«Temperamentvoll»

In unserer Alltagspsychologie und der Umgangssprache sind «der Choleriker» und «der Melancholiker» durchaus präsent, auch wenn die Lehre der Temperamente in der modernen wissenschaftlichen Persönlichkeitspsychologie keine Rolle mehr spielt. Als Rollenbild und Inspiration zur musikalischen Gestaltung taugen die archetypischen Grundwesensarten derweil bestens. Das wird sich wohl auch der Komponist Günter Habicht bei seiner 1969 komponierten und 2021 bei Breitkopf erschienenen Sonatine Temperamente gedacht haben.
Günter Habicht (1916–2010) lebte ab 1949 in der DDR und betätigte sich als Tanzmusiker, Grundschullehrer und von 1955 bis 1981 als Lehrer für Musiktheorie und Klarinette an der Musikschule Leipzig-Stadt. Er komponierte Musik für Volksinstrumente, Unterrichtsliteratur sowie Werke für Blasorchester, Kammer- und Orchestermusik.

Die Sonatine für Klarinette und Klavier umfasst drei Sätze. Der erste Satz, ein Allegro giocoso (Der Sanguiniker), lebt von einem rhythmisch prägnanten und einem gegensätzlichen, eher lyrischen Thema, welche Leichtigkeit und Lebensfreude zum Ausdruck bringen. Der zweite Satz, der den Melancholiker musikalisch darstellt und mit Larghetto con dolore überschrieben ist, besteht aus einer ostinaten Klavierbegleitung und sich rhythmisch wiederholenden kurzen Phrasen der Klarinette, welche an kreisende Gedanken erinnern. Der Finalsatz schliesslich, ein lebhaftes Rondino burlesco (Der Choleriker). zeigt einen aufgeregten, wilden Charakter mit clownesk anmutenden Zügen: ein nicht unsympathischer Choleriker. Harmonisch bewegt sich die Sonatine in einer gemässigten freien Tonalität im Geiste Hindemiths ohne klar erkennbare Grundtöne oder tonale Zentren.

Die Klarinettenstimme und die Klavierbegleitung weisen beide einen ähnlichen Schwierigkeitsgrad auf, wodurch sich das Werk gut für fortgeschrittene Musikschüler und Laienmusiker eignet.

Günter Habicht: Sonatine «Temperamente» für Klarinette und Klavier, EB 7515, € 21.90, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden