m4music: Mit digitalem Schub in Richtung Nachhaltigkeit

Nach zwei Jahren Unterbruch fand das Musikfestival m4music wieder vor Ort und mit Publikum in Zürich statt. Das Branchentreffen der Schweizer Popszene zog rund 1300 Professionals und 4000 Musikfans an und soll als «Ort der Verdichtung» bestehen bleiben.

Publikumsmagnet Giulia Dabalà bei ihrem Open-Air-Auftritt am 26. März. Foto: m4music

Während m4music, das Popmusikfestival des Migros Kulturprozents, der Corona-Pandemie 2020 gänzlich zum Opfer fiel, verlegte sich der Event mitsamt seiner Demotape Clinic sowie diversen Panels im Folgejahr auf die digitale Ebene. «Das hat erstaunlich gut geklappt», erinnert sich Festivalleiter Philipp Schnyder von Wartensee. Dennoch zeigt er sich erleichtert, dass m4music diesen März wieder live und vor Ort in Zürich stattfinden konnte.

Anders als in früheren Jahren verzichtete man darauf, das Festival in Lausanne zu eröffnen. «Stattdessen werden wir im Mai einen Event auf Couleur 3 mit Künstlerinnen und Künstlern wie Evelinn Trouble oder Giulia Dabalà durchführen», führt Schnyder im Gespräch nach dem Festival aus. Es ist zugleich ein klarer Hinweis darauf, dass das Festival in Zukunft vermehrt unter dem Jahr Präsenz zeigen will – auch in der Romandie. Die Pandemie habe die Macherinnen und Macher von m4music zudem animiert, grundsätzliche Überlegungen zum Festival anzustellen. «Dabei haben wir uns entschlossen, am m4music als Ort der Verdichtung festzuhalten. Aufgrund von Corona haben wir jedoch einen digitalen Schub erhalten. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass wir uns von diversen Drucksachen verabschiedet haben.»

Ohnehin habe sich das m4music zum Ziel gesetzt, nachhaltiger zu werden. «Seit diesem Jahr sind wir ein vegetarisches Festival. Wir haben uns auch gefragt, ob wir für unser Programm und die Conference überhaupt weiterhin Leute einfliegen lassen wollen. Unsere Antwort: Nur noch im Notfall.» Laut dem Festivalleiter haben in den letzten beiden Jahren Themen wie das Klima oder Rassismus an Dringlichkeit gewonnen. «Solches wollen wir in die Conference einfliessen lassen.» Folgerichtig wurde am diesjährigen Festival auch über «kulturelle Aneignung und Musik» oder «Green Touring» diskutiert.

Erstmals mit Jazz

Insgesamt nahmen am m4music vom 25. und 26. März gegen 4000 Musikfans sowie 1300 Professionals teil. «Die Zahl der Professionals war sogar höher als in den Vor-Corona-Jahren. Wir erachten sie als Beweis dafür, wie gross das Bedürfnis in der Musikszene war, sich wieder physisch begegnen zu können», betont Schnyder. Ein weiteres neues Thema am m4music war der Jazz. «Wir hatten bereits für 2020 eingeplant, uns insbesondere mit dem jungen Jazz zu beschäftigen. Doch aufgrund der Pandemie musste das Ganze warten.» In diesem Jahr stand unter anderem ein Panel mit dem Titel «New Jazz – frischer Wind und keine Grenzen» auf dem Programm. Dafür trafen sich der Leiter des Jazzfestivals Willisau, Arno Troxler, die Gründerin des Hamburger Elbjazz-Festivals, Tina Heine, und der Musiker Benedikt Wieland, der bei Sonart – Musikschaffende Schweiz für die Ressorts Internationale Angelegenheiten und Soziale Sicherheit zuständig ist.

Die These von Moderator Stefan Künzli lautete, dass junge Musiker wie Jordan Rakei, Jorja Smith oder Loyle Carner zunehmend die Genregrenzen des Jazz auflösen, indem sie diesen mit Hip-Hop, Soul, Indie oder elektronischer Musik vermengen. Während Troxler darauf pochte, dass sich der Jazz seit jeher überaus divers zu präsentieren verstehe und keineswegs nur für ältere Männer stehe, betonte Wieland, es sei höchste Zeit, damit aufzuhören, mit irgendwelchen Begrifflichkeiten um sich zu werfen. «Derlei muss mit Musik überwunden werden.» Heine, seit 2016 Intendantin des Salzburger Festivals Jazz & The City, rückte Besucherinnen und Besucher zwischen 15 und 80 in den Fokus: «Diese dürfen die Musik an unserem Festival gerne auch mal ‹grottig› finden.» Ihr gehe es in erster Linie darum, dass sich die Leute überhaupt von ihrem Sofa zu Hause erheben und an Konzertanlässen zusammenfinden.

Streaming beeinflusst Songwriting

Derweil wollte ein von der Suisa präsentiertes Panel ergründen, auf welche Weise Musikstreaming den Popsong verändert; zumal auf einem Portal wie Spotify, wo Tag für Tag 65 000 Songs hochgeladen werden und es daher unerlässlich ist, seinen Liedern ein Alleinstellungsmerkmal mit auf den Weg zu geben – sonst drohen sie in der Masse unterzugehen. «Meine Regel lautet, dass sich alle acht Sekunden etwas Neues in meinen Songs ergeben muss», gab Songwriter und Produzent Loris Cimino zu Protokoll. Zugleich betonte er: «Die Qualität des Handwerks muss dabei stimmen.»

Aus Sicht von Singer/Songwriterin Evelinn Trouble ist das Songwriting auf Spotify «nicht entscheidend: Ein guter Song bleibt ein guter Song.» Allerdings habe sie damit begonnen, zunehmend kürzere Songs zu schreiben. Henrik Amschler alias HSA sagte, er ziele darauf ab, dass in seinen Liedern möglichst rasch etwas geschehe. Julie Born, Managing Director von Sony Music Switzerland, betonte indes die zunehmende Relevanz der sogenannten Playlists auf Spotify. Zusammenfassend scheint nach wie vor zu gelten: Einen einheitlichen Weg zum Erfolg gibt es nicht – allerdings scheinen die Pfade, die ins Karriereglück führen sollen, sich zunehmend verschlungen zu präsentieren.
Das Panel «How Streaming Is Changing Songwriting» lässt sich unter folgendem Link nachverfolgen: www.m4music.ch/conference

Auszeichnungen

Der Hauptpreis «Demo of the Year» 2022 ging an Soukey aus Bern. Sie erhielt ebenfalls einen der vier Fondation-Suisa-Awards. Die drei anderen gingen an Goffbaby, David Caspar und Glaascats.

Mit dem «Best Videoclip 2022» (erstmals Jury- und Publikumspreis!) wurde die Inszenierung des Songs Driver von Joya Marleen durch das Regie-Duo Bastien Bron und Laetitia Gauchat («Das Playground», Neuchâtel) ausgezeichnet.

Das nächste m4music-Festival findet am 24. und 25. März 2023 in Zürich statt.

 

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