Bachs Sinfonien für Streichtrio
In Dmitry Sitkovetskys Transkription wird Bachs «auffrichtige Anleitung» für den Umgang mit drei obligaten Partien für ein Streichtrio nutzbar und zum Genuss.
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Bach hatte mit seinen zweistimmigen Inventionen und dreistimmigen Sinfonien für Klavier eine pädagogische Absicht. Er schrieb im Titel der Niederschrift von 1723: «Auffrichtige Anleitung, wormit denen Liebhabern des Clavires, besonders aber denen Lehrbegierigen, eine deütliche Art gezeiget wird, nicht alleine (1) mit 2 Stimen reine spielen zu lernen, sondern auch bey weiteren progreßen auch (2) mit dreyen obligaten Partien richtig und wohl zu verfahren, anbey auch zugleich gute inventiones nicht aleine zu bekommen, sondern auch selbige wohl durchzuführen, am allermeisten aber eine cantable Art im Spielen zu erlangen, und darneben einen starcken Vorschmack von der Composition zu überkommen.»
Weil diese zwei- und dreistimmigen Sätze konsequent kontrapunktisch gearbeitet sind, eignen sie sich sehr zum Spiel im Duo oder Trio. Bei der Besetzung als Streichtrio (Violine, Viola und Violoncello) muss zudem in keiner Stimme irgendetwas oktaviert werden, was ausserhalb des Tonbereichs der drei Instrumente liegt. So bleibt die originale Stimmführung erhalten. Auf diese Weise kommen auch tastenunkundige Streicher in den Genuss von Bachs «auffrichtiger Anleitung» zum Umgang mit drei obligaten Partien und zur «cantablen Art im Spielen»!
Der Geiger Dmitry Sitkovetsky hat seiner Transkription der Sinfonien eine akribische bogen-technische Einrichtung plus einige Phrasierungsangaben mitgegeben. Vereinzelt lässt er Passagen auch im Pizzicato spielen, etwa das in chromatischem Lamento gehaltene Thema der Sinfonia 9. Bei den Pizzicati der Violine setzt er dort gelegentlich Oktavverdopplungen ein, wahrscheinlich um sie denjenigen von Viola und Violoncello klanglich ebenbürtig zu machen. In den anderen Stücken bleibt das Pizzicato meist dem Violoncello vorbehalten. Auf Angaben zur Dynamik, zum Tempo und auf Fingersätze verzichtet Sitkovetsky. Er bleibt also sehr nahe am Original.
Puristen mögen über derartige Bearbeitungen die Nase rümpfen. Bach ist aber erstens nicht umzubringen, auch in den exotischsten Instrumentationen nicht! Und zweitens eignen sich diese Sinfonien von ihrer Länge und dem Schwierigkeitsgrad her tatsächlich für die Einführung von Lernenden ins kontrapunktische Spiel. Und sie klingen schön – Bach ist viel zu bescheiden, wenn er diese Stücke nur als Etüden bzw. «auffrichtige Anleitung» betrachtet!
Johann Sebastian Bach: Sinfonien BWV 787–801 (15 dreistimmige Inventionen), Tran-skription für Violine, Viola und Violoncello von Dmitry Sitkovetsky, Partitur und Stimmen, D 06 043, € 39.95, Doblinger, Wien 2015