Ein chinesischer Doppelsieg

Die 5. Ausgabe der Basel Composition Competition (BCC) vom 30. Januar bis 2. Februar 2025 war erneut eine spannende Begegnung mit neuen Orchesterkompositionen. 255 Werke von Autoren und – wenigen – Autorinnen zwischen 15 und 91 Jahren wurden eingereicht.

Die Bestplatzierten Qianchen Lu (1. Preis), Ersing Wang (2. Preis) und Ramón Humet (3. Preis). Foto: Benno Hunziker/Basel Composition Competition

Dass kein Schweizer oder keine Schweizerin den ersten Preis von 60 000 Franken in einem der höchstdotierten Kompositionswettbewerbe der Welt gewinnen würde, stand schon vor der eigentlichen Austragung fest. Die zwölf Komponistinnen und Komponisten, deren Werke ausgewählt und in drei Konzerten im Paul-Sacher-Saal des Don Bosco Basel dem Publikum präsentiert wurden, stammten nämlich aus Deutschland, Spanien, Italien, Mexiko, der Slowakei, Griechenland und der Volksrepublik China. Die Jury, der die Aufgabe zufiel, die zwölf ihrer Meinung nach besten Werke aus der Riesenmenge an Einsendungen zu bestimmen, bestand aus Michael Jarrell, Augusta Read Thomas, Liza Lim, Andrea Lorenzo Scartazzini und aus Florian Besthorn, dem Direktor der Paul-Sacher-Stiftung. Christoph Müllers Artistic Management GmbH und sein Team veranstalten die BCC.

 Nach den drei Wettbewerbskonzerten wählte die Jury fünf Werke für das Abschlusskonzert aus, die nochmals gespielt und aus denen die prämierten Arbeiten ermittelt wurden. Angesichts der Tatsache, dass es unter den zeitgenössischen Komponistinnen Stars wie Unsuk Chin, Olga Neuwirth, Kaija Saariaho oder Anna Thorvaldsdottir gibt, deren Werke häufig aufgeführt werden, konnte man erstaunt sein, dass nur gerade ein Werk von einer Frau ausgewählt und aufgeführt wurde. Man begründete den mickrigen Frauenanteil mit den insgesamt wenigen von Komponistinnen eingereichten Arbeiten.

Nacht, Farben, Vögel

Am Schluss war es aber so, dass die überaus schüchterne 25-jährige Chinesin Qianchen Lu, derzeit noch Studentin von Shen-Ying Qian in Shanghai, nicht nur den erstmals vergebenen Publikumspreis in der Höhe von 5000 Franken, sondern auch den 1. Preis der Basel Composition Competition gewann. Ihre Nine Odes to The Night nach Gedichten von T. S. Eliot sollen nach den Worten der Komponistin Vagheit und Fluidität nächtlicher Eindrücke schildern und die Unschärfe und Verwandlung der Nacht erfassen, um schliesslich in der Ungewissheit zu verschwinden. Das dicht gewobene Klangband, vielleicht etwas zu lang geraten, fasziniert durch aparte Klangfarben und poetische Stimmungen.

Noch fantasievoller instrumentiert war The Gaze of Mnemosyne. Four Afterimages for Orchestra ihres chinesischen Landsmanns Erqing Wang, der an der Kunstuniversität in Graz bei Annesley Black studiert. Jede Orchestergruppe trägt in diesem Werk, das den 2. Preis erhielt und dem man mit grossem Vergnügen zuhörte, zu einem ausserordentlich farbigen Ganzen bei. Das Stück ist eine eigentliche Hommage an die Musik von Debussy und Ravel, die auch durch Zitate präsent, vielleicht überpräsent, ist.

Weniger überzeugen konnte Bird in Space des Spaniers Ramón Humet (3. Preis). Wie Messiaen ist der Komponist von Vogelstimmen fasziniert, in diesem Stück vom südamerikanischen Turpial. Humet stellt sich vor, dass ein kleiner Vogel in einer riesigen Kathedrale zu singen beginnt. Ein interessanter Gedanke, der aber das Stück nicht trägt und es langfädig wirken lässt.

Unter den nicht preisgekrönten Werken gab es einige, die originell und ansprechend oder zumindest interessant waren, so etwa das pointillistische Musikbild punctum contra punctum von Jona Kümper, der effektvolle Macabre Carnival von Aurés Moussong oder die gewaltige Klangeruption Flowered Fluidity von Carlos Satué, die nach komplizierten mathematischen Prinzipien konstruiert ist.

Leistungs- und vermittlungsstarkes Basler Musikleben

Das Kammerorchester Basel unter der Leitung von Tito Ceccherini, die Basel Sinfonietta unter Pablo Rus Broseta und das Sinfonieorchester Basel unter Roland Kluttig interpretierten die durchwegs schweren Werke engagiert und auf hohem technischem Niveau. Dass es in einer Stadt von der Grösse Basels drei Orchester gibt, die anspruchsvollste zeitgenössische Kompositionen spielen können, ist nicht selbstverständlich. Alle nominierten Werke wurden auf Video aufgenommen und später auf dem Youtube-Kanal der BCC veröffentlicht.

Zum Konzept der BCC gehört auch die Zusammenarbeit mit der Musikhochschule und den Gymnasien der Region. Studenten und Studentinnen der Hochschule erarbeiten in Workshops Werke von Jurymitgliedern und präsentieren sie in Vorkonzerten. Dieses Jahr konnte man durchwegs sehr gut gespielte Stücke von Liza Lim und Augusta Read Thomas hören. Axis Mundi für Solofagott (2012/13) von Liza Lim mit zuvor kaum gehörten Klängen dieses Instruments erlebte etwa eine massstabsetzende Aufführung durch Timm Kornelius. Verschiedene Komponistinnen und Komponisten besuchen in der Woche des Wettbewerbs je eine Schulklasse, die sich bereits zuvor ganz gezielt mit ihrem Werk und mit Neuer Musik im Allgemeinen auseinandergesetzt hat.

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