Nicht nur für Spazierstock-Virtuosen

Auswahl für Sopranblockflöte aus den «100 Übungsstücken für Csakan» von Ernest Krähmer (1795–1837): eine Schule der Geläufigkeit, aber auch der Musikalität.

Carl Spitzweg: Der Sonntagsspaziergang. Quelle: Joachim Nagel «Carl Spitzweg», Belser, Stuttgart 2008

In einem der berühmtesten Gemälde der Biedermeierzeit, Carl Spitzwegs Sonntagsspaziergang, hält der Vater seinen Zylinderhut mit dem Gehstock in die Höhe. Man kann sich gut vorstellen, wie er beim nächsten idyllischen Rastplätzchen einen Csakan daraus hervornimmt und ein gefälliges Liedchen darauf bläst. Um 1800 kam diese in einen Spazierstock eingebaute Blockflöte in Mode, und Ernest Krähmer, Oboist der Wiener Hofkapelle, wurde deren wichtigster Virtuose und Pädagoge. Sein ganzes gedrucktes kompositorisches Werk ist dem Csakan gewidmet.

Krähmers 24 Solostücke in allen Dur- und Molltonarten von 1837 sind Preziosen frühromantischer Originalmusik für Blockflöte. Sie bilden inhaltlich das musikalische Repertoire Wiens jener Zeit ab, reihen sich aber in technischer Hinsicht in die in Mode gekommenen Instrumentalschulen ein. Anspruchsvolle Etüdenwerke sollten nicht mehr nur den Akkordinstrumenten vorbehalten sein. Durch die Verwendung von fingertechnisch ungünstigen Tonarten mit mehr als drei oder vier Vorzeichen sollen Geläufigkeit, schwierige Griffverbindungen oder Skalen und Dreiklänge durch alle Tonarten geübt, dabei aber auch der musikalische Geschmack geschult werden.

Krähmer ging mit seinen 100 Übungsstücken für den Csakan, denen die vorliegenden 24 Stücke entnommen sind, aber noch weiter: Sie enthalten detaillierte Vorgaben zu Artikulation, Klanggebung oder Dynamik und stellen nicht nur durch die Verwendung aller Versetzungszeichen und den grossen Umfang der Stücke hohe Anforderungen an das Spiel auf der Sopranblockflöte.

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Ernest Krähmer: 24 Solostücke in allen Dur- und Molltonarten für Blockflöte (Flöte/Oboe/Violine oder andere Melodieinstrumente), hg. von Helmut Schaller und Nikolaj Tarasov, DM 1491, € 15.95, Doblinger, Wien 2016

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