Konzerte mit ganz eigenem Ton
Mit den beiden Klavierkonzerten von Louis-Ferdinand Hérold befördern die Editions Symétrie einen weitgehend unbekannten Schatz ans Licht.

Hoher Respekt ist den Editions Symétrie aus Lyon zu zollen. Denn dort widmet man sich mit grossem Engagement immer wieder Raritäten des Repertoires, die es im Konzertleben sicherlich nicht leicht haben werden. Und doch scheint man ein glückliches Händchen bei der Auswahl zu haben, so auch in diesem Fall mit den zwei Klavierkonzerten Nr. 2 und 3 von Louis-Ferdinand Hérold (1791–1833), die, 1811 und 1813 entstanden, an der Schwelle zur Romantik stehen. Noch bemerkenswerter werden die Kompositionen, wenn man bedenkt, dass Hérolds Vater einst bei Carl Philipp Emanuel Bach in Hamburg in die Lehre gegangen war. Seinem Sohn wird er bereits in Kinderjahren die dort gesammelten Erfahrungen weitergegeben haben, bevor dieser als Sechzehnjähriger in das Conservatoire eintrat, sich dort zunächst an den Tasten vervollkommnete und schiesslich (als Schüler Méhuls) mit 21 Jahren den Prix de Rome gewann. In dieser Zeit entstanden auch die meisten seiner instrumentalen Werke, später folgten mit wechselndem Erfolg mehrere Opern.
Musikalisch überzeugen die Konzerte durch einen spürbar eigenen Ton, der langsame Satz der Nr. 3 (besetzt nur mit Klavier und einer solistischen Violine) kann sogar in kleinerem Rahmen aufgeführt werden. Der Notensatz ist gut zu lesen (auch wenn er sich grafisch besser darstellen liesse), jedoch fehlen abseits eines nur einseitigen Vorworts grundlegende Angaben zu den verwendeten Quellen (heute ein Standard!), ebenso ein Revisionsbericht oder zumindest eine knappe Beschreibung der Zuverlässigkeit der ausgewerteten Quellen. Wer nach weitergehenden Informationen sucht, ist u. a. mit dem Booklet der 2011 bei Mirare erschienenen und sehr hörenswerten CD-Einspielung gut beraten (MIR 127). Dort wird übrigens auch ein Brief zitiert, der Hérold im Jahre 1813 in der römischen Villa Medici erreichte – ein konservativer Zwischenruf, der die wirklichen und zukunftsgerichteten Qualitäten des heute leider fast vergessenen Meisters unfreiwillig pointiert: «Melodie, Melodie! Dies ist der Refrain vernünftiger Menschen und des unverdorbenen Teils des Publikums. Harmonische Umwege, barbarische Übergänge, empörende Chromatik gehören zu den Verrückten und den Manischen. […] [Werden Sie wieder genesen] von diesem Modulationsfieber, von diesem Delirium, Produkt der chromatischen Begeisterung?»
Louis-Ferdinand Hérold: Concerto pour piano et orchestre no. 2 en mi bémol majeur, hg. von Sébastien Espesson, € 30.00, Editions Symétrie, Lyon 2021, ISMN 979-0-2318-0371-6,
Id.: Concerto pour piano et orchestre no. 3 en la majeur, ISMN 979-0-2318-0374-7