Schwingende Saiten

Auf ihrer neuen Platte «Papito» gibt Erika Stucky für einmal nicht den Bläsern, sondern den Streichern den Vorzug. Zusammen mit sieben Barockmusikern hat die Sängerin zwölf Stücke eingespielt, die ebenso unkonventionell wie überzeugend sind.

Erika Stucky und die Mitglieder des Barockorchesters La Cetra. Foto: Francesca Pfeffer

 Statt der Gleichförmigkeit widmet sich Erika Stucky lieber dem Verblüffenden. Die Musik der 1962 in San Francisco geborenen Künstlerin, die sich bis dato vor allem zwischen Pop, Avantgarde-Jazz und Entertainment bewegte, schlägt auf ihrem Album Papito neue Pfade ein: Inspiriert von ihrem verstorbenen Vater, einem Metzger, wollte sie ihren Sound dieses Mal nicht mit Blech- oder Holzbläsern, sondern mit Saiten befeuern: «Ich wollte die Schwingungen von Därmen spüren, gewissermassen die Tiere weinen hören», bemerkte die für ihre Eigenwilligkeit bekannte Stucky.

Ihr neues Lieddutzend hat sie mit Mitgliedern des Barockorchesters La Cetra Basel eingespielt. Eine Kombination, die unerwartet ist, aber funktioniert. Streckenweise erinnert das Album an das im vorletzten Jahr erschienene Take All My Loves: 9 Shakespeare Sonnets von Rufus Wainwright, auf dem der US-Amerikaner Opernmusik mit Kammer-Pop und Rezitationen kreuzte. Stucky treibt das Spiel sogar weiter, indem sie nicht nur hitzköpfiger agiert, sondern auch Jazz und Elektronisches ins Spiel bringt.

Die Platte beginnt mit Ev’ry Time We Say Goodbye aus der Feder von George Gershwin, das Stucky mit Vogelgezwitscher, Cembalo und schmachtenden Violinklängen anreichert, wobei ihre Stimme zusehends grandiosere Kapriolen schlägt. Andere Coverversionen wie das von Streichern angetriebene I Want You von den Beatles oder das von Eifersucht geprägte Don’t Explain von Billie Holiday erweisen sich sowohl als Hommage wie auch als passendes Vehikel, damit Stucky ihren Emotionen freien Lauf lassen kann.

Ihre eigenen Stücke sind experimenteller: Während sich das gespenstische Kindly Do dem Dissonanten unterwirft, neigt Stacheldraht, das von der Begegnung einer Frau mit dem falschen Mann erzählt, dem Bedrohlichen zu. Das abschliessende Aftermath mutet zwar zärtlich an, kann und will jedoch seine auch beunruhigende Stimmung nie ganz abstreifen. Das alles fügt sich zusammen zu einem Werk, das zugleich unkonventionell und mutig ist, sich aber ebenso als Hörgenuss entpuppt, der stets aufs Neue überrascht.

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Papito. Erika Stucky, Vocals; Andreas Scholl, Countertenor; FM Einheit, Soundscapes, Elektronikas, Percussions; La Cetra Barockorchester. Traumton Records 4656

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