Minimal verschoben

Steve Reichs Violin Phase ist in einer Fassung für Gitarre und Tonband oder für vier Gitarren erschienen.

Foto: Janusz Klosowski/pixelio.de

Der 1936 geborene amerikanische Komponist Steve Reich ist ein Pionier der Minimal Music, in der mit repetitiven Mustern, mit langen, aber meist spannungsarmen Bögen und oft auch mit Phasenverschiebungen gearbeitet wird. Violin Phase aus dem Jahre 1967 ist eines jener frühen Werke, welche die Entwicklung dieser Stilrichtung mitprägten.

Das Stück ist wie so oft bei Reich auf den ersten Blick technisch einfach zu spielen, stellt aber dennoch hohe musikalische Anforderungen an die Aufführenden. Kurze patterns werden fast endlos wiederholt – wie oft genau, wird von den Spielerinnen und Spielern selbst bestimmt – sodass durch die Überlagerung der verschiedenen Melodieschnipsel ein clusterartiges Gewusel entsteht.

Die Schwierigkeit, aber auch die Faszination des Stücks liegt in den minimalen Phasenverschiebungen: Durch ein unmerkliches Accelerando einer Stimme wird ganz langsam vorerst nur eine, dann vielleicht eine weitere Achtelnote «aufgeholt». Die daraus resultierenden Tonmuster werden vorübergehend unübersichtlich, bis sich Gitarre und Tonband bzw. die vier Gitarren im gleichen Metrum wieder gefunden haben.

Die ausführlichen Spielanweisungen der Originalausgabe von 1967 wurden für die Gitarre angepasst; von wem, ist aber nicht ganz klar. Zwar sind sie mit Steve Reichs Namen unterzeichnet, jedoch nicht datiert. War Reich in die Herausgabe der Gitarrennoten involviert oder nicht? Wurden die Anweisungen gar vom Stück Electric Guitar Phase aus dem Jahre 2000 übernommen, das ebenfalls eine Adaption von Violin Phase war? Schade, dass der Verlag hier nicht für Transparenz sorgt, ist doch die Bearbeitungsgeschichte von Reichs Werken durchaus interessant!

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Steve Reich, Violin Phase for Guitars, für Gitarre und Tonband oder 4 Gitarren, UE 21646, € 24.95, Universal Edition, Wien 2015

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