Follia-Variationen im galanten Stil

Reinhard Goebel hat einen Teil der «Suonate a Quattro» des italienischen Komponisten Do-menico Gallo aus dem 18. Jahrhundert erstmals herausgegeben.

Reinhard Goebel. Foto: © Christina Bleier

Eine von Reinhard Goebel editorisch betreute und streicherisch eingerichtete Ausgabe hat schon einen besonderen Wert! Der Geiger, Gründer des Ensembles Musica Antiqua Köln (seit 1973), Dirigent und Dozent am Mozarteum Salzburg gilt als einer der kompetentesten und belesensten Spezialisten für historisch informierte Aufführungspraxis, aber auch als streitbare und pointiert auftretende Musikerpersönlichkeit.

Mit den hier als Erstdruck vorliegenden Follia-Variationen des italienischen, vermutlich neapolitanischen Komponisten Domenico Gallo (18. Jahrhundert, Lebensdaten sind keine verbürgt) hat Reinhard Goebel einen reizvollen Schatz des «galanten Stils» gehoben, und zwar aus den Beständen des Conservatorio Benedetto Marcello – Fondo Giustiniano in Venedig. Es handelt sich um das zwölfte Werk einer Sammlung von Suonate a Quattro. Der «Standard» Les Folies d’Espagne stammt aus dem 16. Jahrhundert und diente in der Barockmusik als beliebte Vorlage für instrumentale Variationen. Die populärsten Folies oder Follie stammen etwa von Lully, Marais, Corelli, Scarlatti und Geminiani, aber auch Bach (Bauernkantate, Nr. 8 Arie) und Händel (Sarabande d-Moll aus der Suite HWV 437) bedienten sich dieses Musters.

Domenico Gallo variiert den Standard sehr einfallsreich in seinem Streichersatz. Dieser kann, gemäss Reinhard Goebel, mit Kammerorchester, aber auch mit Quartett plus Cembalo oder einem anderen Continuo-Instrument gespielt werden. Die einzelnen Stimmen kommen sehr schön zur Geltung, es handelt sich nicht um ein «Konzert für erste Geige»! Allerdings stellt das Werk technisch einige Ansprüche an alle Ausführenden. Der Charakter der einzelnen Variationen ist abwechslungsreich. Reinhard Goebel gibt in seinem Vorwort auch nützliche Tipps, wie mit den Tempoangaben und den überlieferten Verzierungszeichen umgegangen werden soll. Seine Streichereinrichtung gibt den Artikulationen einen klaren Charakter, sie ist aber nicht aufdringlich notiert. Eine Figur wird jeweils nur bei ihrem ersten Erscheinen mit Bogenstrichen und Artikulationen versehen. Wer diese Einrichtung verwirft, muss also nicht alles überschreiben. Ebenso ist der von Max Volbers ausgesetzte Cembalosatz gehalten: vierstimmig, ohne jeden «Kunstanspruch». Wer Zusätze machen will, kann sich an den ebenfalls angegebenen Ziffern orientieren. Die Ausgabe enthält einen doppelten Streichersatz für die orchestrale Aufführung.

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Domenico Gallo: Follia aus «Suonate a Quattro» für zwei Violinen, Viola und Basso continuo, Erstausgabe von Reinhard Goebel, Collegium Musicum – Kölner Reihe Alter Musik, EW 929, € 19.80, Edition Walhall, Magdeburg 2016

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