Der Mut zum Atmen

Weird Beard sind ein Quartett ohne Berührungsängste. Von Hard Bop coltranescher Prägung über Punk bis hin zum futuristischen Elektro-Pop liegen alle Stilrichtungen in Griffweite. Auf ihrem neuen Album ergründen sie nun die Kraft des Sichzeitlassens.

Foto: Weird Beard

Die Band hat einen weiten Weg zurückgelegt seit sie von Saxofonist und Klarinettist Florian Egli als Duo mit dem Bassisten Valentin Dietrich konzipiert wurde. Mit ihrem neuen Album Orientation ist Weird Beard vom Geist her zu den Anfängen zurückgekehrt. Damals, zu zweit, von Künstlern wie Skuli Sverrisson inspiriert, hätten sie «nur Space» gemacht, berichtet Egli. Elektronische Loops und Effekte spielten eine wichtige Rolle. «Ein Ton – fünf Minuten lang. Dann ein anderer Ton …» Im Rahmen seiner Diplomarbeit an der Zürcher Hochschule der Künste wurde das Duo mit dem Schlagzeuger Rico Baumann und dem Schaffhauser Gitarristen Urs Vögeli zum Quartett erweitert. Als Vögeli ein Jahr später weiterzog, lag es für Egli auf der Hand, sich an Dave Gisler zu wenden, der ihn noch als Teenager bei einem Auftritt in Schaffhausen begeistert hatte. Gisler brachte einen rockigeren Stil und wohl auch eine neue dynamische Dringlichkeit mit. «Meine Devise war immer, dass ich die Musiker in der Band machen liess», sagt Egli. «Wenn es einen steuernden Einfluss gab, dann ging dieser von den Kompositionen aus. Aber auch bei diesen handelte es sich eher um Skizzen als um detaillierte Weisungen.» 2014 entschloss sich Valentin Dietrich, die Musik gegen ein Philosophie-Studium einzutauschen. Er wurde durch Martina Berther ersetzt, die Egli durch ihre Auftritte in der JazzBaragge aufgefallen war. Damit war die heutige Formation geboren. Ein erstes Album erschien zwei Jahre später. Es trug den bezeichnenden Titel Everything Moves. Nun folgt mit Orientation ein deutlich luftigeres Nachfolgewerk. Man lässt sich Zeit zum Atmen. Melodien, manchmal auch nur Klänge und undefinierbare Geräusche hängen im Äther, bedrohlich wie ein Bussard oder elegant wie eine Möwe. Eglis Sax-Riffs sind verschlungener und lyrischer geworden, auch sie lassen sich Zeit, ehe sie an ihren Anfang zurückkehren und zur nächsten Runde ansetzen. Die gislersche Gitarre wiederum wirkt geradezu meditativ mit ihren fein in den Ensemble-Sound hineingehauchten Akkorden und quecksilberhaften, auch mal dissonanten Soli. «Aus Gegensätzen schlägt die Band kreative Funken», schreibt Christoph Wagner träf in den Liner-Notes und schliesst: «Mit ‹Post-Jazz› wäre ihre Musik heute vielleicht am ehesten beschrieben.»

Eruption im Studio

Dabei sei die Entstehung des Albums nicht einfach gewesen, gesteht Florian Egli. «Die Entwicklung begann schon mit dem letzten Album», sagt er. «Dass ständig etwas passieren sollte in unserer Musik, war mir zuviel geworden. Ich habe mich sozusagen zurückentwickelt. Ich suchte das Ritualhafte, die Ruhe und den ‹Space› der frühen Tage.» Gisler habe sich mit der neuen Ausrichtung nicht auf Anhieb anfreunden können. «Von seiner anderen Band her, Pilgrim, war er es sich gewohnt, dass man immer etwas tun konnte und dann gleich ein Feedback zurückkam. Diese Tendenz versuchte ich nun etwas zu unterdrücken. Es ist ein anderes System, wenn man zusammen etwas zum Laufen bringen will, das rollen soll wie eine Kugel.» Dass im Studio manchmal dicke Luft geherrscht habe, sei nicht abzustreiten. Aber eine Trennung stand nie zur Diskussion. Niemand aus der Band hätte die kreative Herausforderung missen wollen, welche die ungewöhnliche Zusammensetzung dieser Band mit sich bringt. Nicht nur Dave Gisler spielt in allerhand anderen Ensembles mit. Auch die restlichen Mitglieder sind bei anders gelagerten Projekten beteiligt. So gehört Egli dem Vorstand der JazzBaragge an und spielt unter anderen bei der Egli-Santana Group, dem Lucerne Jazz Orchestra und dem Jazz-Quintett Jenny mit. Einmal im Monat serviert er mit Raphael Walser (Bass) und Jonas Ruther (Drums) im Restaurant Holzschopf hochoktanigen Hard Bop im Stil von John Coltrane. Rico Baumann tritt an der Seite der Sängerin Daniela Sarda im Elektro-Pop-Duo True auf und gehört zur Begleitband von James Gruntz. Martina Berther wiederum lebt ihre punkige Seite im Duo Ester Poly aus. «Jeder hat sein eigenes zusätzliches Fenster», erklärt Egli. «Deswegen ist Weird Beard so spannend. Es ist eine Herausforderung, all diese Impulse auf eine Schiene zu bringen. Sich daran zu erinnern, dass wir hier anders denken müssen als in unseren anderen Bands.»

Als er die fertigen Aufnahmen hörte, war auch Dave Gisler begeistert. Es sei das Beste, was er je eingespielt habe. «Daraus ist eine tolle Diskussion entstanden», schliesst Egli. «Wir waren wieder alle voll im Boot. Es hatte diese Eruption gebraucht. Der Startschuss war dieses Album. Jetzt tönt die Band so, wie ich es mir einst vorgestellt hatte. Aber es geht natürlich weiter. Meine Gedanken sind schon beim nächsten Album.»

 

Links

 

23.03.18 Cinema sil plaz Ilanz (CH)
26.03.18 Moods Zürich (CH)
 

Weird Beard

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