Intelligent ausgeleuchtet
«Impromptus», «Moments musicaux» und «Valses sentimentales» von Franz Schubert für zwei Gitarren bearbeitet: Raoul Morat und Christian Fergo haben das Repertoire für ihr Instrument überzeugend erweitert.
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Die Gitarristen Raoul Morat und Christian Fergo haben bei Frank Bungarten an der Hochschule Luzern studiert und sich dort auch zum Gitarrenduo zusammengeschlossen. Die Duoformation kann dem Instrument viel mehr Klavierliteratur erschliessen als die Sologitarre, aus einem einleuchtenden Grund: Da der Gitarrensolist bloss eine Hand zur Klangerzeugung hat – mit der andern muss er die Saiten verkürzen – fehlt ihm die harmonische und kontrapunktische Fülle der zweihändigen Klavierliteratur. Zwei Gitarren sorgen aber für verlustfreies Reproduzieren des Klaviersatzes. An Schuberts Werke haben sich die beiden bereits 2016 gewagt, als sie mit dem Tenor Julian Prégardien einen Winterreise-Zyklus realisierten. Nun also Impromptus, Moments musicaux und Valses sentimentales, die schon manchen Gitarristen gereizt haben dürften. Eines der Moments musicaux hat im 19. Jahrhundert bereits der bedeutende Gitarrist Francisco Tarrega bearbeitet. Nun legen Morat und Fergo also eine ganze Sammlung dieser Charakterstücke vor, wohl nicht ganz zufällig auf einem österreichischen Label, es heisst Challenge Records.
Im ersten Moment erschrickt man ein wenig: Das erste Impromptu aus Schuberts Opus 90 beginnt im Original mit einem vierfach oktavierten G im Fortissimo. Auf zwei Gitarren tönt dies ziemlich jämmerlich. Je weiter sich das Gitarrenduo Morat-Fergo allerdings durch den Notentext arbeitet, umso mehr gerät man in den Sog der Musik, und mehr und mehr ist man fasziniert. Den Gitarren stehen eine Fülle an Klangtechniken zur Verfügung, Flageoletts, Vibrati, Pizzicati, die Klänge verschiedener Positionen der zupfenden Finger und so weiter. Das Luzerner Duo nutzt sie weidlich und überaus geschmackvoll, um die Musik Schuberts in allen Farben irisieren zu lassen. Es entsteht ein filigranes, transparentes Klangbild, das die ausgewählten Stücke delikat, aber auch modern erscheinen lässt.
Damit erweitert das Duo das Repertoire des Instruments, das mit hochstehenden Werken aus Spätklassik und Frühromantik wahrlich nicht gesegnet ist, auf überaus überzeugende Art. Es bemüht sich um zusätzliche historische Verwurzelung, indem es die Stücke auf Kopien von Gitarren aus der Zeit Schuberts einspielt. Zeitnähe wird damit allerdings kaum gewährleistet, auch wenn die Klanglichkeit der historischen Instrumente auf die Entstehungszeit der Originale verweisen kann. Man kann aber davon ausgehen, dass diese Klavierwerke, zu jener Zeit auf Gitarren gespielt, fremd geklungen hätten. Der Reiz der Bearbeitungen liegt eher ausserhalb von Bemühungen um historisch-informiertes Musizieren in allgemeinen interpretatorischen und gestalterischen Prinzipien. Das Resultat ist überzeugend, weil es die Musik zeitlos auf intelligente Weise durch- und ausleuchtet. Aufgenommen haben die beiden die CD in einem Konzertsaal der Abtei Marienmüster, finanziert teilweise über Crowdfunding.
Franz Schubert: A Sentimental Moment, Duo Morat-Fergo, Romantic Viennese Guitars. Challenge Classics CC 72791