Brahms light
Kammermusikalisch verjüngte Sinfonik und verbreiterter Quartettklang auf der jüngsten Aufnahme der Camerata Bern.
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Die Camerata Bern ist ein sehr agiles, lebendiges Ensemble. Unter der Führung der leidenschaftlich engagierten Geigerin Antje Weithaas hat es sich weiter profiliert, nicht nur spieltechnisch, sondern auch in der originellen Adaption kammermusikalischer Werke für Streichorchester, so etwa von Beethovens Streichquartett f-Moll auf der vielgelobten Beethoven-CD von 2012.
Nun hat Weithaas mit «ihrer» Camerata eine risikofreudige Brahms-Einspielung vorgelegt. Sie wagt es nämlich, das Violinkonzert von Brahms ohne Dirigent zu spielen, Weithaas führt das Orchester als Solistin an. «Mit einem anderen Ensemble wäre ich das Abenteuer wahrscheinlich nicht eingegangen», meint sie dazu. «Wir haben uns die letzten Jahre musikalisch wie menschlich sehr genau kennengelernt, wir verstehen uns inzwischen blind.»
Dennoch, Brahms‘ Violinkonzert ist komplex und die Besetzung «romantisch», also auch mit üppigem Bläser-Corps. Die Camerata spielt es in ungewohnt minimaler Streicherbesetzung, das ist heikel, doch das Resultat verblüfft: Die Präsenz der Musikerinnen und Musiker ist hochkonzentriert, die kammermusikalische Herausforderung führt nicht nur zu einer grösseren Transparenz, auch die Klangbalance zwischen Bläsern und Streichern gelingt überraschend gut.
Antje Weithaas spielt den Solopart mit warmem Ton, energiegeladen und sehnsuchtsvoll, sie weiss genau, was sie sagen will und verfügt über eine entsprechend vielschichtige Farbpalette. Im engen Dialog mit dem Orchester stimmt auch rhythmisch alles präzise zusammen. Das leichter bestückte Orchester tut dem «kompakten» Violinkonzert sogar richtig gut.
Den entgegengesetzten Weg geht das Ensemble beim Streichquintett op. 111 von Brahms, hier spielen je vier Geiger die beiden Violinstimmen, dazu kommen zwei Bratscher und zwei Cellisten. Was im Violinkonzert lichter wurde, ist hier nun üppiger, vor allem der Cellopart ist, wenn ihn plötzlich zwei Musiker zusammen spielen müssen, extrem heikel.
Das Quintett verträgt diese Volumensteigerung gut. Sicher, an manchen Stellen springt einen der ungewohnte Orchesterklang etwas gar direkt an. Eindrücklich ist aber die breit liegende Klangseligkeit des langsamen Satzes, und das Allegretto spielen die Musikerinnen und Musiker mit leichtfüssiger Eleganz. Das Experiment ist gelungen, diese CD-Einspielung ist spannend und sorgt für einen begeisternden Hörgenuss.
Johannes Brahms: Violinkonzert D-Dur op. 77; Streichquintett Nr. 2 G-Dur op. 111. Antje Weithaas, Solo-Violine und Leitung; Camerata Bern. Avi-music 8553328