Der Star hinter den Kulissen

Christian Buxhofer starb völlig unerwartet am 16. Februar im Alter von 52 Jahren. Für Arosa, Graubünden, ja für die ganze kulturelle Schweiz ist sein Tod ein enormer Verlust.

Es waren drei Herzen, die in seiner Brust schlugen. Eines gehörte seiner Familie, als Ehemann und Vater eines 13-jährigen Jungen, eines dem Bündner Tagblatt, das er als Chefredaktor jahrelang prägte, und eines der Kultur, namentlich der Musik, der er in Arosa eine breit gefächerte Plattform bot. Und vielleicht war es am Ende die brennende Leidenschaft für diese Dinge, die sein sterbliches Ich zu früh vollendete.

Jeder einzelne dieser Lebensbereiche erfuhr eine so hohe Aufmerksamkeit und Zuwendung, dass es kaum vorstellbar ist, wie dies alles in einem 24-Stunden-Tag Platz haben konnte. Christian Buxhofer aber war ein sehr aussergewöhnlicher Mann. Kennengelernt habe ich ihn anlässlich eines Konzertes, das ich mit meinen Mitmusikerinnen und Mitmusikern vom casalQuartett 2006 in Arosa gab, anlässlich des 100. Geburtstages von Hans Schäuble, dem dort 1906 geborenen Komponisten. Aus diesem Zusammentreffen entwickelte sich das Arosa Musikfestival, eines der vielen Projekte, die Christian Buxhofer initiierte und durch die Anbindung von Partnern aller Art pragmatisch in die Realität umzusetzen wusste. In wenigen Tagen wird es – ein letztes Mal von ihm geprägt – über die Bühne gehen.

Seit 1985 engagierte er sich ehrenamtlich für die Kultur, ausgerechnet im kleinen Bergdorf Arosa auf 1800 Höhenmetern. Man kann durch dieses Dorf nicht hindurch, nur ankommen und wieder gehen. Es ist immer Ziel, nie zufällige Station. Es ist ein Ort, den die Natur rau und wild umgibt, der aber gleichzeitig so viel Wärme, Geborgenheit und Sehnsuchtspotenzial entwickeln kann, dass man dort schnell in eine Art Bindungsfalle hineinläuft. Sich auf Arosa einlassen, heisst: entweder ganz oder gar nicht. Halbheiten haben keine Chance.

Christian Buxhofer war kein Mann für halbe Sachen. Er hatte die seltene Gabe, seinen Anliegen unablässig und auf sanfte Weise Nachdruck zu verleihen, auch gegen Widerstände und ohne Aussicht auf persönliche Lorbeeren. Echte Wertschätzung seiner Arbeit machte ihn überglücklich, aber er forderte sie nicht ein. Sein grösster Lohn war, dass, was er anstiess, Erfolg hatte, Qualität aufwies.

Heute, mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Beginn seines Engagements – damals war er Lehrer in Arosa – ist seine frühere Wahlheimat europaweit der Ort mit den meisten Musikkursen von der Keltischen Harfe bis zum Kinderchor, verfügt über ein Opernfestival im Sommer, ein Osterfestival mit gemischtem Programm zwischen Klassik und Folklore sowie seit drei Jahren eine sommerlichen Music Academy, ein Magnet für zahlreiche Musikstudenten aus aller Welt. Aber nicht nur die Schwergewichte der Jahresplanung lagen Christian Buxhofer am Herzen, sondern auch kleine und feine kulturelle Kontinuitäten, wie die wöchentlichen Konzerte im akustisch wunderbaren und optisch reizvollen Bergkirchli. Wer in Arosa ist, weiss, dass er jeden Dienstag um 17:00 Uhr ein Konzert hören kann. Gratis und mit oft überraschendem Inhalt im intimen, archaischen Kirchenraum mit Blick auf das Dorf und eine herrliche Gebirgskulisse.

Aber Buxhofer war nicht nur Ideengeber, sondern auch bienenfleissiger Macher und kongenialer Netzwerker. Er hielt alle Fäden in der Hand, hochvirtuos und vielseitig, charismatisch und verbindlich, geduldig und insistierend, kenntnisreich und enthusiastisch. Aufgegeben hat er nie, für ihn gab es für jedes Problem eine Lösung und meist war er es, der die Lösung tatsächlich beibrachte.

In seiner Arbeit für das Bündner Tagblatt war er vor allem den politischen Themen nahe. Ja, er hätte auch selbst Politiker sein können. Seine Fähigkeit zur Kommunikation und sein Sendungsbewusstsein, seine Überzeugungen und sein Gemeinsinn wären perfekte Voraussetzungen gewesen. Aber er kannte die Fallstricke wohl zu gut. Das Faule-Kompromisse-Machen hätte ihm sehr zugesetzt. Christian Buxhofer konnte man nicht für Zwecke verbiegen, die ihm nicht einleuchteten. Seine Bodenständigkeit und Geradlinigkeit sorgten für einen klaren Kopf, dem der Sinn seines Tuns wesentlich war. Aber auch Unabhängigkeit und die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, waren ihm einfach zu wichtig. Im Bereich der Kultur konnte er sich so engagieren, wie er es für richtig hielt.

Als Amateurorganist kannte er die Musik und die oft anspruchsvolle Ausprägung künstlerischer Charaktere und Eigenheiten so gut, dass er sich perfekt darauf einstellen konnte. Es konnte nicht sein, dass er nicht zurecht kam mit einem Musiker, er wusste Befindlichkeiten zu erkennen, Bedürfnisse zu sehen und zu erfüllen, ohne sich dabei zu verbiegen. So machte er sich diskret und absichtslos beliebt und war als Partner gesucht. Man vertraute sich ihm an, man übergab ihm blindlings Verantwortung, einfach, weil er so ein gewinnendes Wesen hatte. Umgekehrt konnte man ihm auch fast nichts abschlagen, er überzeugte, ohne grosse Worte und Gesten, einfach so.

Wir Musiker sind glücklich, wenn wir spüren, dass das, was wir tun, akzeptiert wird. Wenn wir Ohren finden, die zuhören, Worte, die ermuntern, Augen, die begeisterungsfähig sind … Freilich war Christian Buxhofer nicht naiv. Er war ganz im Gegenteil psychologisch höchst raffiniert oder besser: feinfühlig. Jede Fassade, jede Allüre konnten ihn regelrecht erschüttern. Sie beleidigten seinen Sinn für Balance. Ihm war der Dienst an der Kunst so heilig, dass er Egozentrik und nervenaufreibendes Tamtam als das empfand, was es ist: überflüssig. Ihm war wichtig, dass man für die Sache brannte, sei es nun in Arosa oder in der Carnegie-Hall in New York …

Es ist ein Unterschied, ob man einem Künstler eine Bühne zur Verfügung stellt, oder ihm diese bereitet. Das konnte Christian Buxhofer wie wenig andere. Er hinterlässt nicht nur eine Familie, sondern auch eine riesige, bestürzte, trauernde Künstlerfamilie und regelrechte Fangemeinde. Ein stiller Star hinter den Kulissen war er und ein weitherum geachteter und geschätzter Freund.

Für Arosa, Graubünden, ja für die ganze kulturelle Schweiz ist sein Tod ein enormer Verlust. Seine Werke fortzusetzen ist eine gewaltige Aufgabe und dringliche Pflicht zugleich.

Christian Buxhofer starb völlig unerwartet am 16. Februar im Alter von 52 Jahren.