Pianistische Hürden groovig verpackt

Jazz, Afro-Caribbean, Evergreens: Von Mike Cornick gibt es Hefte für den Klavierunterricht in fast allen Stilen.

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Die Langeweile ist bekanntlich der Todfeind des Lernens, während unser Gehirn auf stetiges Wiederholen angewiesen ist. Schon bei Carl Czerny finden wir als Lösung für diesen Zielkonflikt den Trick des unablässigen Neuverpackens. In seinen 160 kurzen (8-taktigen) Übungen zum Beispiel, finden wir immer und immer wieder den Dominantquartsextakkord mit regelkonformer Auflösung. Das harmonische Klischee ist dabei teilweise so gut verpackt, dass wir die Floskelhaftigkeit gar nicht mehr wahrnehmen.

Der erfolgreiche Vielschreiber pianistischer Unterrichtsliteratur, Mike Cornick, scheint das Rezept seines Vorvorgängers verinnerlicht zu haben. Sowohl in der Sammlung In the Groove and More als auch in den drei 2014/15 erschienenen Bänden seiner Style Collection, Jazz, Afro-Caribbean und Evergreens, verpackt er pianistische Dauerherausforderungen immer wieder neu und raffiniert.

Im Band Jazz finden wir elf Standards und zwei Eigenkompositionen, die sich am traditionellen Jazz orientieren. Überwiegend Swing in seinen Varianten und ein binär zu phrasierender Ragtime dienen dem Training der heimtückischen Verschiebung der Taktschwerpunkte auf die Schläge 2 und 4 und des Vorziehens einzelner stiltypischer Taktteile um einen ternären Achtel. Leider sind die im Jazz unbedingt immer mitzulesenden Akkordchiffrierungen grafisch weit unter das Basssystem gerutscht. Sinnvoller wäre in Anlehnung an die Lead Sheet-Notation ein Abdruck derselben unmittelbar über der Melodie. Im Gegensatz zum Generalbass harmonisieren wir im Jazz ja «Songs», also die Melodien. Zudem soll das im Arrangement präzis Notierte im Jazzunterricht möglichst schnell als eine von vielen Varianten verinnerlicht werden, wie das Akkordsymbol umgesetzt werden kann, aber keineswegs muss. Kein Jazzpianist wird beispielsweise den wiederholten A-Teil eines Stücks zwei Mal gleich spielen. Dem Schüler soll stets klar sein, dass in der Praxis des Jazz improvisiert entsteht, was hier als verbindlich abgedruckt wird. Zur eigentlichen Improvisation wird er leider im Band selber nicht explizit aufgefordert.

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In den afro-karibischen Stücken bzw. deren Arrangements ist in obigem Zusammenhang erstaunlich, wie oft sich Cornick zum verpönten Streckmittel des Copy-Paste verleiten lässt. Die typischen Tonartenwechsel machen alleine den Stil noch keineswegs aus. Dasselbe in Grün nochmals abzudrucken mag allenfalls dem Transpositionstraining dienen, steigert sonst jedoch lediglich die Seitenzahl der Publikation. Pianistisch herausfordernder wäre ein dramaturgisch dem Tonartenverlauf folgend verdichteter, teilweise reharmonisierter oder um Oktavierungen erweiterter Satz.

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Wer sich an die Schreibe Cornicks gewöhnt hat, findet im Band Evergreens die Hits, die nach der Arbeit mit der Schule Piano Coach 1 und 2 (ebenfalls von Cornick) sein Repertoire ergänzen und erweitern. Ob wir jedoch auf eine weitere vereinfachte Version des Entertainers, des Maple Leaf Rags, von La Cucaracha oder Summertime gewartet haben, wagt der Schreibende zu bezweifeln.

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Cornicks Stärke bleiben die didaktisch solid geschriebenen Eigenkompositionen. Hier kann der sichtlich erfahrene Pädagoge aus dem Vollen schöpfen, ohne sich an Vorgängerarrangeuren messen zu müssen. Die 14 Stücke aus In the Groove and More sind ein toller Rundumschlag für die Mittelstufe vor allem klassisch vorgebildeter Schüler. Da auch jene spätestens ab diesem Niveau mit den Akkordsymbolen, vor allem der jazztypischen Septakkorde auf allen Harmoniestufen, konfrontiert werden sollten, ist es unerklärlich, ja fast schon ärgerlich, dass kein einziges Symbol die charakteristischen Voicings bezeichnet und den Weg in den Druck gefunden hat. Ebenso ärgerlich sind die heute halt üblichen Gimmik-CDs. Die gewählten synthetischen Sounds sind so billig und dürftig abgemischt, dass von einem Nutzen der Aufnahmen kaum gesprochen werden kann. Da ist das gute alte Metronom schon fast wieder das solidere Play-along.

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Cornick Mike, In the Groove and More, 14 unterhaltsame mittelschwere Stücke für Klavier, UE 21669, € 13,95, Universal Edition, Wien 2014

Mike Cornick, Style Collection – Jazz, Beliebte Jazzstandards, Blues und Spirituals in mittelschweren Bearbeitungen für Klavier, UE 21650, jeweils mit CD, € 17.95

id., Afro-Caribbean Style Collection, UE 21651

id., Style Collection – Evergreens, UE 21652

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