33 Veränderungen und 50 Variationen

Ein Walzerthema legte Anton Diabelli seinen komponierenden Kollegen vor. Was sie daraus machten, ist in dieser Neuausgabe abgedruckt – zusammen mit Beethovens berühmtem Zyklus.

Beethon von Klaus Kammerichs (1986), Bonn. Foto: Hans Weingartz/wikimedia commons

Die Geschichte ist bekannt: Verleger Diabelli sandte einen selbst komponierten Walzer an die angesehensten Komponisten und Virtuosen des österreichischen Kaiserreichs mit der Einladung, einen Beitrag zu einem gemeinschaftlichen Variationenwerk zu verfassen. Beethoven schuf – nach anfänglichem Zögern – natürlich den gewichtigsten Beitrag. Seine 33 Veränderungen über einen Walzer und die anderen 50 Variationen seiner Berufskollegen sind nun bei Bärenreiter gemeinsam in einem Band erschienen. (So schlecht, wie überall zu lesen ist, kann also Diabellis Walzer-Thema gar nicht sein …)

Für einmal sei es erlaubt, den grossen Meister zu übergehen, um sich den anderen, mehr oder weniger bekannten Verfassern zu widmen. Da gibt es zahlreiche, die sich ganz sklavisch an das vorgegebene Thema halten und kaum eigene Ansätze verraten. Dass es auch anders geht, beweist in der siebten Variation Joseph Drechsler. Seine Quasi Ouverture mit langsamer Einleitung und anschliessendem Allegro hat durchaus sinfonisches Potenzial. Noch ausführlicher wird Emanuel Aloys Förster. In seinem Capriccio taucht nach einer kecken Modulation plötzlich eine umfangreichere Fuge auf. Eine solche schreibt auch Erzherzog Rudolph, Beethovens prominenter Schüler. Dass Simon Sechter aus dem Walzer eine Imitatio quasi Canon macht, der blutjunge Liszt dagegen ein kleines Bravourstück, überrascht wohl nicht. Einige Virtuosen legen es offensichtlich darauf an, mit waghalsigen Sprüngen und anspruchsvollen Passagen zu beeindrucken. Conradin Kreutzer, Heinrich von Lannoy, Hieronymus Payer und vor allem Friedrich Dionys Weber gehören zweifellos dazu. Dass auch intimere und ausdrucksvollere Wege möglich sind, beweisen die Beiträge von Johann Nepomuk Hummel, Joseph Kerzkowsky und – wen wundert es? – Franz Schubert. Seine Variation in c-Moll ist wohl überhaupt die schönste Komposition im ganzen Band.

Nicht nur Schubert weicht der Tonart des C-Dur-Themas aus. Johann Evangelist Horzalka, Joseph Huglmann und Franz de Paula Roser überraschen beispielsweise durchwegs in As-Dur. Ob da wohl Absprache im Spiel war? Geplant war auf jeden Fall die umfangreiche Coda aus der Feder von Carl Czerny, die auf labyrinthischen Wegen schliesslich in strahlendes C-Dur mündet.
Die vorliegende Ausgabe bringt diese zum Teil ganz unbekannten Variationen zum ersten Mal als Urtext. Wie gewohnt, gibt es ein lesenswertes Vorwort über die Enstehungsgeschichte und einen umfangreichen Kritischen Bericht. Anstelle der «Hinweise zur Aufführungspraxis» wären in diesem Fall vielleicht einige biografische Angaben zu den zahlreichen vergessenen Komponisten wünschenswerter gewesen.

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Beethoven: 33 Veränderungen über einen Walzer op. 120 / 50 Veränderungen über einen Walzer komponiert von den vorzüglichsten Tonsetzern und Virtuosen Wiens für Klavier «Diabelli-Variationen», hg. von Mario Aschauer, BA 9656, € 27.95, Bärenreiter, Kassel

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