Sturm und Drang aus Genf

CD-Rezension: Hier wird keine musikhistorische Leiche exhumiert. Die Musik von Gaspard Fritz pulsiert und begeistert.

Jean-Etienne Liotard, Bildnis der Maria Adelaide von Frankreich in türkischem Gewand, 1753. Ausschnitt aus dem CD-Cover

«Er ist ein hagerer alter Mann, mit dem ich bald bekannt ward. Er war so gefällig, mir eins von seinen Solos vorzuspielen, welches zwar sehr schwer, aber dennoch gefällig war. Ungeachtet er an die siebzig Jahre sein muss, so spielt er doch mit ebensoviel Eifer als ein Jüngling von fünfundzwanzig.» Der berühmte englische Musikreisende Charles Burney erzählt hier von seinem Besuch 1770 bei einem grossen Schweizer Komponisten (wenn man Genf als zugewandten Ort zur Eidgenossenschaft zählen mag): bei Gaspard Fritz (1716–1783), den es bei uns immer noch ein wenig zu entdecken gilt. Fritz erhalte sich gut in der Übung, schrieb schon Burney, «ungeachtet er so wenig Gelegenheit hat, seine Talente zu zeigen und gehörig dafür belohnt zu werden». Die heimische Musikgeschichtsschreibung hat ihn zwar durchaus gewürdigt; Hermann Scherchen setzte sich einst für ihn ein, in Noteneditionen und Aufnahmen. Die Konzertveranstalter vernachlässigen ihn aber eher, dabei ist seine Musik durchaus bemerkenswert. Burney hat ihn treffend beschrieben: diesen Eifer wie von einem Jüngling (auch wenn Fritz da erst 54 war). Auch Händel soll seine Musik gelobt haben.

Die neue Aufnahme von fünf Sinfonien aus den Opera 1 und 6 bestätigt dieses Urteil – und nicht nur deshalb, weil das Orchester La Stagione Frankfurt unter der Leitung von Michael Schneider mit Schwung ans Werk geht. Vom ersten Ton an wird deutlich: Mit einem biederen helvetischen Kleinmeister haben wir es hier nicht zu tun. Diese Musik pulsiert lebhaft, stürmt und drängt, arbeitet mit Kontrasten und kann im nächsten Moment verliebt ein Detail umschwärmen. Es sind schönste Zeugnisse eines musikalischen Stils, der die Gemüter direkt ansprechen wollte: durch Unmittelbarkeit, Klarheit, Vielfalt und Spontaneität des Ausdrucks. Nichts dabei wirkt gekünstelt, kein Gran Fett ist daran, man hört dem jederzeit gern zu und hat dabei nie den Eindruck, hier werde bloss wieder mal eine musikhistorische Leiche exhumiert. Fritzens Musik lebt und fetzt!

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Gaspard Fritz: 5 Sinfonias (op. 1 Nr. 5 & 6, op. 6 Nr. 3, 5, 6). La Stagione Frankfurt; Leitung Michael Schneider; cpo 777 696-2

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