Komplexe Genesis
Fazil Say hat die Erstfassung von Hindemiths Cellosonate rekonstruiert und ergänzt.

Paul Hindemiths Sonate op. 11 Nr. 3 für Violoncello und Klavier existierte vor der Drucklegung 1921 in einer stark von der Endfassung abweichenden Form: ursprünglich dreisätzig konzipiert, verwarf Hindemith den ersten und dritten Satz und verwendete nur den mittleren als Schlusssatz in der zuletzt zweisätzigen Endfassung. Die Partitur der Erstfassung gilt heute als verschollen. Lediglich deren autografe Solo-Cellostimme sowie Klavierskizzen sind erhalten.
Der türkische Pianist Fazil Say hat sich der Aufgabe gestellt, die überlieferten Quellen in eine aufführbare Form zu bringen. Wie jeder Teilrekonstruktion bzw. Ergänzung haftet natürlich der Makel des Hypothetischen an diesem Experiment. Doch Fazil Says Fassung ist ein beachtenswerter Lösungsansatz und evoziert die stilistische Vielschichtigkeit, welche in Hindemiths Werken dieser Periode zu finden ist. Nicht nur Hindemith-Fans sollten sich damit beschäftigen.
Paul Hindemith, Sonate für Violoncello und Klavier op. 11 (Erstfassung 1919), ergänzt und bearbeitet von Fazil Say, Partitur und Stimmen, ED 21259 € 38.00, Schott, Mainz