Flutkatastrophe trifft Musikleben hart

Von der Flutkatastrophe im Juli 2021 wurde auch das Musikleben in einigen deutschen Bundesländern stark getroffen: So wurden etwa Notenarchive, Instrumentenbestände sowie Proben- und Veranstaltungsräume beispielsweise von Musikschulen und -vereinen beschädigt oder zerstört.

Aufräumen nach dem Hochwasser in Rheinbach/DE. Foto: Raimond Spekking (s. unten)

Die Landesmusikräte und weitere Organisationen des Musiklebens reagierten laut dem Deutschen Musikrat mit grossem Engagement, um das von Flutschäden betroffene Musikleben zu unterstützen.

Der Landesmusikrat Rheinland-Pfalz rief mit «Musik hilft Musik» zum Beispiel zu einer landesweiten Sammelaktion für musiktreibende Flutopfer auf, der Landesmusikrat Nordrhein-Westfalen warb um Spenden und der Sächsische Musikrat gab Einnahmen eines Benefizkonzerts an musikalische Initiativen und Vereine weiter, die von der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz betroffen sind. Der Deutsche Musikrat unterstützt diese Initiativen.

Mehr Informationen und ein Spendenaufruf:
https://www.musikrat.de/aktuelles/detailseite/solidaritaet-mit-dem-musikleben-in-den-flutgebieten

 

Nachweis Foto (geschnitten): Raimond Spekking / wikimedia commons CC BY-SA 4.0

Grossbritannien erleichtert Konzertreisen

Die britische Regierung ermöglicht Musikerinnen und Musikern Konzertreisen in europäische Länder ohne Visum. Für die Schweiz gelten andere Regeln.

Foto: Elena Mozhvilo / unsplash.com (s. unten)

Die britische Regierung hat laut ihrer offiziellen Mitteilung mit jedem EU-Mitgliedstaat die Schwierigkeiten für die Vertreter der Kreativ- und Kulturindustrie erörtert, die nach dem Brexit für geplante Reisen auf das Festland verbunden sind. 19 Mitgliedstaaten haben zugesichert, dass britische Musiker und Interpreten für kurzfristige Tourneen kein Visum oder keine Arbeitserlaubnis benötigen.

Die Länder sind: Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Slowakei, Slowenien, Schweden, Tschechische Republik und Ungarn. Im Gespräch ist Grossbritannien überdies mit Spanien, Kroatien, Griechenland, Portugal, Bulgarien, Rumänien, Malta und Zypern.

Originalmitteilung (in Englisch):
https://www.gov.uk/government/news/visa-free-short-term-touring-allowed-in-19-member-states

In der Schweiz können Britinnen und Briten gestützt auf ein befristetes Abkommen über die Mobilität von Dienstleistungserbringern ohne Visum während maximal 90 Tagen pro Kalenderjahr auftreten.

Bussgelder gegen Instrumentenhändler

Das deutsche Bundeskartellamt hat Geldbussen gegen drei Hersteller und zwei Händler von Musikinstrumenten sowie gegen verantwortlich handelnde Mitarbeiter in Höhe von insgesamt rund 21 Millionen Euro verhängt. Den Herstellern und Händlern wird vertikale Preisbindung vorgeworfen.

Bundeskartellamt in Bonn. © Bundeskartellamt

Bei den Herstellern (beziehungsweise deren Vertriebsgesellschaften) handelt es sich laut der Medienmitteilung des Amtes um die Yamaha Music Europe GmbH, Rellingen, die Roland Germany GmbH, Rüsselsheim und die Fender Musical Instruments GmbH, Düsseldorf. Die Händler sind die Thomann GmbH, Burgebrach und die Music store professional GmbH, Köln. Eingeleitet wurde das Verfahren nach Hinweisen aus dem Markt mit einer Durchsuchung im April 2018.

Zwischen Herstellern und Händlern bestand das Einvernehmen, die Mindestpreis-Vorgaben der Hersteller umzusetzen. Bei Unterschreiten der Mindestverkaufspreise kontaktierten die verantwortlich handelnden Mitarbeiter von Yamaha, Roland und Fender mehrfach Thomann und Music Store und forderten diese Händler auf, ihre Verkaufspreise anzupassen, was in vielen Fällen auch geschah. Yamaha und Roland setzten zur Überwachung der Endverbraucherpreise teilweise auch Price-Tracking-Software ein.

Originalartikel:
https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2021/05_08_2021_Musikinstrumente.html?nn=3591568

Bisher 108 neue Chormusikwerke

Der erste Teil des Internationalen Kompositionswettbewerbs für neue Chormusik (Frauen- und Männerchöre) erfuhr grosse Resonanz. Nun ist auch die Ausschreibung für Kinderchöre online.

Jan Schumacher, Mitglied der SGNM-Jury. Foto: Uwe Dettmar,SMPV

Unter der Schirmherrschaft der ISCM (International Society for Comtemporary Music), welche im kommenden Jahr 100-jährig wird, hat die Schweizer Sektion zusammen mit drei weiteren Sektionen einen internationalen Kompositionswettbewerb für zeitgenössische Chormusik lanciert, um neue Impulse für die in Corona-Zeiten stark leidende Chorszene zu setzen.

Die Schweizer ISCM-Sektion (Schweizerische Gesellschaft für Neue Musik SGNM) deckt hierbei die Kategorie gleiche Stimmen (Damen- und Herrenchor) ab. Die Eingabefrist war Ende Juni; die Resonanz ausserordentlich gross: Eingegangen sind insgesamt 108 Kompositionen von 78 Komponistinnen und Komponisten aus aller Welt. Der Entscheid – neben David Rossel und Javier Hagen von der SGNM waltet auch Jan Schumacher, Vizepräsident der International Federation for Choral Music IFCM, in der Jury – wird im September erwartet. Die prämierten Werke der SGNM werden von den Männerstimmen Basel unter der Leitung von Eric Whitacre im Stadtcasino in Basel und vom Jugendchor Zürich unter der Leitung von Marco Amherd in Andelfingen uraufgeführt.

Wie angekündigt wird der Wettbewerb in drei weiteren Kategorien weitergeführt: Kinderchöre und gemischte Chöre getrennt nach Laien und Profis. Während die Ausschreibungen der Baskischen und Estnischen Sektionen später im Jahr lanciert werden, ist die Ausschreibung der Lettischen Sektion soeben online gegangen: Bis zum 10. Januar 2022 können Werke für Kinderchöre eingereicht werden. Die prämierten Werke werden dann vom Riga Cathedral Girls’ Choir Tiara, einem der besten Mädchenchöre Europas, unter der Leitung von Aira Birziņa in den Studios des Lettischen Radios uraufgeführt und aufgezeichnet.

Das Wettbewerbsreglement ist unter folgendem Link zu finden:
http://iscm-switzerland.ch/PDF/ISCM_Latvia_Choir_Competition_2021.pdf

Musikalisches Tagescamp im Aargau

Während einer Sommerferienwoche musizierten, komponierten und malten junge Menschen aus der Region in der reformierten Kirche Seon. Organisation und Leitung lagen bei Fränzi Frick.

Abschlusskonzert am 24. Juli. Foto: Urs Frick

Im Aargau sind musikalische Förderprojekte besonders wichtig, denn im Mittelland gibt es keine Musikhochschule. Eine bedeutende Rolle spielt hierbei das Künstlerhaus Boswil mit seinen beiden Jugendorchestern und vielfältigen Kursangeboten, während das Orchester Argovia Philharmonic in Zusammenarbeit mit den Schulen Wertvolles leistet.

Neuerdings entfaltet sich in Seon eine hochkarätige und engagierte Initiative: Die Veranstalter der Konzertreihe Seetal Classics, die 2020/21 lanciert wurde, haben nun auch eine erste musikalische Sommerakademie für Jugendliche durchgeführt. Die reformierte Kirchgemeinde Seon macht das alles möglich: Konzerte und Akademie finden in der akustisch hervorragenden Kirche statt, in welcher einst der vor einigen Jahren verstorbene Pfarrer Martin Fiedler regelmässig Soloabende organisiert hatte.

Auf diese kirchliche Klassik-Tradition kann nun der Verein Seetal Classics bauen. Der aus dem Aargau stammende künstlerische Leiter Benjamin Nyffenegger, Solocellist im Tonhalleorchester Zürich, ist selber ein engagierter Kammermusiker. Präsidiert wird der Vorstand von Andres Joho, einem umtriebigen Musiker und Organisten in Seon. Der Start der neuen Konzertreihe ging einher mit dem Amtsantritt des musikinteressierten Pfarrers Jürgen Will; die enge Zusammenarbeit von Kirche und Konzertveranstalter geht also weiter.

«Ein so vielfältiges Programm»

Vom 18. bis 25. Juli trafen sich 32 musikbegeisterte Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 20 Jahren aus der Region, aber auch aus Zürich und der weiteren Umgebung, um gemeinsam zu musizieren, zu komponieren, zu malen, um Musiktheorie und sogar Musikgeschichte spielerisch zu lernen. «Ich habe schon einige Jugendmusiklager mitgestaltet», erzählt die Dozentin Kateryna Timokhina, die in Winterthur das Swiss Violin Studio leitet. «Aber ein so vielfältiges Programm habe ich noch nie erlebt: mit Quiz zur Musikgeschichte, Einzelstunden, Duo- und Ensemblespiel. Die Kinder komponieren selber und malen zu Musik, die sie sich gemeinsam anhören. Und trotz dieses dichten Programms sind alle konzentriert dabei, es macht ihnen einfach Spass.»

Im Unterschied zu anderen Musiklagern ist Seon ein Tagescamp, die Unterkunft ist Privatsache, die Kinder aus der Region gehen nach Hause, andere von weiter her haben im Dorf eine Unterkunft erhalten. Eröffnet wurde die Akademie mit einem Konzert der Lehrpersonen: den beiden Geigerinnen Fränzi Frick und Kateryna Timokhina, der Bratschistin Anna Brugger, dem Cellisten Daniel Schärer und der Komponistin Stephanie Haensler.

«Merkt ihr das?»

Ein Probenbesuch am Freitag bestätigt die konzentrierte Arbeit im Kinderorchester. Der üppige Klang von Carl Maria von Webers Jägerchor entfaltet sich in der Kirche, das Ensemble hat das Stück die ganze Woche geprobt. Fränzi Frick führt die kleine Schar von Streichern auf ihrer Geige mitspielend, und das mit engagiertem Körpereinsatz: «Spielt diese Stelle, als würdet ihr sagen ‹Nei! Nei! Nei!› – alle zusammen: Nei!-Nei!-Nei! – ja genau so!» Dann wendet sie sich dem Jungen am Kinder-Kontrabass zu: «Du bist der Traktor, du musst das Orchester ziehen.»

An den hintersten Pulten sitzen zwei Siebenjährige, ein Mädchen und ein Bub. Wie die beiden mitstreichen und immer wissen, wo sie wieder einsetzen müssen, das ist schon beachtlich. Um elf Uhr ist das Ensemble der Älteren dran, sie swingen in die Valse Tzigane von Filippo Marchetti hinein. «Wir sitzen alle gross und stolz da», ruft Fränz Frick in die Runde, die Haltung der Jugendlichen spannt sich spürbar. «Merkt ihr das? Alle Aufstriche sind zu langsam, versuchen wir es nochmals.»

«Insektenkampf im wilden Gras»

In einem Nebenraum ist Komponieren angesagt, Stephanie Haensler leitet die Gruppe. Es ist Freitag und damit der letzte Kurs in dieser Woche. Die Jugendlichen stellen die Stücke vor, die sie zu zweit oder zu dritt geschrieben haben. Zwei Knaben sind an der Reihe, mit Violoncello und Violine: «Unser Stück heisst Im Wald, wir wollten ein Gruselstück machen» – und schon spielen sie ein dunkles, sich allmählich vortastendes Duo.

Dann treten drei Mädchen mit ihren Violinen vor, die eine Postkarte vertont haben: Insektenkampf im wilden Gras, entsprechend «wild» spielen sie das Stück. Zwei andere Mädchen, wiederum mit Violoncello und Violine, erklären der kleinen Zuhörerschar, dass sie für ihr Stück einfach drauflosgearbeitet hätten, der Name Luminoso sei ihnen erst am Schluss dazu eingefallen. Es ist ein überraschend durchdachtes, inniges Duo geworden.

«Es hat mir gefallen»

Am Samstag standen die Abschlusskonzerte an, zuerst dasjenige der Kinder, dann der Auftritt der Jugendlichen. Besonders wertvoll für die musikbegeisterten Jugendlichen ist das Förderkonzert am 23. Oktober. Hier können ausgewählte Solisten und Ensembles der Akademie öffentlich auftreten, wiederum in der reformierten Kirche Seon natürlich – eine tolle Chance in diesem Alter.

Wie hat den Jugendlichen diese anstrengende Woche gefallen? «Ich komme aus Zürich», erzählt ein Bub, «und es hat mir gefallen, ich würde bei einer nächsten Akademie gerne wieder mitmachen.» Ein anderer meint: «Ich bin mit meinem Kollegen hier, wir spielen im Duo, das macht Spass.» Und ein kleines Mädchen erzählt, ihre Mutter habe von dieser Akademie gehört und sie gefragt, ob sie mitmachen möchte. «Ich durfte selber entscheiden», sagt sie stolz, «ich wollte hin.»

Und welche Bilanz zieht Fränz Frick? «Die grosse Nachfrage hat uns überrascht, über dreissig Kinder haben sich gemeldet. Es war eine beglückende Woche, all diese ‹musikhungrigen› Kinder, ihre Neugierde, ihre Konzentration und ihre Freude am Mitmachen. Es wurden Freundschaften geknüpft, und die Teenager haben sich rührend um die Kleinen gekümmert.» Die begeistert-engagierte Geigerin will weitermachen: Die nächste Sommerakademie im Seetal kommt bestimmt.

Dramatische Rückgänge bei Aufführungen

Die Werkstatistik des Deutschen Bühnenvereins der Saison 2019/2020 versammelt die Aufführungs- und Zuschauerzahlen der ersten von der Corona-Pandemie betroffenen Spielzeit. Das professionelle Theaterschaffen in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist nach dem ersten Lockdown im März 2020 bis zum Rest der Saison überwiegend zum Erliegen gekommen.

«Hänsel und Gretel» wurde in der Spielzeit 2019/2020 am häufigsten inszeniert. Fotonachweis: s. unten

Insgesamt haben 410 Theater in Deutschland, Österreich und der Schweiz ihre Daten gemeldet, davon 353 aus Deutschland. Da die meisten Festspiele ausgefallen sind, konnten deutlich weniger Institutionen ihr Programm einreichen, im Jahr davor meldeten 386 deutsche Bühnen ihre Daten. Um rund 13 Prozent gesunken ist die Zahl der gespielten Werke in Deutschland (von 4749 auf 4166), um rund 14 Prozent die Zahl der Inszenierungen (von 7152 auf 6220). Dramatischer sind die Rückgänge bei den Aufführungen in Deutschland: Die Verringerung von 82’052 auf 56’122 Aufführungen bedeutet einen Rückgang um rund 33 Prozent gegenüber der Vorsaison.

Bei den meistgespielten Werken hat sich in der Reihenfolge wenig geändert: Die höchsten Inszenierungszahlen in Deutschland hat «Hänsel und Gretel» (27 Inszenierungen) vor Goethes «Faust» (22 Inszenierungen) und Mozarts «Don Giovanni» sowie «Die Zauberflöte» (jeweils 20 Inszenierungen), gefolgt von «La Bohème», «Nathan der Weise» und «Hamlet» (jeweils 18 Inszenierungen) sowie der Romanbearbeitung «Tschick» (16 Inszenierungen).

Originalartikel:
https://www.buehnenverein.de/de/presse/pressemeldungen.html?det=615
 

Gstaad – Zürich – Dresden

Daniel Hope leitet seit fünf Jahren das Zürcher Kammerorchester, ist beim Menuhin-Festival zu Hause und stellt seine Konzerte in der Frauenkirche in den Dienst des Dialogs.

Foto: Harald Hoffmann

Georg Rudiger: Letztes Jahr wurde das Menuhin-Festival in Gstaad abgesagt. Nun haben Sie am 16. Juli als diesjähriger «Artist in Residence» in der gut besetzten Kirche Saanen das Eröffnungskonzert gespielt. Wie war das für Sie?
Daniel Hope: Wunderschön. Die Kirche Saanen ist für mich ein sehr besonderer Ort, weil ich hier als Kind meine ersten Konzerte gehört habe mit Yehudi Menuhin, mit dem Züricher Kammerorchester und vielen anderen. Hier bin ich zu Hause. Nach dieser langen Zwangspause gemeinsam mit meinen Freunden an diesem Ort musizieren zu dürfen, berührt mich sehr. Der ganze Tag war für mich emotional. Heute Morgen fand hier noch die Trauerfeier für den verstorbenen Verwaltungsratspräsidenten und Mitbegründer des Festivals Leonz Blunschi statt, auf der ich auch gespielt habe.

Wie hat das Menuhin-Festival Ihre Musikbegeisterung beeinflusst?
Die Fülle an Talent und Inspiration, die von Yehudi Menuhin und seinen Freunden ausging, ist unvorstellbar. Es gab die Camerata Lysy des grossen argentinischen Geigers Alberto Lysy, aber auch Grössen wir Stéphane Grappelli, Mstislaw Rostropowitsch oder Ravi Shankar gingen ein und aus. Alle haben hier in dieser Kirche gespielt. Das hat mein Leben mit Musik infiziert.

Was macht für Sie das Festival in seiner heutigen Form aus?
Es ist viel grösser und viel breiter aufgestellt als früher – da hat Intendant Christoph Müller mit seiner visionären Kraft hervorragende Arbeit geleistet. Für mich sind aber nach wie vor die intimen Kammermusikkonzerte in den Kirchen im Saanenland das Herzstück des Festivals – und nicht die grossen Orchesterkonzerte im Festivalzelt.

Bei der Programmgestaltung Ihrer drei Konzerte hatten Sie freie Wahl. Die Werke sollten nur mit dem Festivalmotto «London» zu tun haben. Sie haben sich für Programme entschieden, bei denen auch der Gesang wichtig ist.
Ich versuche in meinen Konzerten immer, eine Geschichte zu erzählen und nach Verbindungen zwischen den Stücken zu suchen. Heute Abend war Edward Elgar die thematische Klammer, dessen Violinkonzert der 16-jährige Yehudi Menuhin im Jahr 1932 als Einspringer für Fritz Kreisler gespielt hat. Im nächsten Konzert mit dem Leipziger Vokalensemble Amarcord machen wir eine Zeitreise durch 500 Jahre englische Musik, von William Byrd und Thomas Tallis bis zur Musik von heute. Und beim Konzert mit meinem Freund Thomas Hampson wird englische Volksmusik eine besondere Rolle spielen.

Seit 2016 sind Sie der musikalische Leiter des Züricher Kammerorchesters (ZKO), das auch häufig in Gstaad zu Gast war. Was macht das Orchester aus?
Es ist ein Meisterensemble – jede und jeder Einzelne strahlt eine enorme Leidenschaft für die Musik aus, aber zusammen sind wir am stärksten. Wir machen Kammermusik auf grosser Bühne. Das ist das erste Orchester, das ich in meinem Leben gehört habe. Ich habe nie zu träumen gewagt, es viele Jahrzehnte später leiten zu dürfen.

Die neue Saison steht unter dem Motto «Metamorphose». Wie wird sich das Orchester verwandeln?
Wir haben wohl alle in der letzten Zeit eine Verwandlung durchgemacht. Es war mir wichtig, einzelne Musikerinnen und Musiker des Orchesters zu präsentieren, weil sie alle etwas zu sagen haben – deshalb gibt es viele Doppelkonzerte oder Concerti grossi. Und wir wenden uns Amerika zu, das sich während der letzten zwölf Monate ebenfalls stark gewandelt hat; mit diesem Programm haben wir auch soeben ein Album eingespielt (Anm. d. Red. erscheint bei Deutsche Grammophon). Mit unserem neuen fünftägigen Festival (Anm. d. Red. «Fantasien», 24. bis 28. Juni 2022) werden wir noch stärker in der Stadt präsent sein.

Wie Yehudi Menuhin haben Sie keine Berührungsängste mit anderen Musikstilen. Das ZKO gibt auch zwei Konzerte mit dem Schweizer Popmusiker Marc Sway und spielt Filmmusik. Gibt es Stimmen im Orchester, die Crossover-Projekte kritisch sehen?
Solange die Projekte mit grosser Sorgfalt ausgesucht werden, ist das Orchester gerne dabei. Wir hatten jetzt mit Till Brönner einen grossartigen Jazztrompeter zu Gast, mit dem wir mehrere Auftragskompositionen uraufführten. Im März 2022 werden wir Moby Dick in einem inszenierten Konzert mit Projektion und Tanz auf die Bühne bringen. Die Musik dazu hat Caroline Shaw geschrieben.

Mit dem ZKO spielen Sie auch regelmässig in der Dresdner Frauenkirche, wo Sie seit drei Jahren als künstlerischer Leiter ebenfalls die Konzerte programmieren. Welche Vorgaben haben Sie dort?
Ich bin zuständig für alle klassischen Konzerte in der Kirche. Die Kirchenmusik betreut unser Kantor. Gleich in meinem ersten Jahr habe ich eine Konzertreihe in der Unterkirche für junge Künstlerinnen und Künstler kreiert, die sehr gut angekommen ist. In der grossen Kirche gibt es rund 30 oder 35 Konzerte pro Jahr, die ich programmiere.

Welche Rolle spielt dabei dieser spezifische Ort?
Es ist kein normaler Konzertort – das ist mir sehr wichtig. Die Frauenkirche steht allen Religionen offen. Hier wird immer der Dialog, der Diskurs gesucht. Es gibt sehr viele Treffen von Denkern, Schriftstellern, Philosophen, Menschenrechtsaktivisten. Die Frauenkirche ist ein Ort des Austauschs, des Nachdenkens und der Versöhnung, gerade zwischen England und Deutschland, zwischen Coventry und Dresden, deren Kirchen im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Die klassische Musik ist Teil dieses Prozesses. Sie öffnet die Seele der Menschen.

Bauarbeiten am Konzerthaus Schüür

Nach fast 30 Jahren Betrieb wird das Luzerner Konzerthaus Schüür saniert und erweitert. An die Nord- und Ostfassade wird ein zweigeschossiger Neubau angebaut. Für die Sanierung und Erweiterung hat der Grosse Stadtrat einen Sonderkredit von 4,12 Millionen Franken gutgeheissen.

Foto: zVg

Das Konzerthaus Schüür wurde 1992 vor der Realisierung des Kultur- und Kongresszentrums Luzern eröffnet. In den letzten knapp 30 Jahren hat sich die Schüür als führendes Haus in den Sparten Rock und Pop in der Region zu einer Plattform für regionale, nationale und internationale Künstlerinnen und Künstler etabliert.

Am Gebäude wurden seit 1992 allerdings nur kleinere Umbauten und Reparaturen vorgenommen. Trotz regelmässigem Unterhalt sind nun Sanierungsarbeiten nötig. Gleichzeitig braucht es eine Erweiterung. Ein zweigeschossiger Neubau soll alle Raumerweiterungen zusammenfassen. Dieser wird an die Nord- und Ostfassade des Konzerthauses angebaut.

Die Konzerträume im Erdgeschoss und im Obergeschoss sollen räumlich und akustisch getrennt werden, damit in den beiden Räumen unabhängig Veranstaltungen stattfinden können. Zudem ist es aus betrieblicher Sicht wichtig, die Platzverhältnisse für Künstlerinnen und Künstler, Mitarbeitende sowie Gäste im Gebäudeinnern und im Aussenraum zu verbessern.

Originalartikel:
https://www.stadtluzern.ch/aktuelles/newslist/1312732

Studierende der Schola Cantorum erfolgreich

Bei der dritten Ausgabe des Concorso Internazionale di Clavicembalo città di Milano gewinnen drei Studierende der Schola Cantorum Basiliensis FHNW die ersten drei Preise.

Die drei Preisträger (Bild: Alberto Panzani)

Der erste  Preis geht an Irene Roldan Gonzalez, der zweite an Dmytro Kokoshynskyy und der dritte an Louise Acabo.

Der vom Mailänder Kulturverein La Cappella Musicale organisierte Wettbewerb entstand laut Eigendefinition aus dem Wunsch, «junge Musiker zu entdecken, zu fördern und zu unterstützen, damit sie ihre eigene künstlerische Karriere beginnen können». Ziel des Wettbewerbs ist die Förderung junger Talente und die Verbreitung des alten musikalischen Erbes.

Der Vorauswahljury besteht aus Maurizio Croci, Céline Frisch und Lorenzo Ghielmi. Sie ermitteln die 12 Halbfinalisten. Die Final-Jury besteht aus Enrico Baiano, Maurizio Croci, Céline Frisch, Christophe Rousset und Menno van Delft.

 

Weitere Walliser Kultur-Hilfsmassnahmen

Der Walliser Staatsrat stellt weitere 10,8 Millionen Franken zur Unterstützung des Kultursektors bereit. Ausserdem sind spezifische kantonale Massnahmen in der Höhe von 2,3 Millionen Franken für die Gesangs- und Musikgesellschaften vorgesehen.

Symbolbild: Neil Thomas/unsplash.com

Aufgrund der Gesundheitslage Anfang 2021 war es den Gesangsvereinen und Musikensembles verboten, sich unter normalen Umständen zu versammeln und zu proben. Seit dem 31. Mai sind Auftritte wieder möglich. Der Entschädigungszeitraum hat sich im Anschluss der zu Jahresbeginn getroffenen Massnahmen verlängert. Deswegen hat der Walliser Staatsrat beschlossen, diese beiden Bereiche mit weiteren 2,3 Millionen Franken zu unterstützen, um so die Periode vom 1. Januar bis 31. Mai 2021 abzudecken.

Anträge für diese Beihilfe müssen bis Ende September bei der Dienststelle für Kultur eingereicht werden. Die entsprechenden Entscheide werden voraussichtlich Anfang November 2021 gefällt. Darüber hinaus hat der Staatsrat beschlossen, die zusätzliche Unterstützung von 20 Prozent, die nicht durch die Covid-19-Kulturverordnung entschädigt wird, zu verlängern. Damit ist eine einhundertprozentige Deckung für entschädigungsberechtigte Kulturunternehmen gewährleistet.

Seit Beginn der Pandemie haben der Bund und der Kanton Wallis verschiedene Massnahmenpakete zur Unterstützung des Kulturbereichs umgesetzt. Im März 2020 wurde ein Hilfspaket von 18,4 Millionen Franken beschlossen, das Bund und Kanton paritätisch finanzieren. Im März 2021 wurden weitere 10,4 Millionen Franken zugunsten des Kultursektors bereitgestellt, wovon 5,1 Millionen Franken zu Lasten des Kantons gehen.

Mehr Infos:
https://www.vs.ch/de/web/communication/detail?groupId=529400&articleId=12470269

Urbanisierung und Kulturförderung in der Schweiz

Ständerat Hans Stöckli hat am 19. Juni 2019 das Postulat «Der Einfluss der Urbanisierung in der Schweiz auf die Kulturförderung» eingereicht. Als Antwort darauf hat das Bundesamt für Kultur am 27. Juli 2021 eine Studie veröffentlicht.

Titelbild der Schweizer Musikzeitung 1_2_2020. Grafik: Hubert Neidhart

Im Zentrum der Studie steht die Frage, «welchen Beitrag die Kulturförderung leisten kann, um den Austausch zwischen den unterschiedlichen Funktionalräumen – insbesondere zwischen dem städtischen und ländlichen Raum – zu verbessern und dabei die kulturelle Vielfalt zu bewahren.»

Die Studie wurde vom Dübendorfer Büro Brägger erstellt. Onlinebefragungen und Telefoninterviews kantonaler Kulturbeauftragter wurden ergänzt mit Dokumentenanalysen und Onlinebefragungen ausgewählter Städte und Gemeinden.

Als Schlussfazit hält die Studie fest, «dass die Urbanisierung zu neuen Realitäten und Herausforderungen für die Kulturförderung führte. Damit wurden aber auch vielfältige Entwicklungen ausgelöst, die letztlich die Kulturvielfalt fördern und auch die verschiedenen Räume (städtischer und ländlicher Raum, Funktionalräume), die Kultursparten, die Kulturschaffenden, die kantonalen und kommunalen Verwaltungen und letztlich vermutlich auch die verschiedenen Bevölkerungsgruppen einander näher brachten.»

Die Studie ist auf der Website des Bundesamtes für Kultur aufgeschaltet.
 

Deutschland fördert vermehrt Popmusik

Mit einer neuen Akademie und einem Preis für Popmusik, gefördert von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM), Monika Grütters, soll die Popmusikszene in Deutschland in ihrer Entwicklung künftig stärker unterstützt werden.

Die deutsche Popmusikerin Sarah Farina (Bild: Florian Gründig)

Zu den Gründungsmitgliedern der Akademie, die 2022 erstmals über die Preisvergabe entscheiden wird und darüber hinaus die deutsche Popmusikszene als Forum begleiten und mitgestalten soll, gehören unter anderem Herbert Grönemeyer, Shirin David, Nura, Sarah Farina und Roland Kaiser.

Die Verleihung des neuen Preises wird durch die Initiative Musik realisiert, deren alleinige Gesellschafter der Deutsche Musikrat und die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) sind. Die Initiative Musik, die aus Mitteln der BKM gefördert wird, vergibt seit 2013 bereits den Award APPLAUS für Livemusikprogramme im Popmusik- und Jazzbereich und verleiht seit 2021 auch den Deutschen Jazzpreis.

Mehr Informationen zur neuen Akademie und dem Preis für Popmusik gibt es auf www.initiative-musik.de.

Musik stärkt in Coronazeiten Resilienz

Ein internationales Forschungsprojekt unter Beteiligung des Frankfurter Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik hat untersucht, ob der Umgang mit Musik eine wirksame Strategie für die sozioemotionale Bewältigung eines Lockdowns ist.

Symbolbild: Isaac Ibbott / unsplash.com,SMPV

In sechs Ländern aus drei Kontinenten wurden während des ersten Lockdowns von April bis Mai 2020 demografisch repräsentative Stichproben erhoben: Über 5000 Personen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Italien und den USA beantworteten in einer Online-Studie Fragen zu ihrem Umgang mit Musik während der Krise. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, Musik zur Bewältigung emotionaler und sozialer Stressfaktoren zu verwenden.

Bemerkenswert sei, dass nicht die Musik selbst als Bewältigungshilfe dient, sondern das musikbezogene Verhalten, also die Art und Weise, wie die Menschen ihren Umgang mit Musik in der Krise verändert haben, kommentiert Melanie Wald-Fuhrmann, Direktorin am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, die Resultate.

Menschen mit pandemiebedingt stärkeren negativen Emotionen setzen laut der Studie Musik in erster Linie zur Regulierung von Depressionen, Angst und Stress ein. Diese Strategie kommt besonders beim Musikhören zum Einsatz. Menschen mit einer vorwiegend positiven Grundstimmung nutzen Musik vor allem als Ersatz für soziale Interaktionen. Eine besondere Bedeutung kommt dem neuartigen Genre der «Coronamusik» zu. Dabei handelt es sich um spezifische musikalische Reaktionen auf die Corona-Krise.

Originalpublikation:
Fink, L.K., Warrenburg, L. A., Howlin, C., Randall, W. M., Hansen, N. C., & Wald-Fuhrmann, M. (2021). Viral Tunes: changes in musical behaviours and interest in coronamusic predict socio-emotional coping during COVID-19 lockdown. Humanities and Social Sciences Communications 8:180. https://doi.org/10.1057/s41599-021-00858-y

 

Ohrwürmer unterstützen Gedächtnisprozesse

Ohrwürmer können lästig sein. Das Phänomen weist aber darauf hin, dass Musik für die Festigung episodischer Erinnerungen eine Rolle spielt. Sie hilft, entsprechende Gedächtnisprozesse zu aktivieren.

SMZ-Archivbild. Foto : Ezume Images/stock.adobe.com,SMPV

Autobiografische Erinnerungen können eng mit Musik verbunden sein. Die Mechanismen, durch die sich Assoziationen zwischen Musik und nichtmusikalischem Wissen zunächst bilden und im Langzeitgedächtnis festigen, sind allerdings noch nicht umfassend geklärt. In Experimenten hat ein kalifornisches Forscherteam die Verbindung von Ohrwürmern und durch Musik hervorgerufenes Erinnern untersucht.

Die Experimente weisen darauf hin, dass das Abrufen musikalischer Fragmente als Konsolidierungsmechanismus sowohl für die Musik als auch für die zugehörigen episodischen Informationen dient.

Originalartikel:
Kubit, B. M., & Janata, P. (2021). Spontaneous mental replay of music improves memory for incidentally associated event knowledge. Journal of Experimental Psychology. https://doi.org/10.1037/xge0001050

Neue und neuste Musik

Impuls, eine österreichische, international bedeutende Institution in Sachen Weiterbildung von Nachwuchskomponisten und -komponistinnen sowie Vermittlung zeitgenössischer Musik, wird im August in Graz durchgeführt.

Symbolbild: Melvin / unsplash.com,SMPV

1998 von Beat Furrer und Ernst Kovacic gegründet, musste Impuls 2020 Corona-bedingt abgesagt werden. Diese Jahr finden die Veranstaltungen in Graz wiederum statt. Organisiert werden die 12. Internationale Ensemble- und Komponistenakademie für zeitgenössische Musik sowie das 7. Festival von Impuls, dem Verein zur Vermittlung zeitgenössischer Musik, sowie der Kunstuniversität Graz.

An der Akademie nehmen rund 150 Personen aus vielen Ländern teil. Sie bietet Kompositionstudentinnen und -studenten sowie jungen Profis die Möglichkeit, während zwei Wochen mit Weltklassekünstlern zu arbeiten, sich untereinander auszutauschen und weiterzubilden. Das Festival bietet Konzerte mit Musik aus dem 20. und 21. Jahrhundert und ein reichhaltiges Musikvermittlungsprogramm. Die ersten drei der zwölf Festivaltage legen einen Schwerpunkt auf österreichische Komponisten und Interpreten.

Ausführliche Informationen zu Hintergründen, Akademie und Festival auf der Website des Vereins:

http://www.impuls.cc/de/home.html
 

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