Gar brave Gefühlsspiegelung

Vielfalt prägt das Schaffen von Michael von der Heide. Das neue Album «Bellevue» zeigt, dass er nicht in allen Stilen gleichermassen ausdruckssicher ist.

Michael von der Heide. Foto: Patrick Mettraux

Das zehnte Album von Michael von der Heide ruft zunächst in Erinnerung, welch formidabler Sänger der 43-jährige Wahlzürcher aus Amden ist. Auf Bellevue meistert er einmal mehr mit Leichtigkeit und Geschmeidigkeit nicht nur jede Melodie, sondern auch viele Stile. Wie ein Paradiesvogel, den er auf der Bühne gern und glaubhaft gibt, hüpft er von französischem Chanson über das schweizerdeutsche Volkslied bis zum deutschen Lied, wobei das Pop-Format als verbindendes Element dient. Dass er keine Berührungsängste zum Schlager hat, zeigt sich auf dem neuen Album deutlicher als auch schon. Neu ist aber die elektronische Ausgestaltung einiger Stücke mit House-Patterns, in denen akustische Instrumente oft nur noch Schnörkel oder Akzente setzen.

Die Musik von Bellevue wird klar von Maurizio Pozzi alias Maury geprägt, der schon für Schweizer Grössen wie DJ Antoine und Remady gearbeitet hat und 2013 die Hymne zur Street Parade schuf. Der Zürcher hat nicht nur sämtliche Songs komponiert oder arrangiert, sondern auch produziert und viele Instrumente gespielt. Die kühle Tönung der Musik verstärkt die warme Intensität des Gesangs, von der Heides bedingungslose Hingabe. Die Kompositionen unterstützen allerdings gar brav die von den Texten vorgegebene Gefühlslage. Da alles absehbar ist, fehlt es den meisten Songs an Spannung und Charakter.

Zu den Ausnahmen gehört das von Christine Lauterburg stammende Mundartlied Hinterem Berg, das an das Guggisbergerlied erinnert. Gezupfte Saiteninstrumente bringen mit ihrem verzierenden Spiel eine trockene Brechung ins Stück, wie man dies von Leonard Cohens Spätwerk kennt. Reizvoll am Duett Rien que des amis ist, dass man die Stimmen von Sina und von der Heide stellenweise kaum mehr unterscheiden kann. Herausragend aber ist das von Markus Schönholzer komponierte Stück Weisse Haie. Es schafft eine atmosphärische Vielschichtigkeit, die den meisten anderen Liedern abgeht und die den sinnierenden Text von der Heides widerspiegelt.

In vielen Texten wimmelt es allerdings von Worten wie Herz, Sonne, Sommer und Meer. Schwer zu ertragen ist etwa das Stück Mit dir würde ich es immer wieder tun, weil es von Klischees und Pathos trieft und sich mit ebensolcher Musik zu einer Schnulze im Stil Helene Fischers steigert. Dass es auch im Schlager anders geht, zeigt etwa der Aargauer Dagobert, der denn auch in Deutschland viel Anerkennung erhalten hat. – Man darf besonders gespannt sein, wie Michael von der Heide dieses Stück live darbietet. Denn er ist nicht nur ein souveräner Sänger, sondern auch ein glänzender Entertainer, der mit seiner schelmenhafte Präsentation schon manchem seiner Stücke eine wohltuende Ironie verlieh.

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Michael von der Heide: Bellevue. MvdH.

 

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