Die «Kleine Neunte»
Beethovens Fantasie eignet sich für Chöre, die etwas «Hymnisches» suchen. Besonders schwierig ist sie nicht.
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Beethovens Chorfantasie op. 80 entstand sechzehn Jahre vor seiner 9. Symphonie. Aufgrund der formalen Gemeinsamkeiten und der Ähnlichkeit der Hauptmelodie mit der Ode an die Freude wird die etwa zwanzigminütige Chorfantasie auch gerne als «Kleine Neunte» bezeichnet. Das Werk entstand ursprünglich für die «Grosse Akademie» am 22. Dezember 1808 im unbeheizten Theater an der Wien, einem mammutartigen Konzert, in dem Beethoven ausserdem die 5. und 6. Sinfonie sowie das 4. Klavierkonzert, die Arie Ah perfido op. 65 und Teile der Messe op. 86 aufführte.
Die erdrückende Länge des Programms (über vier Stunden!), fehlerhafte Noten und wenige Proben führten dazu, dass Beethoven, der trotz Ertaubung die Einleitung der Chorfantasie selbst am Klavier improvisierte, sie abbrechen und neu beginnen lassen musste. Er selbst berichtete dazu später: «Hauptsächlich waren die Musiker aufgebracht, daß indem aus Achtlosigkeit bey der einfachsten plansten Sache von der Welt gefehlt worden war, ich plözlich stille ließ halten, und laut schrie[:] noch einmal.»
Beim Carus-Verlag ist vor Kurzem eine neue Edition der Chorfantasie erschienen, die auch eine englische Singfassung enthält. Ein empfehlenswertes Werk für Chöre, die im konzertanten Bereich etwas «Hymnisches» suchen. Der Chorpart ist nicht besonders schwer, und die Solopartien können unter Umständen auch aus dem Chor oder halbchorisch besetzt werden. Neben der Originalfassung, die im 19. Jahrhundert sehr beliebt war, existieren für Aufführungen ohne Orchester im Übrigen auch Bearbeitungen für zwei Klaviere von Hans von Bülow und eine vierhändige von Hugo Ulrich.
Ludwig van Beethoven: Fantasie für Klavier, Chor und Orchester op. 80, hg. von Ulrich Leisinger; Partitur, CV 10.394/00, € 39.95; Klavierauszug, CV 10.394/03, € 9.95; Chorpartitur CV 10.394/05; Carus, Stuttgart