburg und Willisau werden bei jeder Witterung zur Bühne. Zusammen mit Malwina Sosnowski treten in je verschiedener Besetzung auf: Stefanie Mirwald, Akkordeon, Camilla Steuernagel, Wort und Stimme, Antonis Michalopoulos, Schauspiel, Benyamin Nuss, Klavier, Pascal Widmer, Schlagzeug und Linda Gerber, Bewegung und Stimme.

Die Initiantin der Gartenkonzerte schreibt zur Programmgestaltung: «Wir spielen sinnreiche Musik: Von stürmischen Klängen Vivaldis über Bachs glühende Ohrwürmer bis hin zu wilden Tangos im Sonnenschein.»

Dirigentenforum fördert ZHdK-Absolventen

Jonas Bürgin, Aurel Dawidiuk, Francesco Cagnasso, Schüler von Johannes Schläfli in Orchesterleitung, sind nun auch Stipendiaten des Deutschen Dirigentenforums.

Jonas Bürgin. Foto: Philip Seewer

Das auf den dirigentischen Spitzennachwuchs ausgerichtete Dirigentenforum begleitet die jungen Talente über mehrere Jahre auf ihrem Weg ins Berufsleben. Aktuell sind auch Holly Hyun Choe und Ana María Patiño-Osorio Stipendiatinnen im Dirigentenforum, Studentin beziehungsweise Alumna von Johannes Schlaefli.

Jonas Bürgin schloss 2021 seinen Bachelor in Orchesterleitung bei Johannes Schlaefli an ab. Ausserdem ist er einer von acht Kandidaten für den Herbert von Karajan Young Conductors Award 2021. An der Gstaad Menuhin Festival Conducting Academy wurde er mit dem Neeme Järvi Förderpreis 2019 ausgezeichnet und 2017 gewann er den ersten Preis an der London Classical Soloists Competition I. Jonas Bürgin ist künstlerischer und administrativer Leiter der Jungen Zürcher Harmoniker, welche er 2015 gründete.

Aurel Dawidiuk studiert seit 2020 Orchesterleitung bei  Johannes Schlaefli und Klavier bei  Till Fellner an der Zürcher Hochschule der Künste. Zusätzlich erhält er Orgelunterricht bei Martin Sander in Basel. Er ist 1. Preisträger zahlreicher Wettbewerbe für Klavier und Orgel. 2019 gewann er den IV. International Young Organist Competition Moscow und den TONALi-Klavierwettbewerb in Hamburg, wo er neben dem Hauptpreis auch den Christoph Eschenbach-Preis erhielt.

Francesco Cagnasso stammt aus der italienischen Schweiz. Er studiert zur Zeit in der  Klasse von Ulrich Windfuhr an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. 2017 hat er seinen Master in Musiktheorie an der Zürcher Hochschule der Künste bei Burkhard Kinzler, Felix Baumann, Johannes Schild, Mathias Steinauer sowie das Certificate in Advanced Studies in Orchesterleitung bei Iwan Wassilevsky abgeschlossen.

SJMW-Finale in Kriens

Vom 6. bis 9. Mai fand im Südpol Kriens das Finale des Schweizerischen Jugendmusikwettbewerbs (SJMW) statt – ohne Publikum. Das Schlusskonzert wurde von SRF 2 aufgenommen.

Im Unterschied zum letzten Jahr konnte der Wettbewerb 2021 wieder durchgeführt werden. Für das Finale in Kriens hatten sich an den Regionalwettbewerben im März 366 junge Musikerinnen und Musiker qualifiziert. Sie spielten ohne Publikum vor einer Fachjury. Diese Einschränkung habe, wie der SJMW in seiner Medienmitteilung schreibt, die jungen Talente um eine entscheidende Erfahrung gebracht hat. Die Restriktionen des Lockdowns hingegen könnten bei den Teilnehmenden zu einer Konzentration auf das Instrument und damit zum hohen musikalischen Niveau dieses Jahres beigetragen haben, vermutet der SJMW.

Das Schlusskonzert wurde von SRF2 aufgenommen und wird zu einem späteren Zeitpunkt gesendet. Die Jurorinnen und Juroren vergaben 311 Preise. Die Resultate sind auf der SJMW-Website dokumentiert.

Debatte zur Schwyzer Kulturförderung

Eine Interpellation verlangt vom Schwyzer Regierungsrat, zu prüfen, ob projektbezogene kantonale Kulturförderung durch die finanzielle Förderung der Infrastruktur von Kultureinrichtungen ergänzt werden kann.

Der Regierungsrat sieht in seiner Antwort keinen Handlungsbedarf, von der bisherigen strategischen Ausrichtung (subjekt- statt objektbezogene Kulturförderung) abzuweichen. Angesichts des auch heute noch ausgeprägt dezentralen Kulturlebens mit zahlreichen Aktivitäten in den Gemeinden und Bezirken werde das Fehlen eines eigentlichen kantonalen Kulturzentrums nach wie vor kaum als Mangel empfunden. Gefragt seien vielmehr Veranstaltungs- und Kulturräume vor Ort, die den Bedürfnissen der Vereine und Kulturschaffenden entsprechen.

In einigen Gemeinden, die ein aktives Kulturleben als Standortvorteil erkennen, seien in den letzten Jahren solche Räume geschaffen worden oder stünden immer wieder in Form von Zwischennutzungen den Kulturschaffenden zur Verfügung. Die zusätzliche Möglichkeit, im Rahmen der Kulturförderung auch Infrastrukturkosten zu übernehmen, berge zudem die Gefahr einer Verzettelung der finanziellen Mittel.

Die ganze Interpellationsantwort:
https://www.sz.ch/public/upload/assets/53315/P_Kulturförderung.pdf

Nationalfonds bewilligt HKB-Projekte

Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) hat Beiträge in Höhe von rund 4 Millionen Franken für sechs neue Projekte der Hochschule der Künste Bern (HKB) bewilligt.

Beginn des Fluxus-Manifests von George Maciunas, 1963. Quelle: Wikimedia commons (s. unten)

Unterstützt werden:

«Luigi Cherubini und die Kompositionslehre am Pariser Conservatoire als umfassende Ausbildungspraxis (ca. 1810-1840)». Untersucht wird der damalige Musiktheorie- und Kompositionsunterricht und was davon für uns heute von Interesse sein könnte (Claudio Bacciagaluppi)
«Im Brennpunkt der Entwicklungen: Der Schweizerische Tonkünstlerverein 1975-2017». Wie hat sich der Diskurs um neue Musik entwickelt und welche Rolle spielten dabei die Frauen, die Improvisation oder das Fernsehen? (Thomas Gartmann)
«Schreiben mit Stimmen – zur Wechselwirkung symbolischer und technischer Kompositionspraktiken der Stimme in der zeitgenössischen Musik». Hier geht es um medienästhetische Überlegungen, künstlerische Experimente sowie das Fallbeispiel Hans Wüthrich. (Michael Harenberg)
«Activating Fluxus»: Wie lässt sich eine vergängliche Kunstform wie Fluxus wiederbeleben – künstlerisch, kunsthistorisch und konservatorisch? (Hanna B. Hölling)
«Ästhetiken des Im/Mobilen: Wie Tanz- und Theaterperformances reisen». Wie reist Theater und Tanz von und mit Menschen mit Behinderungen und wird verbreitet? Welche Potentiale der Zirkulation und Mobilität eröffnen sich für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Tanz und Theater? (Yvonne Schmidt)
«Collaborative aesthetics in global sound art»: Wie arbeiten Schweizer und südafrikanische Künstler*innen live und in Internet-Radios zusammen, welche postkolonialen Herausforderungen stellen sich dabei und was bedeutet dies für die Kulturdiplomatie? (Andi Schoon)

Zeitgemässe Melancholie

Die 53. Wittener Tage für neue Kammermusik brachten einige Beiträge aus der Schweiz.

Das hat schon was: Eine knarzend-metallene E-Gitarre passt gut zu Witten an der Ruhr – somit auch zum Ruhrgebiet, wo viel geschuftet wurde, wo die Maschinen einst heiss liefen, die Stahlproduktion gross geschrieben war. Der österreichische Komponist Klaus Lang schrieb die Klänge zu diesem audiovisuellen Stück namens nirgends.; Sabine Maier, eine Lichtkünstlerin, erdachte eine dezente Installation mithilfe alter Diaprojektoren, deren Lüftungen charmant in die Musik surren. Hier die verzerrten Gitarrenklänge, dort eine veraltete Projektionstechnik: Es klingt erstmal nach Nostalgie, nach einem Rückblick in schön analoge Zeiten. Aber es kommt anders: Dieses klanglich faszinierende nirgends. entfaltet zunehmend eine weniger harte, eher ganz weiche, ja geradezu besinnlich-zeitlose Atmosphäre.

Sabine Maier und Klaus Lang präsentieren ihr audiovisuelles Gemeinschaftswerk nicht auf der Bühne. Sie entwarfen eine «Corona-gerechte Filmversion» in einem Modell und spielten die schon aufgenommene Musik ein. Pandemiekonform, also ohne Publikum, ging es natürlich auch bei den Wittener Tagen zu. Zwölf Stunden Uraufführungsprogramm wurden in Paris, in Köln, Stuttgart oder eben Witten vorproduziert; an drei mehrstündigen Online-Abenden von Freitag bis Sonntag zeigen der Festivalleiter Harry Vogt und sein Team alles gebündelt. Anfang März hoffte Vogt noch auf den 53. Jahrgang mit Publikum, aber nach der ernüchternden Lockdown-Nachricht musste er vieles neu denken. Schwer machbar erwies sich dabei eine Radio-Präsentation von Installationen im Wittener Schwesternpark, der Anfang des 20. Jahrhunderts als naturnaher Erholungsort diente für Diakonissinnen des benachbarten Evangelischen Krankenhauses.

Natur ade

Der Schweizer Komponist und Klangkünstler Mauro Hertig lässt sich vom Park inspirieren. Vielleicht dachte er, dass es in der Musikgeschichte schon genug Tod und Verderben gebe, bei Don Carlo Gesualdo angefangen über Johann Sebastian Bach bis hin zum Requiem György Ligetis. Hertig fängt also in Mum Hum nicht am Lebensende, sondern quasi bei null an, genauer: mit der Vorstellung, welchen Klangwelten ein Fötus im Mutterbauch ausgesetzt sein könnte. Allerhand verbale und instrumentale Laute sind in der Online-Radiofassung zu hören. Offenbar leider nicht in der Form, wie es vor Ort im Schwesternpark gedacht war: mit Schnurtelefonen. Diese hätten den Charakter des Höhen-beschnittenen Blubberns oder Glucksens deutlicher hervortreten lassen. So bleibt es bei «HiFi statt LoFi» – gibt aber trotzdem Einblick in die inspirierte Werkstatt des 1989 geborenen Hertig, der an der Zürcher Hochschule der Künste studierte.

Auch Daniel Ott hatte sich bei Schwesternpark Fragmente (2021) ein schönes Environment vorgestellt. Hier eine mobile Steeldrum, dort eine wandernde Trompete, dazu in den Bäumen versteckte Lautsprecher mit Chorgesängen – die durchdachte Auseinandersetzung mit der Landschaftsarchitektur des englischen Gartens klingt vielversprechend. Aber auch hier beschneidet die reine Audiofassung Wesentliches: Das freie Sinnieren im Wittener Schwesternpark, die Entfaltung der Klänge im Raum, auch das Erleben von Otts klanglichen Perspektivenwechseln durch die Bewegung der Interpreten kommt fast schmerzhaft zu kurz. Naturnahe, zumal noch ortsbezogene Installationen entziehen sich einfach einer Radiopräsentation, sie mag noch so gut gemeint und gemacht sein. Sie schmeckt einfach schal.

Besser gelingt die Online-Darstellung der Wittener Konzerte. Im Rahmen des schon traditionellen Porträt-Schwerpunkts zeigt der französische Komponist und Interpret Brice Pauset sein beeindruckendes Können. Auf einem hundert Jahre alten Hammerklavier spielt er mit ungeheurer Klangsensibilität Ausschnitte aus seiner neuen Werkreihe Minutes für Klavier. Historische Rückblicke kommen oft vor in diesem 53. Jahrgang der Wittener Tage für neue Kammermusik, auch beim 1978 in Rapperswil geborenen Michael Pelzel, der als Organist in Stäfa am Zürichsee aktiv ist. Pelzel erinnert sich an seine Jugendzeit, als er viel Pink Floyd hörte, vor allem das Album Dark side of the moon. Flächig-monochrom, dabei sehr dicht und konzentriert klingt es in seinem Ensemblestück Dark side of Telesto. Der Einsatz vieler Gongs verleiht dem Werk etwas Schwebendes, auch eine unüberhörbar melancholische Note. An eine musikalische Antwort auf aktuelle Corona-Lagen hat Pelzel vielleicht nicht gedacht. Zeitgemäss wirkt das dunkle Werk aber schon.

Links zu neo.mx3

Mauro Hertig

Daniel Ott

Michael Pelzel

Chöre verlieren Mitglieder

Rückläufige Mitgliederzahlen, finanzielle Sorgen und Nachwuchsprobleme: Bereits nach einem Jahr in der Pandemie zeigt sich, dass die Chorlandschaft im deutschsprachigen Raum erheblichen Schaden durch die Rahmenbedingungen von Corona genommen hat.

Foto: S. Hofschlaeger/pixelio.de (s. unten)

Die Studie «Chormusik in Coronazeiten» (ChoCo) dokumentiert erstmals die kritische Lage in diesem Bereich bezogen auf alle wesentlichen Aspekte von Chorarbeit. Die Zahl der aktiven Sängerinnen und Sänger bei den befragten Chören ist laut Studienleiterin Kathrin Schlemmer während der Pandemie deutlich rückläufig. Nur weniger als ein Drittel konnte die ursprüngliche Mitgliederzahl beibehalten. Besonders ausgeprägt ist der Verlust bei den über 580 befragten Nachwuchschören. Von diesen existiert de facto fast jeder achte Kinder- und Jugendchor nicht mehr.

Fast 60 Prozent aller befragten Ensembles erwarten, dass sie auch in der Zeit nach der Pandemie nicht mehr in früherer Besetzungsstärke weiterarbeiten werden. 15 Prozent fürchten sogar einen deutlichen Rückgang des Interesses von Sängerinnen und Sängern durch die lange Zwangspause.

Binnen kurzer Zeit haben sich über 4300 Chöre in Deutschland, Österreich und der Schweiz an der Online-Befragung der KU beteiligt. Erste Ergebnisse der Online-Befragung von Chören hat das Projektteam nun in der aktuellen Ausgabe der „neuen musikzeitung“ (nmz) veröffentlicht.

Link zur Studie in PDF-Format:
https://service.conbrio.de/service/wp-content/uploads/2021/04/ChoCo-Studie_NMZ_final.pdf
 

Schoenrock folgt in Bern auf Brockhaus

Der MAS Popular Music der Berner Hochschule der Künste (HKB) steht unter neuer Leitung: Andreas Schoenrock folgt auf Immanuel Brockhaus.

Andreas Schoenrock (Bild: zVg)

Andreas Schoenrock ist Toningenieur, Musikwissenschaftler und Musikberater für Marken. Vor diesem Hintergrund wird er laut der Mitteilung der HKB neue Schwerpunkte im Studiengang setzen: Der Fokus liegt zukünftig unter anderem auf einem weiten Begriff von populärer Musik, auf Popular Music Studies, auf Music Business/Musik und Marke. Andreas Schoenrock wird aus seinem breiten Netzwerk vermehrt internationale Gäste zu diesen Themen in den Studiengang als Dozierende einladen.

Der MAS Popular Music der HKB bietet berufsbegleitende Professionalisierung in populärer Musik und Popkultur an. Das Studium verknüpft musikalische Praxis mit musiktheoretischem Know-how und vermittelt Audio-, Produktions- und Music Business-Kenntnisse.

Ehrendoktorwürde für Harald Strebel

Namentlich für seine Klarinetten- und Mozart-Forschungen wurde der Schweizer Musiker und Musikwissenschaftler Harald Strebel in München mit dem Ehrendoktorat gewürdigt. Der Titel «Dr. phil. h. c.» wurde ihm gemeinsam von der Hochschule für Musik und Theater München und der Ludwig-Maximilians-Universität München verliehen.

Bernd Redmann, Irene Holzer, Harald Strebel, Friedrich Geiger (v.l.). Foto: zVg,SMPV

Wie die Hochschule für Musik und Theater München (HMTM) schreibt, wurde Harald Strebel am 24. April 2021 die Ehrendoktorwürde verliehen «in Würdigung seiner aussergewöhnlichen wissenschaftlichen Leistungen in der Musikwissenschaft, insbesondere seiner Arbeiten zu Werk und Leben von Wolfgang Amadé Mozart sowie zu organologischen Fragen der Klarinetteninstrumente». Die Urkunde wurde ihm im Rahmen des musikwissenschaftlichen Symposiums Historische Blasinstrumente: Bau – Spiel – Klang – Sinn von Bernd Redmann, Präsident der HMTM überreicht; Laudatorin war Irene Holzer, Professorin für Musikwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Der 1942 geborene Harald Strebel studierte Musik in Winterthur und Zürich. Seine jahrelange Lehrtätigkeit in der Schweiz und im Ausland ergänzte er mit einer intensiven internationalen Konzertpraxis als Klarinettist in vielen namhaften Orchestern und Kammermusikformationen. Zunehmend wichtig wurde für ihn seine Arbeit als Musikforscher. Besonders intensiv beschäftigte er sich mit Mozart und der Wiener Klassik. Die HMTM hält dazu fest: «Dank seiner langjährigen Erfahrungen als ausübender Musiker zeichnen sich Harald Strebels Arbeiten nicht nur durch einen hohen wissenschaftlichen Standard und ein tiefes geschichtlich-musikalisches Verständnis aus, sondern auch durch seine exzellenten Kenntnisse des historischen Instrumentariums.» Neben wissenschaftlichen Studien ist besonders auf einige seiner Bücher hinzuweisen: Der Freimaurer Wolfgang Amadé Mozart, Stäfa: Rothenhäusler, 1991; Mozarts Schwägerin Aloysia Lange, Zürich: Hug, 2003; oder, als zentrales Werk, die dreibändige Arbeit Anton Stadler. Wirken und Lebensumfeld des Mozart-Klarinettisten, Wien: Hollitzer, 2016 und 2020.

In der Schweizer Musikzeitung hat Harald Strebel zwei Artikel publiziert, die hier durch Klicken auf die Titel heruntergeladen werden können:

«…viell zu geschwind». Bemerkungen zur Temponahme und zum Rubatospiel bei Mozart. In: Schweizer Musikzeitung, Nr. 7/8, Juli/Aug. 1999, 2. Jg., S. 9-10.

Historisches, nachgebautes oder «modernes» Instrumentarium? Gedanken zur Aufführungspraxis der Musik Mozarts und seiner Zeitgenossen. In: Schweizer Musikzeitung, Nr. 2, 2/2007, 10. Jg., S. 7-8.
 

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