Schubert verpflichtet
Eine Fragment gebliebene Klaviersonate vervollständigt, kommentiert und eingespielt von Bernhard Billeter.
Schuberts Klaviersonate C-Dur D 840, die sogenannte «Reliquie» – der Beiname verrät es –, ist ein Torso; der dritte und vierte Satz blieben unvollendet. Verschiedene Musiker haben im Lauf der Zeit Ergänzungen vorgenommen. Die Mehrzahl versuchte, sich stilistisch ganz nah am Vorbild zu orientieren wie etwa Paul Badura-Skoda. Andere wie Christoph Delz fügten dem Fragment bewusst einen verfremdeten Neubau an.
In der jüngsten Fassung von Bernhard Billeter ist etwas gelungen, was bisher noch gefehlt hat. Billeter bleibt dem Vorbild Schubert stets verpflichtet, wagt aber dennoch einige formale und harmonische Überraschungen, die eine solche Stilübung ja erst recht zum Leben erwecken. Genannt seien unter anderem der «Tonartenfahrplan» im Menuett sowie die wunderbare Reminiszenz an den ersten Satz in der Koda des Rondos. Sehr aufschlussreich sind auch Billeters Bemerkungen zur Aufführungspraxis, die er auf der beiliegenden CD auch gleich in die Tat umsetzt. Kleines Detail am Rande: In den Takten 489/490 ganz am Ende des Rondos sind in der linken Hand laut CD offenbar Achtel und nicht Viertel zu spielen, zweifellos die noch elegantere Variante.
Bleibt eine Frage offen: Weshalb liess Schubert diese Sonate unvollendet liegen? Hat ihn das thematische Material des dritten und vierten Satzes nicht mehr zur Weiterarbeit gereizt? Eine fast gleichzeitig entstandene und in vielem verwandte Sonate, jene in a-Moll D 845, konnte er nämlich als erste veröffentlichen, komplett natürlich.
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Franz Schubert, Klaviersonate in C-Dur D 840: «Reliquie», ergänzt, herausgegeben, kommentiert und gespielt von Bernhard Billeter, Noten mit CD, Sinus 11001, Fr. 39.80, Sinus-Verlag, Kilchberg 2014