Ein Offenes Singen leiten?

«Sing along!», das Chor- und Liederbuch zum Offenen Singen bietet nicht nur reichlich Material, sondern auch Methodik.

Ausschnitt aus dem Titelbild

Die Autoren Michael Gohl und Jan Schumacher, beides bekannte Chorleiter allererster Güte, legen eine Publikation zum Offenen Singen vor, die das Zeug zum neuen Standardwerk hat, mindestens jedoch zum Kompendium mit überreichem Material für (fast) jeden Bedarf auf diesem Gebiet. Gegliedert ist der Notenteil des Buches in die sechs Kapitel «Kanons, Humor, Bewegung», «Aus aller Welt», «Klassisches und Geistliches», «Advent und Weihnachten», «Gospels, Blues, Jazz» sowie «Rock, Pop, Schlager». Schon diese Überschriften veranschaulichen die grosse stilistische Vielfalt und die ideologiefreie Offenheit der Sammlung. Gleichzeitig wurde eine gute Mischung gefunden aus «alten Hits» und neuen oder neu arrangierten Liedern. Entschieden gelungen ist auch die Art der Arrangements: Die meisten können für die unterschiedlichsten Situationen angepasst werden. Das Spektrum der Stimmenzahl geht von der Ein- bis zur 41-Stimmigkeit(!).

Stilistisch beinhaltet die Sammlung Musik vom 16. Jahrhundert bis heute. Einen breiten Raum nimmt dabei die Popularmusik ein, die ja für die meisten Menschen heute der Normalfall von Musik ist; man muss fast dankbar sein, dass sich der Bereich der traditionellen Chormusik von Renaissance bis Romantik in kluger Auswahl ebenfalls findet. Auch die sogenannte Weltmusik spielt eine grosse Rolle – Afrika, Lateinamerika und diverse andere Regionen der Welt sind musikalisch reich vertreten.

Wenn man etwas vermisst, dann vielleicht am ehesten den Bereich der «Moderne». Auch wenn diese «naturgemäss» als nicht automatisch kompatibel mit dem Bereich des Offenen Singens mit musikalischen Laien erscheint, gab und gibt es doch immer wieder neuere oder lebende Komponisten, die sich bewusst mit den spezifischen Anforderungen einer solchen Situation beschäftigt haben. Neben der hier fast völlig fehlenden Musik der klassischen Moderne wäre es vielleicht auch denkbar, Konzeptartiges für ein Offenes Singen aufzubereiten bzw. bei geeigneten Komponisten in Auftrag zu geben. Vergleichbar mit den ja zu Hauf vorhandenen Arrangements für flexible Situationen, liessen sich improvisatorische Szenarien entwerfen, die tonale Bindungen hinter sich lassen, aber doch so einfach sind, dass sie umgesetzt werden können und so auch wirklich neue Klangerfahrungen ermöglichen. Hier wäre mit entsprechendem Mut etwas mehr möglich gewesen – immerhin finden sich ganz vereinzelt behutsame Schritte in diese Richtung.

Sehr gelungen und hilfreich ist der begleitende Textteil des Bandes. Neben Vorwort und Einführung in die Aufgabenstellung enthält der Anhang eine ausgewachsene Methodik des Offenen Singens, verfasst von Michael Gohl. Diese grundlegenden Anmerkungen, die alle Fragen rund um die Thematik reflektieren, sind absolut lesenswert und gehaltvoll, ja stellen im Grunde eine Art kleines Lehrbuch dar – wer Gohls Gedanken aufmerksam liest und umsetzt, ist für jede Art von Offenem Singen gerüstet.

Ergänzt wird der Band durch eine nützliche und übersichtliche Tabelle, die ein bewusstes Auswählen von Liedern für bestimmte Zielgruppen extrem erleichtert. Insgesamt also ein rundes und wohlgelungenes Buch, das jedem empfohlen sei, der sich mit offenen Singformen beschäftigt.

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Sing along! Singt mit! Das Chor- und Liederbuch zum Offenen Singen, hg. von Michael Gohl und Jan Schumacher, EP 11400, € 29.95, Edition Peters, Leipzig u. a. 2014

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