Extrem gegensätzliche Stücke
Zwei neue Werke für Harfe, «Calembredaine» und «Ganagobie», von Bernard Andrès versprechen Spass und Stimmung.
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Der Komponist und Harfenist Bernard Andrès hat in den Jahren 2012 (Calembredaine) und 2013 (Ganagobie) zwei Werke komponiert, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Hinter den für uns Deutschsprachige verheissungsvollen Titeln verbergen sich Welten: Calembredaine heisst «alberner Spass», während Ganagobie der Name eines Benediktiner Klosters in der Haute Provence ist. Dementsprechend unterscheidet sich auch die Musik!
Zuerst zu Calembredaine: ein wahrhaft witziges Stück, kurzweilig und spritzig. Es ist im 6/8-Takt geschrieben, spielt mit rhythmischen Verschiebungen und Offbeats. Durch kurze Pausen werden Überraschungen erzeugt, die einen tatsächlich an der Nase herumführen. Dem Stück liegt mehrheitlich ein eigener Modus zu Grunde, der ein bisschen an arabische Musik erinnert. Das heisst, dass nur wenige Pedalwechsel vorkommen, es jedoch auf einer Pedalharfe gespielt werden muss. Nur vier Seiten dauert der Spass, hat Schwung und wirkt packend. Neben den gewöhnlichen Spieltechniken kommen auch die für Andrès typischen «Sons Xylo» und «Sons Pincées» vor. Bezüglich Schwierigkeit würde ich das Stück der 5. bis 6. Stufe zuordnen. Es sei hier noch auf einen Druckfehler hingewiesen: Ende Takt 25 fehlt in der linken Hand der Bassschlüssel und Ende Takt 30 dessen Auflösung zurück in den Violinschlüssel.
Ganz anders wirkt Ganagobie: Es ist eine Suite aus fünf Sätzen. Der Viertelpuls ist durchwegs deutlich spürbar und erinnert dadurch an das auf Säulen ruhende Kloster. Die verschiedenen Sätze beschreiben eine würdevolle Stimmung: Im ersten, Le Monastère sur la Colline, sieht man das Kloster auf dem Hügel; im zweiten, Le Portail de pierre, tritt man durch das Portal ein; den alten Mönch besucht man im dritten, Le Vieux Moine; der vierte dreht sich um kosmische Mosaiken, Mosaïques cosmologiques, und der fünfte spielt unter grünen Eichen, Sous les chènes vertes. Nachdem das Stück fortissimo angefangen hat, klingt es nach elf Minuten sehr leise aus.
Bernard Andrès bedient sich verschiedener musikalischer Sprachen. Wirkt der Anfang eher impressionistisch und erinnert an Debussy, so tauchen später eher wieder romantische Harmonien und Gesten auf, um die Grösse des Klosters darzustellen. Oft füllen filigranere Sechzehntel-Bewegungen in der rechten Hand das Grundgerüst der Säulen auf, sie lassen an die Verzierungen im Kloster denken.
Das Stück ist nicht einfach zu spielen, da es mehrheitlich ruhig wirkt und selten die Spannung von Gegensätzen sucht. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass es in einem Kirchenraum schön zur Geltung käme.
Bernard Andrès: Calembredaine pour Harpe, HA 09753, ca. € 11.40, Edition Hamelle (Alphonse Leduc), Paris
id.: Ganagobie, Suite pour Harpe, HA 09754, ca. € 17.80