Indiana Jones und Beethoven
Vom 2. bis 5. April 2019 fanden in Frankfurt die Musikmesse und prolight + sound statt. Der Grossanlass ist nicht (mehr) für alle gleich attraktiv.
In Halle 12 war ich noch nie. Ich gerate hier als erstes in eine Indiana-Jones-Welt. Urwald überwuchert verfallende Ruinen, Tierlaute und Wassergeräusche sind zu hören, Nebel wabert durch die Szenerie: Eine auf Projektionen und Effekte spezialisierte Firma zeigt ihr Können im grossen Stil. Auch nachdem man die Wildnis durchquert hat, geht es in der ganzen Halle um Veranstaltungs- und Medientechnik, vom Tanzbodenbelag bis zur Lasersteuerung. Sie gehört zur Partnermesse prolight + sound, die parallel zur Musikmesse stattfindet.
Während sich hier sehr viele Besucher (zu mindestens 90 % Männer) durch die Gänge drängen, ist es in den Hallen der Musikmesse ruhiger. Jedenfalls in Halle 3.1, wo ich mit Vertreterinnen und Vertretern von Musikverlagen verabredet bin. Im vergangenen Jahr hatten sie ihre Stände in einer lärmigen Halle in der Nachbarschaft unter anderem des Blasorchesters der Bundeswehr. Die Saiteninstrumente und Akkordeons, mit denen sie sich dieses Jahr den Raum teilen, sind den Gesprächen über die jüngsten Notenausgaben und Musikbücher weitaus förderlicher. Allerdings weist die Halle nun eine leere Ecke auf.
Auch das Analoge ist digital
Bei den Verlagen sind auch tatsächlich weniger Aussteller vor Ort, kleinere Verlage oft bloss an Sammelständen, nationale Vertretungen des jeweiligen Musikschaffens nur mehr sehr vereinzelt. Ist das eine Folge der Digitalisierung? Ein Verlagsprogramm lässt sich leicht übers Internet zeigen und konsultieren. Musikinstrumente dagegen wollen immer noch analog betrachtet und bespielt werden, auch wenn viele von ihnen natürlich längst ebenfalls mit digitalen Features ausgestattet sind. So beispielsweise Klaviere, die auf Knopfdruck zum Digitalpiano werden, dessen Töne aus dem Kopfhörer kommen, oder ebensolche Schlagzeuge, die damit wohnungskompatibel sind. Werkstoffe für den Instrumentenbau werden vorgestellt, dem Holz nachempfunden, aber eben verbessert, wie es heisst; und Geigen aus dem 3D-Drucker. Eine schon mehrfach ausgezeichnete Neuheit ist das Notenlesegerät Gvido, das wie ein Heft aufgeschlagen wird und aus zwei hochformatigen Seiten resp. Bildschirmen besteht, auf die auch notiert und das Notierte gespeichert werden kann. Wie eine bewusste Abwendung vom Technischen muten daneben Stände an die – gewachsenes – Klangholz anbieten oder Therapieinstrumente, etwa eine Klangwiege für Erwachsene, in die man sich hineinlegen und von Saitenklängen durchströmen lassen kann.
Fach- oder Publikumsmesse
Bei der Verkleinerung der Ausstellerliste, was die Musikverlage anbetrifft, spielt vermutlich auch die zunehmende Beliebtheit der Leipziger Buchmesse eine Rolle. Das ist eine Publikumsmesse. In Frankfurt setzt man auf die entgegengesetzte Tendenz. Im offiziellen Messekatalog erläutert Detlef Braun, der Geschäftsführer der Messe Frankfurt, das neue Konzept, nach dem die eigentliche Messe nicht mehr bis Samstag dauert: «Business first! (…) In diesem Zuge öffnet die Veranstaltung erstmals an vier Werktagen (…) und unterstreicht damit ihren Fokus auf Fachbesucher.» Das breite Publikum und die Stadtbevölkerung sind dafür ans Musikmesse-Festival geladen, Konzerte auf dem Messegelände und in städtischen Clubs, und an den Plaza-Samstag, einer Mischung aus musikalischem Markt und Volksfest. Schulklassen werden ins Congress Centre gebeten, wo sie Musikinstrumente alles Art ausprobieren können.
Die Messe den Fachleuten, das Spektakel dem Publikum: Das leuchtet ein. Den Verlagen, deren professionelle Ansprechpersonen, sprich: Musikalienhändler, immer weniger werden, ist damit aber vermutlich nicht gedient. Dass sie nach Leipzig blicken, ist also verständlich. Im Herbst soll dort nun sogar eine eigene Musikmesse durchgeführt werden. Vorläufig sind sie aber in Frankfurt anzutreffen, und sie machen auch ganz klar, was für die klassische Musikbranche im nächsten Jahr angesagt ist: Beethoven! Der 250. Geburtstag findet hier zu Recht schon jetzt statt, denn was 2020 gespielt und diskutiert wird, liegt in Notenausgaben und Büchern jetzt vor.