Alles zur Gitarre

Ein schmales Buch, das umfassend berichtet.

Foto: Kaspar Ruoff

Der deutsche Gitarrist und Musikwissenschaftler Jörg Jewanski ist auch bei uns kein Unbekannter. So schrieb er in der Schweizer Musikzeitung über das Projekt «Klang-Farbe-Synthese» der Züricher Musikhochschule (SMZ 5/2005) und publizierte zusammen mit Natalia Sidler den dazugehörigen Band Farbe – Licht – Musik. Synästhesie und Farblichtmusik (Peter Lang, Bern 2006). Für den Bärenreiter-Verlag verfasste er nun im Rahmen einer neuen Serie von Instrumentenporträts ein Buch über die Gitarre. Nun gibt es ja kaum ein anderes Instrument in derart vielen verschiedenen Erscheinungsformen. Trotzdem schafft es Jewanski, der von der klassischen Konzertgitarre herkommt, über Geschichte, Interpreten und Instrumente zwar kurz und knapp, aber doch umfassend zu berichten.

Stilistisch unterscheidet der Autor zwischen Klassik, Flamenco, Blues, Jazz, Fingerstyle, Rock und Weltmusik – eine bemerkenswerte Einteilung, die sicherlich anfechtbar wäre, die aber im Zusammenhang mit der Gitarre recht gut funktioniert. Glücklicherweise widersteht er der Versuchung, alle Verästelungen der Entwicklung dieses Instruments detailliert nachzuzeichnen oder jeden einigermassen prominenten Gitarristen zu erwähnen. Vielmehr hat er den Mut, Schwerpunkte zu setzen, Besonderes herauszustreichen und das Risiko einzugehen, auch mal etwas unter den Tisch fallen zu lassen, was jemand anders vielleicht als wichtiger eingestuft hätte. Immerhin erfahren wir, als kleines Beispiel, neben Bemerkungen zu Blowin‘ in the wind und The house of the rising sun auch einiges über das heute noch avantgardistisch wirkende Stück Salut für Caudwell von Helmut Lachenmann aus dem Jahr 1977.

Zahlreiche

Bilder unterstützen die sorgfältige Aufmachung des schmalen Werks. Klein gedruckte Einschübe liefern zusätzliche Erklärungen, und wer noch mehr zu einem speziellen Thema in Erfahrung bringen möchte, erhält zahlreiche Buch-, CD- und Internet-Tipps. Eingestreute Interviews mit arrivierten Interpreten wie Hopkinson Smith und Reinbert Evers sowie mit zwei Gitarrenbauern ergänzen den Inhalt. Das Buch verzichtet auf einen enzyklopädischen Anspruch und ist deshalb trotz der fast übertriebenen Vielfalt der Textaufbereitung und trotz der vielen Informationen sehr angenehm zu lesen.

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Jörg Jewanski, Portrait Gitarre, Kultur, Praxis, Repertoire, Interpreten, 156 S., € 27.95, Bärenreiter, Kassel 2011, ISBN 3-7618-1843-5

Mit geeigneten Apps werden Smartphones und Tablets zu Musikinstrumenten. Was gibt es bereits? Was sind vermutlich Holzwege? Und wohin könnte die Entwicklung gehen?

SMPV

Komponisten und Musiker haben bereits vor Jahren begonnen, Handys als Musikinstrumente einzusetzen, etwa Golan Levin in Dialtones: A Telesymphony (2001). Mit dem gleichen musikalischen Material, Klingeltönen und Tastengeräuschen, führten Lars Oberhaus und Marcus Zihn Klangexperimente in Schulprojekten durch. (Anm. 1) Die dabei entstandenen Musikstücke hatten vorwiegend konzeptionellen Charakter. (Anm. 2) Auch Forschungsinstitutionen, allen voran das CCRMA (Center for Computer Research in Music and Acoustics) der Stanford University, widmeten sich früh den Mobilgeräten. In Kalifornien wurde schliesslich eines der ersten Ensemble, das MoPhO (The Stanford Mobile Phone Orchestra, 2007-2010) gegründet, in dem Wissenschaftler und Studierende auf Smartphones musizierten.

Smartphones werden durch Mobil-Prozessoren und grossformatige Displays zu computerähnlichen Universalgeräten im Taschenformat. Integrierte Sensoren ermöglichen die Bedienung via Multi-Touch-Screen, GPS oder Mikrofon. Jeder dritte Deutsche besitzt heute bereits ein Smartphone. Spätestens in zwei Jahren dürften Handys ohne Bildschirmsteuerung weitgehend vom Markt verschwunden sein. Smartphones und Tablets bieten sich als Kommunikations-, Spiel- oder Lesegeräte und nicht zuletzt als Musikinstrumente an.

Mit Händen greifbar ist schon jetzt die spezifische Dynamik zwischen den Beteiligten, die gemeinsam nach Möglichkeiten eines neuen kreativen Umgangs mit Musik suchen. Bis heute kommen Musik-Apps zwar vor allem im Hobbybereich zur Anwendung. Eine Reihe von YouTube-Videos dokumentiert die Experimente von Laienmusikern mit einfachen Klavier-, Gitarren- oder Schlagzeug-Applikationen, die nur rudimentär ihre instrumentellen Vorbilder nachbilden. Doch neuartige Konzepte und die stetige Weiterentwicklung der Instrumenten-Anwendungen wecken auch in zunehmendem Masse das Interesse von Profi-Musikern wie Jordan Rudess. Mit Smartphones und Tablets gespielte Musik-Apps sind mitunter auch auf der Bühne zu hören.

Neben den etablierten Softwareschmieden und Herstellern von Musikinstrumenten (Yamaha oder Korg) sind es in erster Linie Hobby-Programmierer, die Musik-Apps entwickeln. Der Vertrieb wird über App Stores von Apple (iOS), Google (Android) oder Microsoft (Windows 8) über das Internet abgewickelt. Interessenten steht ein grosses Instrumentarium zur Verfügung, für Apple-Geräte derzeit über 12 000, für andere Plattformen weit weniger, ungefähr 400 solcher Musik-Apps. Eine wichtige technische Grundlage um mit Apps wie mit einem Instrument zu musizieren, stellt der verzögerungsfreie Klang dar, den bisher nur iOS bieten kann. Für Android und Windows 8 sind entsprechende Voraussetzungen angekündigt, so dass auch für diese Plattformen ein erweitertes Angebot zu erwarten ist.

Was macht Apps so interessant?
Die künstlerische Praxis mit Musik-Apps ist zwar noch jung, das Interesse an innovativen Anwendungen dagegen hoch, wie die Popularität einschlägiger Videos zeigt. Was aber fasziniert die Leute an Musik-Apps? Aufschluss hierüber geben die vielfach kommentierten Musik-Videos und Blogbeiträge wie auf Palm Sounds. (Anm. 3) Im Folgenden beziehe ich mich auf die Kommentare zu den beiden Musik-Apps TableDrum und Impaktor.

Mit der App TableDrum (Anm.4) kann jeder beliebige Klang, ob Trommeln auf der Tischplatte oder Klopfen gegen ein Metallobjekt, mit dem digitalen Gerät synchronisiert und mit frei wählbaren Drum Soundsverlinkt werden. Auf diese Weise lässt sich ein virtuelles Drum Set spielen, ohne noch auf der Geräteoberfläche selbst herumtippen zu müssen. Das auf diese Weise gespielte Schlagzeug, kann über Kopfhörer gehört werden. Dieses Prinzip der akustischen Steuerung von digitalen Samples wird in der App Impaktor um Syntheziser-Elemente erweitert. Die Möglichkeit, Klänge und Geräusche aufzunehmen und gesampelt einzusetzen, verspricht zusätzliches kreatives Potenzial.

In den Blog-Kommentaren bringen Nutzer vor allem ihre Lust am Experimentieren und ihre Freude, etwas Neues auszuprobieren, zum Ausdruck. Selbst wenn einige an der tatsächlichen Spielgenauigkeit oder dem tatsächlichen Nutzen dieser von Geräuschen gesteuerten Apps zweifeln, heben sie hervor, dass sie innovative Ideen unterstützen und Interesse an ihrer Fortentwicklung haben. In Expertengesprächen werden auch Stärken und Schwächen dieser Musik-Apps diskutiert, Musikstücke analysiert, Vergleiche zu früheren Anwendungen angestellt und mögliche technische Alternativen diskutiert.

Wie ein Leitprinzip zieht sich durch alle Auseinandersetzungen das Element des Erkundens und des Selbermachens. Die Musik entsteht in Interaktion mit dem Medium. Nutzer wollen sich musikalisch kreativ betätigen, mit beherrschbaren Herausforderungen konfrontiert sein und Erfolgserlebnisse verspüren. Für App-Entwickler liegt daher die Herausforderung vor allem darin, ihnen leicht zu bedienende Instrumente in die Hand zu geben. Das Klangresultat soll qualitativ gut und gleichzeitig unterhaltsam sein. Erfolgreiche Apps bieten darüber hinaus die Möglichkeit, eigenes Klangmaterial zu integrieren und Musikproduktionen zu exportieren, um sie an Freunde zu verschicken oder im Internet zu veröffentlichen.

Innovation statt digitaler Nachahmung
Die bisher erfolgreichste Musik-App ist GarageBand für iPad, von Apple zum Release des iPad 2 vorgestellt und seitdem gezielt zu Promotionszwecken eingesetzt. Ausgestattet mit Musikinstrumenten wie Gitarre, Schlagzeug oder Keyboard sowie Sampler, Sequenzer und Effektgerät, zeichnet sich diese App vor allem durch ihre umfangreichen Funktionen aus. Durch die konzeptionelle Ausrichtung der gebotenen Instrumente an den realen Vorbildern zeigen sich jedoch rasch Grenzen, beispielsweise in den eingeschränkten Spieloberflächen oder bei der Visualisierung von mechanischen Abläufen wie dem Schwingen von Saiten, die haptisch nicht erfahrbar gemacht werden können. Bedauerliche Schlussfolgerung: Die App ähnelt einem richtigen Instrument, nur dass sie viel weniger kann. Statt innovative Konzepte zu entwickeln, die sich an den Gegebenheiten des digitalen Gerätes orientieren, strebten die Programmierer dem Spiel und Klang der Originalinstrumente nach, ein Anspruch, der zwangsläufig scheitern muss. Das Musikmachen mit Musik-Apps darf deshalb keinesfalls auf Erfahrungen mit der App GarageBand für iPad reduziert werden.

Meiner Einschätzung nach stellen mobile Technologien wie Smartphones und Tablets für die Musikpraxis einen radikalen Entwicklungsschritt dar. Schwierigkeiten bei der Realisierung von präzisen Klangvorstellungen sowie Hürden bei der Implementierung von vertrauten Instrumenten oder Spielweisen sollten als Aufruf verstanden werden, andere Wege der Klangsteuerung und neue Prinzipien der musikalischen Strukturierung zu finden. Wenn die Besonderheiten und Stärken eines neuen Mediums konsequent genutzt werden, entstehen Kunstformen, die mit herkömmlichen Mitteln nicht realisierbar gewesen wären. Ein Trend ist, dass es sich beim Umgang mit Musik-Apps um individuell an die persönlichen Bedürfnissen und Fertigkeiten der Nutzer ausgerichtete musikalische Praxisformen handelt, die Smartphones zu «Gebrauchsinstrumenten» machen. Sie eröffnen dem Nutzer durch flexible Kombination verschiedener instrumentaler Konzepte eine Vielfalt spielerischer Anwendungen sowie kreativer Ausdrucksmöglichkeiten.

Musikalischer Ausdruck dank Sensoren
Aus der Vielzahl an verfügbaren Musik-Apps erlaubt letztendlich nur ein kleiner Teil, gestalterisch mit Musik umzugehen. (Anm. 5) Welche Apps aber machen Smartphones und Tablets zu digitalen Musikinstrumenten?

Zur Beantwortung dieser Frage möchte ich hier den Aspekt der Körpererfahrung beim Spielen eines Instrumentes näher betrachten. Die Körperbewegung kann beim Musizieren mit mobilen Digitalgeräten mindestens eine ebenso grosse Rolle wie beim traditionellen Musizieren spielen. Hierfür werden digitale Sensoren benötigt. Das sind technische Bauteile, die bestimmte physikalische Eigenschaften der Umgebung erfassen und in digitale Daten umwandeln. Je nach Programmierung können Musik-Apps diese Daten unterschiedlich interpretieren und geben dem Nutzer ein Feedback in Form eines akustischen Ereignisses oder einer Klangmodulation.
Smartphones und Tablets verfügen, verglichen mit Laptops oder Computern, über eine grosse Zahl von eingebauten Sensoren. Zum Musizieren eignen sich, neben der Bildschirmsteuerung per Touch, das Mikrofon, ein Beschleunigungssensor in allen drei Achsen, ein digitaler Kompass, die Digitalkamera und ein Gyroskop, das die Lage des Gerätes im Raum erfasst. Dadurch ist es möglich, Hör- und Seherfahrungen sowie taktile oder gestische Aktivitäten einzubeziehen. Um die Funktionalität einzelner Sensoren zu verdeutlichen, sei hier eine Auswahl an spezialisierten Musik-Apps (für iOS) vorgestellt:

  • Das Multi-Touch-Display findet eine anspruchsvolle Anwendung in der App Pitch Painter. Mit dem Finger kann man grafische Partituren erstellen und diese anschliessend erklingen lassen.
  • Die integrierte Kamera ermöglicht, virtuelle Musikinstrumente zu steuern, was in der App AirGuitar ausgenutzt wird. Man kann Luftgitarre spielen und diverse Akkorde greifen.
  • Der Erschütterungssensor kommt häufig in Schlagzeug-Apps zum Einsatz. In Samplodica lassen sich ausgewählte Samples durch Schüttelbewegungen steuern.
  • Das Gyroskop misst die Lage des Smartphones. Die App GyroSynth verwandelt das Smartphone in eine Art «Klanghandschuh», indem die Ortsveränderung zur Klangmodulation genutzt wird. So können musikalische Parameter wie Lautstärke, Tonhöhe oder Filtereinstellungen durch Dreh- und Kippbewegungen kontrolliert werden.
  • Das Mikrofon erfüllt in einigen Musik-Apps die Funktion eines Blas-Sensors. Über die Lautstärke der Atemluft am Mikrofon wird die der Ton gesteuert. Die App Wivi Band verfügt über 15 modulierte Blasinstrumente wie Trompete, Saxofon oder Klarinette.
  • Der digitale Kompass wird in der App Sound Wand dazu verwendet, über die räumliche Orientierung die Tonhöhe zu steuern.

Einige Musik-Apps wie ThumbJam kombinieren verschiedene Sensoren miteinander. Je mehr Sensoren dazu verwendet werden, Klänge bewusst zu steuern, umso musikalischer wird letztendlich die Anwendung. Die intuitive Steuerung von Musikinterfaces durch Sensoren steigert das Musikerlebnis. Darüber hinaus wird Musizieren auch für neue Zielgruppen verfügbar gemacht, insbesondere für Menschen ohne musikpraktischen Hintergrund oder mit körperlichen Einschränkungen.

Big Bang — und plötzlich ist alles anders

Big Bang – und plötzlich ist alles ganz anders

Foto: Kaspar Ruoff
Big Bang — und plötzlich ist alles anders

Big Bang – und plötzlich ist alles ganz anders

FOCUS

Mein musikalischer Urknall
Erlebnisse, die ihnen eine neue Welt eröffneten. Musikerinnen und Musiker erzählen.

Energisch, intensiv und radikal
Nicht Schläge erzeugten seine Klangwelten, sagt Lucas Niggli, sondern Energie.

Das Universum ist ein absteigendes Glissando
Fragen an den Astrophysiker und Rockmusiker Ben Moore


und ausserdem

RESONANCE

72,8% Ja! Und was geschieht jetzt?
Zur Umsetzung des neuen Verfassungsartikels zur Musikförderung
 


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PGM: 72,8% Ja! Und was geschieht jetzt?

An der Sitzung der Parlamentarischen Gruppe Musik vom 6. Dezember in Bern ging es um die Umsetzung des Verfassungsartikels zur Musikförderung. Es zeigten sich erhebliche Unterschiede in den Haltungen zwischen der EDK und den Musikverbänden.

Bild: SMZ

Am 23. September letzten Jahres wurde der Verfassungsartikel zur Musikförderung mit rekordverdächtiger Höhe angenommen. Gegen drei Viertel der Stimmbürger stimmten zu und signalisierten damit, dass in diesem Bereich etwas getan werden müsse. Wie wird der Auftrag nun umgesetzt? Für den dritten Absatz des neuen Verfassungsartikels, der die ausserschulische Musikförderung betrifft, ist der Bund zuständig. Bundesrat Berset hat umgehend eine Arbeitsgruppe einberufen, die Vorschläge ausarbeiten soll. An der Sitzung der Parlamentarischen Gruppe Musik (PGM) unter der Leitung von Ständerätin Christine Egerszegi (die leider all ihre Ratskollegen entschuldigen musste) ging es vor allem um die Musikförderung in der Schule. Susanne Hardmeier, die stellvertretende Generalsekretärin der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), war eingeladen, um die Umsetzung aus der Sicht der EDK zu schildern.

Von «läuft» bis Desaster

In ihrem Referat zeigte sie die Zuständigkeiten von Bund, Kantonen und Gemeinden bei der Konkretisierung des Verfassungsartikels auf. Bei der Umsetzung von Absatz 2 zum Musikunterricht an den Schulen verwies sie auf die ohnehin laufenden Arbeiten in den Sprachregionen zur Harmonisierung der Lehrpläne (Lehrplan 21). Sie betonte zwar, dass der überaus hohe Ja-Stimmenanteil für die jeweiligen Arbeitsgruppen grosses Gewicht hätten, blieb aber eine konkrete Antwort, wie denn die Anliegen des Verfassungsartikels nun einfliessen, schuldig.

Die anwesenden Verbandsvertreter, allen voran vom Verband Schweizer Schulmusik (VSSM), waren damit alles andere als zufrieden. Sie betonten, wie dramatisch schlecht es um die Musik an den öffentlichen Schulen vielerorts stehe, wie sehr die Zeit dränge und dass es, spätestens seit der Abstimmung, nicht mehr angehen könne, dieses Anliegen als in den laufenden Prozessen berücksichtigt zu betrachten. Sie forderten eine schweizweite Arbeitsgruppe auch in dieser Frage, damit die spezifischen Probleme der fehlenden Lehrkräfte, der Diplomanerkennung, des Wegsparens von Lektionen mit dem nötigen Nachdruck eingebracht werden könnten. Die harmonisierten Lehrpläne seien vor 2018 blosse «Sterne am Himmel», es brauche aber umgehend Massnahmen. Hardmeier bezeichnete eine solche «Parallelstruktur» als sinnlos.

Zwischen den Extremen

Eine Position zwischen den Extremen vertraten sowohl Jean-Frédéric Jauslin, Direktor des Bundesamtes für Kultur (BAK), als auch Beat Zemp vom Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH). Jauslin gab zu bedenken, dass die Abstimmung erst zwei Monate zurückliege und man den Kantonen Zeit zur Umsetzung des Förderungsauftrags geben müsse. Nach einer gewissen, noch zu definierenden Frist sei das BAK dann aber gehalten, die Vorkehrungen der Kantone zu prüfen und allenfalls weitere Massnahmen einzufordern. Zemp stimmte dem Vorgehen der EDK grundsätzlich zu, gab aber auch zu bedenken, dass es mit der Schulmusik wirklich im Argen stehe. Er schlug ein gesamtschweizerisches Monitoring vor, bei dem erhoben würde, wie der Stand in den einzelnen Kantonen sei. Und notfalls liesse sich mit einer solchen Erhebung auch öffentlicher Druck auf die säumigen Kantone ausüben.

Die Stadt St.Gallen schreibt für das Jahr 2013 Werkbeiträge für kulturelles Schaffen aus. Die Beiträge sollen die Entwicklung und Ausarbeitung neuer, anspruchsvoller Projekte ermöglichen.

Zur Bewerbung eingeladen sind Kulturschaffende aus sämtlichen Sparten und Bereichen der Kultur, die Wohnsitz in St.Gallen haben oder welche früher hier wohnten, sich aber gegenwärtig zu Ausbildungszwecken auswärts aufhalten.

Gruppen können berücksichtigt werden, wenn die Mehrheit der Mitglieder in der Stadt wohnhaft ist. Die Jurierung der Bewerbungen erfolgt durch die Kommission für Kulturförderung. Die Kommission gibt dem Stadtrat Empfehlungen für die Vergabe der Werkbeiträge ab. Ablehnungen werden nicht begründet.

Neben einer Beschreibung des Projekts, das mit dem Werkbeitrag gefördert werden soll, ist eine Dokumentation einzureichen, welche Angaben über die künstlerische Ausbildung der beteiligten Personen und ihre bisherige Arbeit enthält. (Werkabbildungen, Liste der Ausstellungen, Konzerte, Theateraufführungen, Veröffentlichungen, Lesungen, Biografie, Auszeichnungen, Atelieraufenthalte, CDs, Texte, Bücher usw.)

Die Bewerbungen sind bis zum 20. Februar 2013 bei der Fachstelle Kultur, Rathaus, 9001 St.Gallen einzureichen. Weitere Auskünfte: Madeleine Herzog, Leiterin Fachstelle Kultur, Tel. 071 224 51 60

Feel the Rhythm – Rhythmus am Klavier

Unter diesem Titel fand am Wochenende vom 17. und 18. November 2012 in St. Gallen der Herbstkongress der European Piano Teachers Association Schweiz statt.

zvg

Das Anfangsreferat Musik als Zeitkunst wurde von Roland Moser gehalten. Er zitierte anfangs Augustinus, der, nach der Zeit befragt, zur Antwort gab, dass sowohl Vergangenheit in Form von Erinnerungen als auch Zukunft in Form von Vorstellungen eine alles umfassende Gegenwart darstellen. Dann spannte er einen Bogen vom Versuch, Tonverhältnisse in rhythmische Verhältnisse zu übertragen, zu einer Analyse des Rhythmus der Harmoniewechsel anhand eines 14-taktigen Dominantfelds in Beethovens Waldsteinsonate und demonstrierte damit eindrücklich die Vielschichtigkeit des Phänomens Rhythmus.

Am Nachmittag stand zuerst das Thema tempo rubato auf dem Programm. Jesper Christensen schälte anhand vieler alter Aufnahmen von Interpreten des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts im Vergleich mit neuen Einspielungen die rhythmischen und auch klanglichen Subtilitäten der Interpretationstradition vor dem 1. Weltkrieg heraus: ungleichmässige Achtel, agogische Gestaltung von Phrasen, Verlängerung betonter Noten etc. Viele Beschreibungen in aufführungspraktischen Schriften ergänzten die Klangbeispiele. Erwähnt wurde auch Bachs E-Dur-Invention, deren Rhythmus als ausgeschriebenes Rubato der rechten Hand verstanden werden könnte. Schade nur, dass die Gelegenheit nicht genutzt wurde, dieses für Klavierpädagogen wichtige Beispiel am Klavier praktisch umzusetzen oder verschiedene Varianten auszuprobieren.

Dafür kamen im nächsten Referat Förderung rhythmischen Erlebens am Klavier von Tobias Schabenberger sowohl theoretische Überlegungen als auch Unterrichts-Praxis zum Zug. Ausgehend von der Etymologie des Wortstamms «Rit», was sowohl Ordnung, Gesetz als auch Fluss, Bewegung heisst, erläuterte er anhand vieler Beispiele aus der Unterrichtsliteratur, dass weniger intellektuelle Erklärungen über Notenwerte als vielmehr Körpergefühl und Bewegung die rhythmische Kompetenz von Schülern fördert. Dass er dies sehr fantasievoll in zwei Unterrichtssequenzen mit Schülern demonstrierte, war für die Teilnehmenden als Anregung für den Unterrichtsalltag sehr gewinnbringend.

Was den Praxisbezug betrifft war der Sonntagvormittag mit dem Thema Bodypercussion eine ideale Fortsetzung. Diesmal wurden nach einem Einführungsreferat von Andreas Gerber die Teilnehmenden selbst zu Praktizierenden. Verstärkt durch Karin Enz-Gerber ging es in zwei Gruppen ans Erlernen rhythmischer Patterns mittels durch den Köper erzeugter Klänge. Es war verblüffend, aber auch erheiternd, wie wir Profis am Klavier dann unter Umständen schnell an unsere Grenzen kommen, sobald die Abfolgen etwas komplexer werden.

An diesem Kongress ist es dem Vorstand auch wieder gelungen, zwei junge Absolventinnen des Musikpädagogischen Masterstudienganges einzuladen, die im zur Tradition gewordenen «Podium» ihre Abschlussarbeiten vorstellten. Rebekkah Läuchli sprach zum Thema Játekók, pädagogische Aspekte der Serie von G. Kurtág und  Annette Philipona über Vermittlung musikalischer Begriffe.

Der Themenkreis Rhythmus im Jazz fehlte nicht im Kongressprogramm. Andreas Meili konnte mit seinem sorgfältig aufgebauten, mit vielen Klangbeispielen versehenen Referat die Teilnehmenden auch am Sonntagnachmittag fesseln. Er umkreiste die rhythmischen Phänomene «Swing» und «Groove» und erinnerte mit der dargestellten Subtilität der Phänomene an den Facettenreichtum des Phänomens tempo rubato.

Nicht unerwähnt bleiben soll die Mitgliederversammlung vom Samstagnachmittag, an der Brigitte Bernhard als Präsidentin nach 7-jähriger Amtszeit verabschiedet wurde. Vom Vorstand als Nachfolger vorgeschlagen und von den anwesenden Mitgliedern gewählt, hat Jean-Jacques Dünki das Amt des Präsidenten übernommen und am Sonntag gleich in seiner neuen Funktion die Schlussdiskussion moderiert.

Ob man von Anfang bis Schluss am Kongress teilnahm oder sich einzelne Rosinen herauspickte, der Kongress gab Anregung für die eigene künstlerische Praxis und das Unterrichten.
 

Gelungener Auftakt

Nach einer inhaltlichen und grafischen Neuausrichtung wird die Schweizer Musikzeitung erstmals in neuer Gestalt gedruckt.

Gelungener Auftakt

Nach einer inhaltlichen und grafischen Neuausrichtung wird die Schweizer Musikzeitung erstmals in neuer Gestalt gedruckt.

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9. Januar 2013, mittags: Eine Schar von Gästen bedient sich an einem köstlichen Buffet. Das ist nicht so aussergewöhnlich. Aber hier? In der nüchternen Galerie des Druckzentrums des St. Galler Tagblatts mit Blick auf die grosse Druckmaschine?

Felix Eberlein, Layout, und Hubert Neidhart, Grafik (v.l.)

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Zuvor wurden die Anwesenden von Thomas Müllerschön, Geschäftsleitungsmitglied und Verantwortlichem für Kundenzeitschriften beim St. Galler Tagblatt, begrüsst, legten zwei Talentschülerinnen der St. Galler Musikschule mit ihren Saxofonen einen passenden Klangteppich.

Selma Wirth und Shannen Schwarz (v.l.)

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Hans Brupbacher, der Präsident der Musikzeitung, übergab der Chefredaktorin Katrin Spelinova einen «Meilenstein»: Die Schweizer Musikzeitung, die vor 15 Jahren von mehreren Musikverbänden gegründet wurde, wird in den nächsten Minuten in neuer Gestalt und inhaltlich erweitert aus der Maschine laufen.

Hans Brupbacher und Katrin Spelinova

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Plötzlich geht alles schnell. Man eilt einen Stock tiefer, Papierbahnen jagen durch das Ungetüm, man erkennt bereits Bilder aus dem Inhalt. Die Drucker greifen sich einzelne Exemplare, lösen die Klammern, schauen die Seiten durch, justieren die Farben.

  

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Und schon erscheinen dicht an dicht die fertigen Zeitungen an den Laufbändern. Für die Gäste, die den Druckern über die Schultern sehen, ist hier ein zweijähriger aufwendiger Relaunch zum Abschluss gekommen. Endlich ist das Resultat greifbar – und gelungen!

 

Fotos: Pia Schwab

 

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Claude Nobs, der Gründer des Montreux Jazz Festivals liegt nach einem Sturz während einer Langlauf-Tour an Heiligabend im Koma.

Laut einer Mitteilung des Montreux Jazz Festival (MJF) musste Nobs in der Folge des Sturzes im Universitätsspital CHUV in Lausanne operiert werden. Dabei sei der 76-jährige in ein Koma gefallen, aus dem er noch nicht erwacht sei.

Die Fortführung des MJF ist gewährleistet. Mathieu Jaton, der Generalsekretär des MJF, hat alle Aufgaben von Nobs übernommen. Nobs hat die operative Leitung des Anlasses bereits 2010 aufgrund gesundheitlicher Probleme abgegeben. Er ist aber nach wie vor strategischer Leiter des Festivals.

Das Theater mit der Muhsiiik!

Ein Symposium der HKB diskutierte und präsentierte vom 13. bis 15. Dezember zeitgenössisches «Théâtre Musical».

Warum nur muss es ein französischer Begriff sein? Warum heisst der entsprechende Master-Studiengang an der Hochschule der Künste Bern (HKB) seit Jahren «Théâtre Musical»? Wenn man diesen Begriff kurzerhand mit «Musiktheater» ins Deutsche überträgt, überhört man eine Nuance. Im Französischen nämlich, so sagt Roman Brotbeck, der den Kurs einst als Leiter des Departements Musik in Bern mitinitiierte, ist «Théâtre Musical» der Terminus für jenes «instrumentale Theater», wie es von Mauricio Kagel, Dieter Schnebel u. a. in Deutschland entwickelt wurde; für ein theatralisiertes Musizieren oder ein musikalisiertes Theater. Der französische Begriff ist nicht nur vorzuziehen, weil wir uns im Bernbiet an der Sprachgrenze bewegen und zahlreiche Studierende aus dem Französischen kommen, sondern auch, weil er das Vokale mit einschliesst. An der HKB war dies insofern wesentlich, als der Studiengang lange vom griechisch-französischen Komponisten Georges Aperghis geprägt wurde: Sein Theater geht nämlich stark von einer musikalisierten Sprache aus.

Das Theater um die Muhsiiik hiess ein von Angela Bürger und Peter Kraut konzipiertes Festival und Symposium, das Mitte Dezember in der HKB und der Dampfzentrale stattfand. Der Titel der höchst anregenden Veranstaltung deutet bereits die Sprachnähe an. Die Möglichkeiten des zeitgenössischen «Théâtre Musical» wurden nun an diesem Wochenende eifrig präsentiert und diskutiert. Der Musikwissenschaftler Jean-François Trubert von der Universität Nizza erläuterte in einem historischen Abriss die kompositorischen Neuerungen des «Théâtre Musical». Der Berliner Philosoph Harry Lehmann, dessen kulturtheoretische Thesen in Deutschland zurzeit heftig diskutiert werden, entwickelte im Gegensatz zur «absoluten Musik» den Begriff einer «relationalen Musik», die tendenziell immer stärker aussermusikalische Materialien und Inhalte aufgreife. Der Hamburger Komponist und Regisseur Jan Dvorak stellte eigene Musiktheaterprojekte im Grenzbereich von Klassik und Pop vor. Die Komponistin Cathy van Eck zeigte medienübergreifende Stücke aus dem eigenen Schaffen. Und dann waren mit Manos Tsangaris und Daniel Ott auch zwei der international profiliertesten Komponisten des Genres vertreten; die beiden werden ab 2016 die Leitung der Münchner Biennale für Neues Musiktheater übernehmen und das Festival wohl dabei etwas auffrischen. Deutlich wurde nämlich: Das «Théâtre Musical» hat bereits eine längere Geschichte. Und es hat seine Überväter. Tsangaris erinnerte daran, dass viele der Klassiker von Kagel und Schnebel, ja auch von Cage und Aperghis, auf das Vorbild Beckett verweisen – und dass es sich davon auch zu lösen gelte. Eine wichtige Bemerkung. Wie das «Théâtre Musical» solcher Einengung entkommen kann, wurde doch einige Male an diesem Wochenende deutlich.

Viele Klassiker des «Théâtre Musical» verweisen auf das Vorbild Beckett –

davon gelte es sich zu lösen.

Diskutiert wurde ausserdem die Situation des aktuellen Musiktheaters in der Schweiz. Dass mindestens vonseiten der Ausbildung das Potenzial dazu vorhanden ist, zeigten die schönen Produktionen der HKB in der Dampfzentrale. Unter der Leitung von Pierre Sublet hatten Studierende eine eigene Version von Cages Europera 2 von 1987 auf die Bühne gebracht. Darin wird es ja dem Zufall überlassen, wie Versatzstücke aus der europäischen Operngeschichte neu «kom-poniert» werden: Arien, Orchesterstimmen, Kostüme, Kulissen etc., so dass ein faszinierendes Durcheinander entsteht, ebenso amüsant wie verquer. Man adaptierte in Bern das Werk geschickt für die Bedürfnisse der Schule: Tanz- und Sprechpartien wurden integriert; die Opernhauskulissen ersetzt. Und vorne dran wurde eine Extra-Viertelstunde angehängt, die den Théâtre-Musical-Absolventen zu Auftritten zusätzlich Gelegenheit bot. Bei Europera 2 handelt es sich um die kürzere und gleichsam zeitlich geraffte Version, in der die Materialmenge von Europera 1 in der halben Zeit, nämlich in 45 Minuten dargeboten wird, was mit der Zeit eine akustische Überfülle ergibt, einen etwas undifferenzierten Klangbrei. Wahrscheinlich hätte man hier doch etwas stärker nuancieren müssen – oder hätte das Cages Absichten widersprochen?

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Roman Brotbeck kocht für das «grosse musikulinarische Muhsiiik-Bankett» © Joachim Koerfer

Dass ein «Théâtre Musical» noch eine ganz andere Sinnlichkeit entfalten kann, zeigte das «grosse musikulinarische Muhsiiik-Bankett». Roman Brotbeck exerzierte in Abwandlung von Cages berühmtem Water Walk zusammen mit dem Koch Martin Schöni eine Art fulminanten Cook Walk mit überraschenden Varianten und einem geschmacklich höchst überzeugenden Ergebnis. In Einlagen zum gemeinsamen Mahl kamen schliesslich nochmals die Studiengang-Absolventen zum Zug. Die Perkussionistin Françoise Rivalland, Dozentin an der HKB und im Übrigen eine vorzügliche Aperghis-Interpretin, hatte diese virtuosen Sprachkünste einstudiert, die sich witzig hart an der Grenze zwischen Verständlichem und Nonsens bewegten. Da wurde denn noch einmal die Aperghis-Nähe des Berner «Théâtre Musical» spürbar; vielleicht wäre es gut, da noch weitere Facetten zu entwickeln. Aber das gehört in die Zukunft dieses Genres, das in Bern auf so hohem Niveau praktiziert wird wie sonst fast nirgendwo.

www.muhsiiik.ch

Bild oben: Versatzstücke aus der europäischen Operngeschichte – John Cages «Europera 2» © Marco Frauchiger

 

 

Erstmals werden in den USA mehr Downloads gezählt als physische CD-Verkäufe im Laden um die Ecke.

Eine Epoche geht zu Ende: 2012 sind im trendsetzenden US-Markt die Verkäufe von CD im nicht tiefen zweistelligen Prozentbereich weiter eingebrochen. Zum ersten Mal werden sie nun auch von den Downloads via Internet überflügelt.

Laut der Marktforscherin Nielsen SoundScan erfolgten im vergangenen Jahr 37 Prozent aller Album-Käufe als Downloads via Plattformen wie iTunes oder Amazonmp3. Dies entspricht gegenüber 2011 einem Anstieg von 6 Prozent.

Die bisherigen Hauptkanäle, die Verkaufsläden von Wal-Mart, Target und Best Buy, haben demgegenüber an Bedeutung verloren. Sie verkauften bloss noch 29 Prozent der Alben in CD-Form. Dies entspricht im Vergleich zu 2011 einem Rückgang von happigen 31 Prozent.

Bild: derateru / pixelio.de

Kommunikation im Dienste der Musik?

Joachim Reiber, Chefredakteur der österreichischen Zeitschrift «Musikfreunde», erzählte bei der Reihe «Musik & Mensch» über seine Arbeit. Die eingeladene Gesprächspartnerin, Regina Kuratle vom Erziehungsdepartement Basel-Stadt, kam kaum zu Wort.

Am Ende dieses Abends weiss man: Joachim Reiber erzählt gern, erzählt poetisch, spielt mit der Sprache wie ein Jongleur mit seinen Bällen. Und erklärt dabei den Gegenstand seines Schreibens, die Musik, fast zur Nebensache.
Beziehungsweise. Begegnungen beim Schreiben über Musik lautete der Titel des Vortrags, den Reiber am 13. Dezember im Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Basel hielt. Es war der vierte Abend der Konzert- und Kolloquiumsreihe Musik & Mensch, die von der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) veranstaltet wird. Sie richtet sich vornehmlich an Lehrkräfte und Studierende der Musikpädagogik, möchte Denkanstösse geben, sensibilisieren für neue Themen im Musikunterricht. Das Schreiben über Musik scheint jedoch zu weit entfernt vom schulischen Alltag – Reiber sprach nur vor einer kleinen Zuhörerschaft. Das tat seinen so unterhaltsamen wie anregenden Ausführungen keinen Abbruch. Reiber nahm das diesjährige Oberthema der Reihe, Begegnung – Dialog – Beziehung, beim Wort und reflektierte, wie in seiner Arbeit Begegnungen zustande kommen, unter welchen Voraussetzungen sich Dialoge ereignen, welche längerfristigen Beziehungen entstehen können.

Innere Angelegenheit
In der Zeitschrift der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien werden nicht nur alle Konzerte verzeichnet, die im Wiener Musikverein stattfinden, sondern es erscheinen auch grosse Porträts von Dirigenten und Solisten, lange Interviews, musikgeschichtliche Aufsätze. Das Blatt wurde bereits sechs Mal prämiert – in der Kategorie Kundenmagazin. «Verkaufe ich Musik mit den Mitteln der Sprache?», fragte sich Chefredakteur Reiber angesichts der Laudatio zu seinen Artikeln.
Er spricht lieber von «gelungener Kommunikation im Dienste der Musik». All das Zweckorientierte, das solch einem Kundenmagazin zu Grunde liegen sollte, ist ihm ein Gräuel. Da mögen die Preisrichter noch so oft die erfolgreiche Umsetzung der Unternehmensphilosophie, den adäquaten Medieneinsatz, die hervorragende Kundenbindung loben – Reiber schert sich dem Vernehmen nach um all das nicht. Ihm geht es schlicht um das Schreiben.
«Schreiben ist etwas Einsames, von Anfang an», sagt er und holt weit aus. Erzählt, wie er als Teenager heimlich den Musikkritiker in seiner Heimatstadt Stuttgart bewunderte, wie er im Studium von den Linguisten in die Dienstleistungsfähigkeit der Sprache eingeweiht wurde, wie er anderntags von den Philosophen lernte, dass es auch etwas anderes mit der Sprache auf sich haben kann. Wie etwa kleine Kinder das Sprechen lernen, Plappern aus Lebenslust, Raunzen aus Lebensfrust: sprechen, um sich auszudrücken.
Auch Reiber schreibt, um sich auszudrücken, um sich mitzueilen – nicht, um etwas mitzuteilen. Das ist ihm wichtig und durchzieht den Abend wie ein roter Faden. «Schreiben über Musik – steht die Musik aussen? Ist sie ein Gegenstand, der darauf wartet, übersetzt zu werden?», fragt Reiber, und wendet sich dezidiert gegen all jene Programmheftschreiber, Werkbesprecher, Einführungsgeber, Näherbringerwoller, die sich mit ihrem Wissen über den Leser stellen. Er sieht es anders: «Schreibend mit der Musik in Berührung kommen, eine Begegnung in mir selbst suchen, mit dem, was die Musik in mir auslöst – eine innere Angelegenheit also.»

Wenig Sachdienliches
So geistreich Reibers Vortrag war, so hörens- und lesenswert sich seine Sprache zeigte, so sehr drehte er sich auch im Kreise. So war es nicht verwunderlich, dass sich die anschliessende Diskussion mit Regina Kuratle einmal mehr an einer sprachlichen Spitzfindigkeit entzündete: Analog zu einem Komponisten, der höre, wohin das Stück wolle, so höre Reiber, wohin der Text wolle. Kuratle, selbst Musikerin und derzeit mit der Projektleitung der Schulharmonisierung des Erziehungsdepartements in Basel-Stadt betraut, verstand dies als «warten, wohin der Text wolle» – etwas, das sie sich in ihrem zweckorientierten Beruf nicht erlauben könne. Und schon drehte sich der Wortekreisel um warten, hören, sagen, meinen …
Auch ein Einwurf aus dem Publikum konnte dies nicht aufbrechen. Die Autorin fragte, wie es um das Thema der Vermittlung bestellt sei, schiessen doch die Studiengänge, die Kunstvermittlung, Musikvermittlung, Kulturvermittlung im Namen tragen, wie Pilze aus dem Boden. Sie markieren also zumindest ein gewisses Bedürfnis nach einer herzustellenden Beziehung zwischen Kunst und Rezipient – nicht zuletzt aufgrund der immer geringeren Ressourcen für Musik an den Schulen. Auch diese Frage wurde auf sprachlicher und anekdotischer Ebene traktiert: Reiber findet das Wort Vermittlung «schrecklich», bestätigte aber, dass auch der Wiener Musikverein etwas mehr Neugierde zeigen könne, andere Konzertformen auszuprobieren. Für eine Antwort von Regina Kuratle blieb nach Reibers umfangreichen Ausführungen keine Zeit mehr.
Dabei wäre ein Austausch mit einer Verantwortlichen für die Gestaltung zukünftiger Lehrpläne ganz im Sinne der Veranstaltung gewesen. Man möchte Ideen sammeln, um den Schulunterricht zu bereichern. Die Konzert- und Kolloquiumsreihe umfasst daher unter anderem Vorträge über Olivier Messiaens Vogelmusik (mit dem Ornithologen Stefan Heller und dem Organisten Tobias Willi), Konzerte mit Begegnungen zwischen traditionellen japanischen Shakuhachi-Flöten und zeitgenössischer elektronischer Musik, in Solothurn führen Mojca Gal und das Barockensemble Les Eléments mit Werken von François Couperin ein in die Musik und Denkweise im 18. Jahrhundert.

Gesammelte Ideen
Damit die Ideen mit dem flüchtigen Augenblick des Vortrags nicht verloren gehen, ist eine Website in Planung, die die Vorträge der vergangenen acht Jahre archiviert und zum Gedankenaustausch einlädt – explizit auch Schülerinnen und Schüler. Ab Februar 2013 sollen erste Inhalte einsehbar sein.
Vielleicht lässt sich auf dieser Plattform eher realisieren, was Markus Cslovjecsek, Leiter der Professur für Musikpädagogik an der FHNW, eigentlich mit der Reihe initiieren wollte: Herausfinden, wie man Jugendliche nachhaltig für Musikthemen interessieren kann.
Cslovjecsek forscht dahingehend auch auf anderen Ebenen. Das Lernspielzeug «Creafon» etwa hat er mitentworfen; aber auch die Einbindung der Musik in andere Fächer ist ihm ein Anliegen. Musik als integrales Fach der Schule zu verstehen, die Sensibilisierung des Hörens, der Verschriftlichung des Hörens etwa beim Sprachenlernen – da seien andere Länder schon weiter. Er verweist auf das europäische Musikportfolio, bei dem man Projekte zur integrativen Musikdidaktik einsehen kann.
Bleibt zu hoffen, dass sich der Dialog nicht nur online, sondern auch von Angesicht zu Angesicht einstellt. Zehn weitere Abende bieten im kommenden Jahr dazu Gelegenheit.

Zeitschrift «Musikfreunde» der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien:
www.musikverein.at

Zur Reihe:
www.fhnw.ch/ph/kultur-und-sport/musik

Plattform im Aufbau:
www.musikundmensch.ch
 

Foto: wandersmann – pixelio.de

Im August tritt einer der wichtigsten Gospelchöre der Schweiz in den Niederlanden auf. Weitere Sängerinnen und Sänger sind zu Auditons im Januar eingeladen.

Der Swiss Gospel Choir wurde 2008 gegründet. Er setzt sich aus ca. 30 Sängerinnen und Sängern der ganzen Schweiz zusammen und gehört als Eliteformation zum harten Kern der Schweizer Gospelszene. Alle Schlüsselpositionen der künstlerischen und organisatorischen Leitung sind professionell besetzt.

«Swiss Gospel Choir goes to Holland»
Dieses Motto prägt die Saison 2013. Nach den erfolgreichen Auslandreisen der vergangenen Jahre konzertiert der Chor Anfang August 2013 im Grossraum Amsterdam. Neben der Probe- und Konzerttätigkeit bleibt Zeit für kulturellen Austausch und die Pflege von Freundschaften. Die Proben beginnen im März. Das Projekt wird im September mit Konzerten in der Schweiz abgeschlossen.

Mittels Crowdfunding bleibt das Herzstück von Helvetiarockt, die Musikerinnendatenbank, erhalten.

Mitte Dezember hat Helvetiarockt, die Koordinationsstelle für Musikerinnen im Jazz, Pop und Rock, über die Crowdfunding-Plattform Wemakeit die Finanzierung zur Erhaltung der Musikerinnendatenbank sicherstellen können. 102 Personen haben 14 130 Franken gespendet, 14 000 Franken waren als Ziel vorgegeben.

Auf Nachfrage der Schweizer Musikzeitung bestätigte Regula Frey, Leiterin der Geschäftsstelle Helvetiarockt, dieses Online-Nachschlagewerk könne nun 2013 erweitert und optimiert werden. Die Zukunft von Helvetiarockt sei aber nicht gesichert. Denn wie viele andere Organisationen kämpfe Helvetiarockt mit der Tatsache, dass die meisten Geldgeberinnen und Geldgeber wohl Projekte, nicht aber Strukturkosten unterstützten. Zusätzlich würde Helvetiarockt je nachdem als Gender- oder eben als Musikprojekt schubladisiert und passe deshalb oft nicht in das Raster der unterstützenden Organisationen. «Wir arbeiten möglichst breit (vom Mädchen an der Musikschule bis hin zur gestandenen Musikerin)», sagt Regula Frey. «So breit zu bleiben und trotzdem den Fokus nicht zu verlieren, ist nicht einfach. Alle Aufgaben mit einer 40%-Stelle zu erfüllen, ist eine grosse Herausforderung.»

www.helvetiarockt.ch
 

Imagegewinn dank Zusammenarbeit

Die Musikschulen der Kantone Nidwalden, Obwalden und Uri führen seit 20 Jahren für ihre Lehrpersonen gemeinsam Weiterbildungskurse durch. Dies hat sich in jeder Hinsicht bewährt.

Das Motto «Lebenslanges Lernen» gilt auch für Musiklehrpersonen. 1990 setzte sich bei den Musikschulleitungen von Nidwalden die einhellige Meinung durch, dass für ihre Lehrerschaft eine ständige Weiterbildung unumgänglich sei. Da die damaligen Angebote die Bedürfnisse der Lehrpersonen wie auch den Bedarf der Musikschulen nicht ausreichend abdeckten, organisierten sie selber einen ersten Kurs. Ende August 1991 befassten sich die Teilnehmenden während eines ganzen Tages mit dem Thema Üben. Als Kursleiter und Referent wurde Peter Schwarzenbach engagiert, der zusammen mit Brigitte Bryner das heute bereits in siebter Auflage erhältliche Buch Üben ist doof verfasst hat.

Nach diesem erfolgreichen Erstversuch wurden jedes Jahr weitere Kurse organisiert. 1995 begann die Zusammenarbeit mit den Musikschulen Obwaldens und 2008 diejenige mit der Musikschule Uri.

Das heutige Weiterbildungskonzept basiert auf drei Säulen:

  • Eigene Kurse: Sie werden von Musikschulen der beteiligten Kantone organisiert. Für die Teilnehmenden sind sie kostenlos.
  • Weiterbildungskurse der Volksschule: Das Angebot ist auch den Musiklehrpersonen gratis zugänglich.
  • Kurse anderer Anbieter: An diese werden Beiträge im Verhältnis zum jeweiligen Unterrichtspensum entrichtet.

Jede Musiklehrperson kann sich ihr Kursprogramm frei zusammenstellen. Innerhalb von zwei Jahren werden vier Tage Weiterbildung verlangt. An einigen Musikschulen ist diese Pflicht im Anstellungsvertrag enthalten. Den persönlichen Gewinn fasst ein Teilnehmer so: «Auch wenn ich nachher im Unterricht das Gehörte und Erarbeitete nicht eins zu eins umsetze, bekomme ich doch immer wieder Impulse und Ideen, in welche Richtung ich mich entwickeln und verbessern könnte.» Andere meinen, oft fehle die Zeit, Neues im Unterricht einzusetzen, für die Anstösse sind sie aber dennoch dankbar.

Fest verankerter Weiterbildungstag

Zu einem festen und unverzichtbaren Bestandteil des Fortbildungsprogramms ist mittlerweile der jährliche Weiterbildungstag geworden. Er wird bereits seit 1991 durchgeführt und findet jeweils in der ersten Schulwoche statt. Da an den meisten Musikschulen der Unterricht erst in der darauffolgenden Woche beginnt, kommt dieser Zeitpunkt der Arbeitssituation der Lehrpersonen sehr entgegen. Der Tag ist für ein geeigneter Einstieg ins neue Schuljahr, ein «Warmlaufen», wie es ein Teilnehmer nennt. Er wird zudem sehr geschätzt, weil er Gelegenheit bietet, Berufskolleginnen und -kollegen kennenzulernen und sich mit ihnen auszutauschen.

Vor allem in der Anfangsphase wurden Ateliers zu Fragen angeboten, die für alle Lehrpersonen sowie für ganz bestimmte Fachgruppen relevant waren. In den letzten Jahren war der Weiterbildungstag mehrheitlich einem ganz bestimmten Thema gewidmet, zum Beispiel: Schweizer Volksmusik, Wie lernen die Kinder das Musizieren?, Musikunterricht: Und was meint das Hirn dazu?, Vom Kind zum jungen Erwachsenen – Denkansätze für den Musikunterricht.
Es liegt auf der Hand, dass an einem einzigen Tag vieles nur angedacht, zu wenig verinnerlicht werden kann. «Leider, wenigstens mir geht es so, vergisst man schon bald wieder vieles von dem, was gesagt wurde. Die Unterlagen liegen oft einfach im Schublädli», meint eine Teilnehmerin. «Man müsste wohl wie beim Üben tagtäglich dran bleiben! Vielleicht sollte zum jeweiligen Thema alle paar Monate ein Wiederholungskurs offeriert werden. Dies könnte z. B. ein halber Tag sein, an dem die interessierten Lehrer vorbereitet zum jeweiligen Thema teilnehmen können. Auch die Möglichkeit, anstelle des jährlichen Weiterbildungstages ein Jahresthema zu wählen und dieses durchs Jahr hindurch (drei bis vier Mal) in Form von Sitzungen in Kleingruppen zu bearbeiten, würde mich ansprechen.»
Je nach Resonanz werden bereits jetzt Folge- und Vertiefungskurse entwickelt, die dann im Verlaufe des Schuljahres stattfinden.

Positive Erfahrungen

Die enge Zusammenarbeit der drei Kantone hat sich über all die Jahre hinweg sehr bewährt. Der erste grosse Vorteil besteht darin, dass deutlich mehr Kurse angeboten werden können, als dies bei einem Alleingang möglich wäre. Es erstaunt auch nicht, dass meistens alle ausgeschriebenen Kurse durchgeführt werden können, oft sogar gleich mehrfach, weil sich genügend Interessentinnen und Interessenten finden lassen. So können – ein weiterer Pluspunkt –die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel ausgezeichnet genutzt werden. Vom jährlichen Gesamtaufwand von zirka 15 000 Franken fällt letztlich für jede einzelne der 14 Musikschulen nur noch ein kleiner Beitrag an.

Die gemeinsam betriebene Weiterbildung hat im Verlauf der Jahre auch eine Zusammenarbeit auf anderen Ebenen initiiert. So wird in den Kantonen Nidwalden und Obwalden alle zwei Jahre der Rotary-Musikpreis durchgeführt. Als vor einigen Jahren der Verband Musikschulen Schweiz in einen Dachverband umstrukturiert wurde, war die Gründung eines gemeinsamen Regionalverbandes eine unbestrittene und schnell beschlossene Sache. Und schliesslich hat die Zusammenarbeit auch zu einem Imagegewinn bei den Behörden beigetragen.
Eine grosse Herausforderung für die Arbeitsgruppe ist die ständige Suche nach neuen Themen. Das ist aber auch eine spannende Aufgabe, die immer wieder Entwicklungen auslöst und Neuland eröffnet.

Urban Diener
… leitet die Musikschule Stans


Foto: Stefan Möckli

 

Best-Trächsel-Stipendium 2012

Zum fünften und letzten Mal wurde im Dezember 2012 das BEST-Trächsel-
Stipendium vergeben, mit dem herausragenden Bachelor- oder Masterabgängern der Hochschule der Künste Bern (HKB) der Berufseinstieg erleichtert werden soll.

Das mit je 14 000 Franken dotierte Stipendium geht an den Textperformer Michael Fehr (Studiengang Master of Contemporary Arts Practice) und an das künstlerische Kollektiv Feld 65 (Studiengang Bachelor Fine Arts).

Mit dem Stipendium werden junge Kulturschaffende mit besonderem künstlerischem und unternehmerischem Potential ausgezeichnet. Dieses Jahr wurden 16 Bewerbungen aus den verschiedenen Fachbereichen der HKB eingereicht.

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