Schwanengesang?

Der neueste Forschungsstand ist in diese Ausgabe von César Francks «Trois Chorals» eingeflossen.

Monument à César Franck de Alfred-Charles Lenoir (1850-1899). Foto: Siren-Com / wikimedia commons

«Je vais m’atteler avec courage à l’orchestration de Ghiselle, tout en faisant aussi autre chose» – mit diesen Worten umschrieb César Franck seine Aktivitäten im Jahr 1890, Zeichen seiner ungebrochenen Kreativität, trotz der Spätfolgen eines Verkehrsunfalls, die schliesslich zu seinem Tode führen sollten. Mit «autre chose» meinte er wohl zwei Werkzyklen: eine Reihe von gut 60 Harmoniumstücken, veröffentlich unter dem Titel L’Organiste, und die Trois Chorals. Auch wenn diese – wie so viele «letzte Werke» – gerne als Schwanengesang des leidenden Komponisten betrachtet werden, der sich darin noch einmal zu höchster kompositorischer Perfektion und in mystische Sphären aufschwingt, scheint es sich dabei um eine Auftragskomposition des Verlegers Durand gehandelt zu haben, die Franck relativ zügig umsetzte. Autografe Reinschriften deuten darauf hin, dass er auch die Publikation noch vorbereiten konnte. Da die Erstausgabe aber erst um den Jahreswechsel 1891/92 (also über ein Jahr nach Francks Tod) erschien, war es ihm allerdings wohl kaum mehr möglich, Druckfahnen zu korrigieren und die Publikation zu beaufsichtigen.

Friedemann Winklhofers Neuausgabe der Trois Chorals skizziert im ausführlichen Vorwort die Entstehungsgeschichte der Werke und fasst die wesentlichen Erkenntnisse zusammen, die Joël-Marie Fauquet in seiner epochalen, hierzulande leider relativ wenig beachteten Franck-Biografie (Fayard, Paris 1999) zusammengetragen hat. Gewisse Details – einige Registrierungsfragen oder die Namen der Widmungsträger, dankbarer Stoff für die Gerüchteküche – werden sich aufgrund der vorliegenden Quellen wohl nicht abschliessend klären lassen.

Für seinen hier publizierten Notentext scheint der Herausgeber allerdings neben dem Erstdruck auch Einsicht in bisher nicht zugängliche Autografe des ersten und dritten Chorals gehabt zu haben. Diese erlauben verschiedene geringfügige Ergänzungen und Korrekturen des «bekannten» Notentexts, wie ihn beispielsweise Günther Kaunzinger 1991 für die Wiener Urtext-Edition vorgelegt hat (übrigens mit praktisch identischer Paginierung). So sind die eröffnenden Sechzehntel-Figuren im a-Moll-Choral «neu» mit Legato-Bögen zusammengefasst, welche vielleicht die gelegentlich zu hörende «Trommelfeuer»-Artikulation etwas relativieren. Weitere Details lassen sich mit dem ausführlichen Kritischen Bericht überprüfen, führen allerdings nicht zu wirklich bahnbrechenden neuen Erkenntnissen. Interpretatorische Hinweise, so eine Stellungnahme zum «ewigen» Problem der Koppelmöglichkeiten des Récit-Manuals, sind nur im Vorwort angesprochen, der eigentliche Notentext ist dann aber neutral gehalten und verzichtet auch auf die englischen Registrierungsangaben des Erstdrucks oder auf deutende Ergänzungen des Herausgebers.

Fazit: eine zuverlässige und auf dem neuesten Stand der Franck-Forschung stehende Ausgabe in klarem und elegantem Notenbild. Und bereits ist eine weitere Franck-Edition aus dem Hause Bärenreiter angekündigt …

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César Franck, Trois Chorals pour Grand Orgue, hg. von Friedemann Winklhofer, HN 975, € 26.00, G. Henle Verlag, München 2013

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