Fröhlicher Themenklau

Erstmals erscheint ein Streichquartett des Schweizer Romantikers Friedrich Theodor Fröhlich im Druck.

Fröhlichs Geburtsort Brugg in den 1820er-Jahren. Quelle: Schweizerische Nationalbibliothek/wikimedia commons

Während der im selben Jahr gestorbene Schicksalsgenosse Norbert Burgmüller (1810-1836) seit 2002 in den Denkmälern rheinischer Musik mit einer Gesamtausgabe seiner vier Streichquartette gut aufgehoben ist, hat es der Aargauer Friedrich Theodor Fröhlich (1803-1836) diesbezüglich immer noch schwer. Von den fünf Gattungsbeiträgen, die zu seinen instrumentalen Hauptwerken zählen, liegt einzig das 1827/28 in Berlin entstandene Quartett E-Dur gedruckt vor. Nach dem Autograf herausgegeben und mit einem Vorwort versehen wurde es von Carola Gloor, einer Brugger Musikstudentin und Violoncellistin. Ihre Fröhlich gewidmete Maturaarbeit brachte ihr mit dem Prädikat «hervorragend» den Sonderpreis Schweizer Jugend forscht: Kultur des 47.Nationalen Wettbewerbs ein, nachdem sie den Text mit dem Streichquartett-Experten Antonio Baldassare überarbeitet hatte.

Der in nur 280 Exemplaren veröffentlichte Erstdruck (Partitur und Stimmen) basiert auf Carola Gloors Transkription von Fröhlichs Handschrift mittels des Notenschreibprogramms Sibelius. In der bekannten Stichqualität des vom Bratschisten Bernhard Päuler geleiteten Amadeus Verlags erschienen, stellt das viersätzige Werk eine wesentliche Bereicherung des frühromantischen Quartettrepertoires dar.

Hätte Fröhlich dieses Werk seinen Berliner Lehrern Karl Friedrich Zelter und Bernhard Klein vorgelegt, wären sie mit den vielen Eigenwilligkeiten wohl kaum einverstanden gewesen. Sie erhöhen aber den Reiz der formal und klanglich unkonventionellen Komposition beträchtlich. Obschon er keine Durchführung enthält, entspricht der Kopfsatz der Sonatenform. Im Adagio erschweren komplizierte Rhythmen und unterschiedlich phrasierte Sextolen das Zusammenspiel. Das besonders einfallsreiche, in freier Rondoform geschriebene Finale zitiert über weite Strecken aus dem Kopfsatz und überrascht mit rezitativartigen Einschüben und einem wirkungsvollen Fugato.

Der Herausgeberin und ihrem wissenschaftlichen Berater entging es offenbar, dass das sanft wiegende Hauptthema des Kopfsatzes im Sechsachteltakt keine Erfindung Fröhlichs ist. Es entstammt der 1826 erstveröffentlichten Klaviersonate E-Dur op.6 von Felix Mendelssohn Bartholdy. Derselbe Komponist, den Fröhlich in Berlin mehr schätzte als erfolgreich kontaktierte, hat auch im Scherzo seine Spuren hinterlassen. Die Kombination von langen Sechzehntelketten mit Staccato- Begleitachteln in tiefer Lage findet sich bereits in dessen 1826 gedrucktem Capriccio fis-Moll op.5 für Klavier.

Was lange als Fröhlichs Missa I galt, erwies sich eines Tages als nur gering veränderte Abschrift einer Messe von Johann Gottlieb Naumann (1741-1801). Einmal mehr fällt Fröhlich als fröhlicher Plagiator auf, was jedoch bezüglich des kurzen Hauptthemas des Streichquartetts den Wert des Werkganzen keineswegs zu vermindern vermag.

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Friedrich Theodor Fröhlich: Streichquartett E-Dur, hg. von Carola Gloor, BP 1842, Fr.68.00, Amadeus Verlag, Winterthur 2012

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