Das Ostfenster öffnen

«Von den Alpen bis zum Kaukasus» heisst ein umfangreiches Austausch- und Förderprojekt, das seit Jahren musikalische Bande zwischen der Schweiz und Georgien knüpft und vertieft. Organisiert wird es von der Pianistin Tamara Kordzadze und dem Verein Vivace.

T. Kordzadze, F. Di Càsola und T. Grossenbacher am Benefizkonzert vom 20. 11. Foto: Ralf Kostgeld

Im November 2016 hat dieses Projekt mit einem Meisterkurs und einem Benefizkonzert an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) seine Fortsetzung gefunden. Von früheren Anlässen in Erinnerung geblieben sind zum Beispiel die Konzerte vom November 2012 in Bern und Zürich, als hochbegabte Kinder aus Georgien zwischen neun und sechzehn Jahren das Publikum begeisterten. Das jüngste Konzert bestritt eine Auswahl an Dozenten und Studierenden der Hochschulen in Tiflis und Zürich.

Der Anlass fand im Rahmen des Kulturaustausches der beiden Länder statt. Die ZHdK nimmt schon seit mittlerweile 15 Jahren Studenten aus Georgien in unterschiedlichen Studiengängen auf – die Palette reicht vom Vorstudium über Bachelor- und Masterstudium bis zum Solistendiplom. Der Austausch, der auch erlaubt, die Begabtenförderung beider Länder zu vergleichen, steht unter dem Patronat des Vereins Vivace, der 2009 von der in der Schweiz wirkenden georgischen Pianistin Tamara Kordzadze gegründet wurde.

Die Pianistin kam einst dank eines Stipendiums der Stiftung Lyra nach Zürich an die Hochschule in die Klasse von Konstantin Scherbakov, wo sie ihre Ausbildung mit dem Solistendiplom abschloss. Meisterkurse führten sie unter anderem zu Rudolf Buchbinder, der jetzt neben Daniel Fueter, Peter Stamm und Manana Doijashwili aus Georgien das illustre Patronatskomitee des Vereins Vivace bildet.

Dank Kordzadzes Anstrengungen ist es seit der Gründung von Vivace gelungen, mit Hilfe von Stiftungen, Benefizkonzerten und Spenden insgesamt 25 Projekte und 70 Studentinnen und Studenten aus Georgien zu unterstützen. «Wegen der unstabilen politischen Entwicklung und dem Rückgang der finanziellen Fördermittel in Georgien ist es für viele junge Talente schwierig oder unmöglich, auf Unterstützung in ihrer Ausbildung und musikalischen Laufbahn zu zählen», erklärt sie.

Neue Antworten auf künstlerische Fragen

Unter den involvierten Dozenten des Projektes in Zürich befand sich auch der Erste Solocellist des Tonhalle-Orchesters und Dozent an der Hochschule, Thomas Grossenbacher, der auf die Frage nach den Beweggründen für sein Engagement meinte: «Ich finde es wichtig, in unserem westlichen Elfenbeinturm mal das Ostfenster zu öffnen. So sehen wir, dass von dort zwar viel Inspiration kommt, aber auch materielle Sorgen bestehen, die wir mit dieser Veranstaltung wenigstens ein bisschen lindern können.»

In der Tat ist es nicht nur der finanzielle Aspekt, der bei Von den Alpen bis zum Kaukasus zählt, wichtig sind auch die künstlerische Inspiration und der gegenseitige Austausch. So fanden im Juni 2015 auf Initiative von Vivace zwei internationale Benefizkonzerte in Tiflis statt, bei denen auch vier junge Schweizer Musikerinnen und Musiker teilnahmen und Erfahrungen auf dem Konzertpodium sammeln konnten. Im Herbst wurden dann Meisterkurse und Workshops mit Dozenten der ZHdK im Staatlichen Konservatorium der georgischen Hauptstadt durchgeführt.

Auf welch hohem Niveau gespielt wird, konnte man aus dem Programm der Zürcher Konzerts ersehen: Werke von Prokofjew, Ysaÿe, Dvořák, Widor, Milstein, Beethoven, Martinů, und Skrjabin kamen zur Aufführung. Neben Studierenden waren auch die Berufsmusiker Liana Isakadze (Geige), Thomas Grossenbacher (Cello), Tamara Kordzadze (Klavier) und Fabio Di Càsola (Klarinette) mit dabei. Letzterer erzählt, wie er zu diesem Projekt für Georgien gekommen ist: «Vielleicht war meine sehr gesangliche, nicht so aggressive Art zu spielen ausschlaggebend, dass ich von Tamara Kordzadze angefragt wurde, ob ich mitmachen wolle.» Er sagte denn auch spontan zu. «Ich merke, dass ich älter werde und empfänglicher bin für Projekte wie dieses Benefizkonzert. Gerade wenn ich die Situation im Westen mit derjenigen in Georgien vergleiche, bin ich dankbar, dass ich meine Ausbildung hier absolvieren konnte, und ich möchte deshalb etwas weitergeben an die georgischen Jugendlichen.»

Wie schon in Tiflis waren auch in Zürich Musiker aus beiden Ländern im Einsatz und es fragt sich natürlich auch, was dieser Austausch mit einem anderen Kultur- und Musikkreis pädagogisch bedeutet: «Die Studierenden lernen», sagt Thomas Grossenbacher, «künstlerische Fragen auf einem neuen, bis dahin vielleicht unbekannten Weg zu beantworten. Dieser Austausch ist für sie belebend und inspirierend.»

Geradezu enthusiastisch fällt das Fazit der Organisatorin Tamara Kordzadze aus: «Unser Meisterkurs ist bei den Studenten und Studentinnen sehr gut angekommen. Der Austausch wurde und wird von den Musikern enorm geschätzt und fördert die künstlerische Entwicklung stark. Die 70-jährige Liana Isakadze hat mit ihrer äusserst temperamentvollen Art und ihren präzisen Erklärweisen und Rückmeldungen die Studenten begeistert. Das Benefizkonzert hat viele Musikinteressierte angezogen. Die grossartigen Darbietungen der Musiker im akustisch hervorragenden Konzert-Saal wurde vom Publikum am Ende mit einer Standing Ovation belohnt.»

Website des Vereins Vivace

www.vivacegeorgia.com

Das könnte Sie auch interessieren