Zanon und Pescia spielen Zanon
Abwechselnd mit dem Komponisten selbst spielt der bekannte Pianist Cédric Pescia Werke des noch wenig bekannten Gregorio Zanon.
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Die Doppel-CD mit Klavierwerken von Gregorio Zanon (*1980) rückt einen Schweizer Komponisten in den Fokus, der in der Deutschschweiz noch wenig bekannt ist. Zu Unrecht, würde ich nach dieser ersten Begegnung mit seinem Werk sagen. Es ist schade, dass die Plattenfirma die Biografie des Pianisten Cédric Pescia, der hierzulande einen ausgezeichneten Ruf geniesst, auf zwei Seiten ausbreitet, während über den Komponisten im Booklet nur dürftige Informationen zu finden sind. Bei Wikipedia erfährt man, dass der in Genf geborene Zanon in seiner Heimatstadt bei Jean Balissat und Eric Gaudibert sowie in London bei Dominic Muldowney studiert hat. Besonders mit Werken für Streicher hat er bereits beachtliche Erfolge erzielt.
Zanons Klavierwerk ist stilistisch vielgestaltig. Er ist kein Bilderstürmer, der die Musik neu erfinden will, aber auch kein Ewiggestriger, der heute noch komponiert wie zu Brahms’ Zeiten. Vielmehr baut er aus den Elementen der tonalen Musik seinen eigenen musikalischen Kosmos, der momentweise an Skrjabin, Schostakowitsch oder Ravel erinnern mag, aber als Ganzes doch eine ganz persönliche Leistung darstellt. Eine musikalische Schublade, in die man Zanons Werk stecken könnte, fällt einem auch nach längerem Nachdenken nicht ein. In seinem Booklettext nennt Antonin Scherrer als Elemente von Zanons Stil zutreffend den meditativen oder nostalgischen Kontrapunkt, Erinnerungen an Vogelrufe und den hyperromantischen Elan. Trotz der teilweise raffinierten Konstruktion seiner Stücke hat man nicht selten den Eindruck, dass sie im Moment improvisiert werden und der Verlauf noch nicht endgültig definiert ist. Einige Werke auf den CDs sind das Resultat von Umarbeitungen von Stücken, die der Komponist teilweise noch während seines Studiums oder gar vorher komponiert hatte. Vermutlich sind ihnen die Revisionen gut bekommen, da sie jetzt wie aus einem Guss wirken. Eine geistreiche Bach-Hommage sind die drei Goldberg-Etüden, die den Leipziger Meister ganz fein anklingen lassen. Sie wären bestimmt ein grosser Erfolg in jedem Klavierrezital.
Cédric Pescia und Gregorio Zanon teilen sich in die Aufnahmen der neun Werke, die pianistisch durchaus anspruchsvoll sind. Pescia zieht alle Register seines Könnens, und es ist eine Freude, ihm zuzuhören. Es ist ohrenfällig, dass er sich mit diesen Stücken voll und ganz identifiziert. Die grosse Überraschung ist aber der Komponist selber, der seinen Werken ein idealer Interpret ist, sehr klangschön in zarten Passagen, präsent aber auch da, wo sie grosses technisches Können erfordern. Kein Wunder, dass Pescia sich erinnert, er sei überwältigt gewesen, als er Zanon das erste Mal «seine Musik spielen – leben!» gehört habe.
Gregorio Zanon: Works for Solo Piano. Cédric Pescia und Gregorio Zanon, Klavier. Claves 1912/13 (2 CDs)