Some like it hot

Drei Hefte, die Saxofonistinnen und Saxofonisten den Weg von der Klassik zum Jazz ebnen oder umgekehrt.

Foto: Kevin Maillefer / unsplash.com

Jazzinspirierte Kompositionen haben im Repertoire der klassischen Saxofonvirtuosen und Lehrenden an Musikschulen allgemein einen besonderen Stellenwert, bilden sie doch eine vermittelnde Brücke zwischen zwei Welten, die unvereinbar scheinen und es für einzelne Musikerinnen und Musiker bezüglich ihrer stilistischen Eigenheiten und der ästhetischen Praxis definitiv auch sind. Es bleibt jedem Einzelnen überlassen, den Blick in Nachbars Garten zu wagen, wo ihn ungewohntes Terrain wahrscheinlich letzten Endes musikalisch beflügeln wird – viele Saxofonistinnen und Saxofonisten haben diesen Schritt mit Leichtigkeit genommen und leben das Profil Klassik in enger Anlehnung an das Profil Jazz und umgekehrt.

Vielleicht war Billy Barton, Saxofonist der Londoner Savoy Orpheans Band, einer der Ersten, dem dieser Schritt dank der Uraufführung der Hot-Sonate von Erwin Schulhoff 1930 gelungen ist. Viel aufschlussreiches Hintergrundwissen und Vermutungen, die zu musikwissenschaftlichen Forschungen anregen, finden sich dazu im Vorwort der Urtext-Ausgabe des Henle Verlags. Darüber hinaus macht diese Edition in Ossia-Systemen die originale Saxofonstimme der Uraufführung zugänglich. Dies ist vor allem ein Gewinn im hohen Register (b2) und ein Anreiz für Studierende und Schüler der Oberstufe, sich mit Altissimo-Tönen zu befassen.Image

Billy Wilders «some like it hot» trifft wohl auch auf Jeremy Norris zu. Seine Jazz-Suite wagt sich im Register sogar ins c3 hoch! Auch seine musikalische Sprache ist von synkopischen Rhythmen und vom Blues inspirierten Harmonien und Melodien charakterisiert. Dass die Spielenden das typische Jazz-Merkmal Swing verinnerlicht haben, ist in dieser Komposition eine unverzichtbare Voraussetzung, wogegen sich bei Schulhoff eher die Strukturen der klassischen Sonatenform als Lernfeld anbieten. Beiden Werken eigen ist das Festhalten der Jazz-Idiome durch Notation. Bei Norris ist das Aufs-Papier-Bringen ein unverkrampfter, spielerischer und soweit als möglich spontaner Prozess. Diese Herangehensweise ist auf jeden Fall ein «Brückenangebot», das Saxofonisten mit klassischer Schulung die Berührung mit der Stilistik des Jazz auf hohem Niveau ermöglicht. Die eher «Some-like-it-cool-Haltung» dieser Sprache kommt insbesondere auf dem Youtube-Video von Jeremy Norris und Fabio Calzavara zum Ausdruck: Hier trifft die Unbefangenheit für einen Moment auf das altbekannte Klischee des Saxofons als Symbolträger für erotische Anspielungen. Es ist den Interpreten überlassen, wie viel Inspiration und Spass sie daraus gewinnen.Image

Einen ebenso erfrischenden Zugang zur Musik haben die beiden Musiker und Komponisten Klaus Dickbauer und Martin Gasselsberger. Ihre leichten bis mittelschweren Songs für Altsaxofon und Klavier sind für jeden Unterricht eine gelungene Bereicherung. Entsprechend dem Tagebuchgedanken im Albumtitel My Song Diary sind alle Stücke von unterschiedlicher Alltagsatmosphäre und erhalten durch Variationen bei Taktarten, Grooves, Instrumentierung, Arrangement etc. ihre abwechslungsreichen Schattierungen. Dies alles belegt die subtil produzierte Begleit-CD. Also ein Muss für den jugendlichen Musikgeschmack; wobei zu beachten ist, dass an Musikschulen die Schülerinnen und Schüler primär ihre aktuellen «Pop-Hits» nachspielen möchten und My Song Diary nicht zuletzt wegen harmonischen und kompositorischen Feinheiten nicht immer leicht zugänglich ist. Diese reizvollen Widerstände gilt es, musikpädagogisch zu begleiten.

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Erwin Schulhoff: Hot-Sonate für Altsaxofon und Klavier, hg. von Frank Lunte, HN 1369, € 17.00, G. Henle, München

Jeremy Norris: Jazz Suite für Altsaxofon (Klarinette) und Klavier, ED 21923, € 24.50, Schott, Mainz

Klaus Dickbauer, Martin Gasselsberger: My Song Diary, 12 leichte bis mittelschwere Stücke für Altsaxofon, mit CD: UE 38045, € 16.95; Klavierbegleitung: UE 38046, € 9.95; Universal Edition, Wien

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