Ausgetretene Pfade

Eine hervorragende Einspielung von Cellosonaten aus der Sowjetunion. In dieser Sparte wäre allerdings noch viel zu entdecken.

Reliefstein vor dem Grab Alfred Schnittkes. Foto: Wwwrathert, wikimedia commons

Zwischen der Sonate d-Moll op. 40 von Dmitrij Schostakowitsch und der 1. Sonate (1978) von Alfred Schnittke liegen nur wenig mehr als vier Jahrzehnte. Die ästhetischen Positionen und die formalen Unterschiede könnten jedoch nicht grösser sein. Widerspiegelt Schostakowitschs Sonate einen hohen Grad an Klassizität, so zeugt Schnittkes experimentierfreudiger Gattungsbeitrag von einer weitaus grösseren, kulturpolitisch begründeten Freiheit. Überraschungen gibt es bei Schostakowitsch keine, bei Schnittke umso mehr. Das von den raffiniert barockisierenden Largo-Ecksätzen umrahmte Presto präsentiert sich als dämonisches Scherzo mit Perpetuum-mobile-Charakter von aufwühlender Ausdruckskraft.

Schon in der zeitlich dazwischen liegenden, 1949 entstandenen Sonate op. 119 von Sergej Prokofjew fällt die berückend schöne Kantabilität des Cellisten Mattia Zappa auf. Bei genauem Hinhören zeigt sich aber, dass er die Phrasierung insofern auf die Spitze treibt, als er einen Bindebogen an den andern reiht und dadurch eine fast endlose, unstrukturierte melodische Linie entwickelt. Mehr Profil und rhythmische Schärfe weist der solistisch ebenso stark geforderte Pianist Massimiliano Mainolfi auf. Ihm gelingt in Schnittkes Presto das Kunststück, ffff e martellatissimo zu spielen, ohne metallische Härte zu erzeugen.

Diese drei Werke bilden eine in vielen Einspielungen zementierte Trias. Sie ragen aus einem Eisberg von spielenswerten Sonaten für Cello und Klavier hervor, die es aus der Sowjetzeit zu erkunden gäbe, etwa bei Alexander und Boris Tschaikowskij, bei Alexandrow, Bogdanow-Beresowskij, Brumberg, Eiges, Feldman, Finkelstein, Goedike, Golubew, Jewsejew, Kirkor, Kossenko, Kotschurow, Mjaskowsky, Nikolajew, Roslavetz, Scharonow … Der grösste Teil dieser Sonaten wurde entweder Mstislav Rostropowitsch oder Daniel Schafran gewidmet und wartet auf eine Wiederentdeckung.

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A Russian Album (Sonaten von Prokofjew, Schostakowitsch, Schnittke). Mattia Zappa, Violoncello; Massimiliano Mainolfi, Klavier. Claves 50-1504

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