Mozart vor Augen
Beethoven behielt das Autograf dieser frühen Quartette ein Leben lang bei sich.
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Mit 15 Jahren schuf Ludwig van Beethoven die drei Klavierquartette WoO 36. Sein Lehrer, der Bonner Hoforganist, Opernkapellmeister und Komponist Christian Gottlob Neefe, äusserte sich zwei Jahre zuvor über ihn: «Er würde gewiss ein zweiter Wolfgang Amadeus Mozart werden, wenn er so fortschritte, wie er angefangen.» Der junge Beethoven spielte und studierte Mozarts Werke; diese drei frühen Kompositionen orientieren sich denn auch in Form und Anlage an dessen Violinsonaten KV 296, KV 379 und KV 380. Die Gattung Klavierquartett war damals noch nicht populär, Mozarts Meisterwerke KV 478 und KV 493 entstanden erst in jenen Jahren. Die Besetzung Klavier, Violine, Viola und Violoncello ergab sich für Beethoven offenbar durch seine Beziehung zur Familie des Hofkammerrats Gottfried Mastiaux, dessen Kinder ebendiese Instrumente spielten.
Zeitlebens bewahrte Ludwig van Beethoven sein Autograf dieser Quartette auf. Er verwendete einzelne Themen später in den Klaviersonaten und im Klaviertrio c-Moll op.1 Nr. 3. Dieses erhaltene Autograf ist auch die massgebliche Quelle für die neue Urtextausgabe bei Bärenreiter. Der Herausgeber Leonardo Miucci, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule der Künste Bern, ergänzt seine Einführung mit aufschlussreichen Hinweisen zur Aufführungspraxis von Beethovens Klaviermusik aus jener Zeit.
Sind diese frühen Klavierquartette bereits «durchaus Beethoven»? Gewiss: Der spätere «Revolutionär» bleibt meist verborgen, und der Streichersatz gleicht noch nicht demjenigen der Streichquartette (er ist dafür leichter zu spielen!). Aber es handelt sich um wunderschöne Kammermusik, die den Vergleich mit anderen Werken ihrer Zeit nicht zu scheuen braucht und mitunter ganz schön dramatisch wird!
Ludwig van Beethoven: Drei Quartette für Klavier, Violine, Viola und Violoncello WoO 36, hg. von Leonardo Miucci, Stimmen: Klavier (Partitur) und Streicher, BA 9037, € 48.95, Bärenreiter, Kassel