Aus der Zeit gefallen
Ein Sammelband porträtiert den Komponisten, Musikwissenschaftler, Publizisten und Dozenten Peter Benary.

Ganz offenbar war Peter Benary (1931–2015) nicht das, was man unter einem «einfachen Menschen» versteht. In seinen Seminaren an der Hochschule Luzern äusserte er sich schon mal spöttisch-sarkastisch gegenüber seinen Studenten. Von einer «schwierigen Freundschaft» spricht in diesem neu erschienenen Sammelband der langjährige Freund und Dirigent Peter Gülke. Und dann wären da noch die Kritiken, die Peter Benary für die NZZ schrieb. Sie waren manchmal bissig, denn das Engagement für die Musik konnte ins Verletzende kippen – gerade dann, wenn es eben nicht seine Musik war.
Seine Musik – da sind sich sämtliche 17 Autoren des Bandes einig – war nicht die der Avantgarde nach 1950. Es fallen die Namen von Benarys Fixsternen Wolfgang Amadeus Mozart, Anton Bruckner oder Paul Hindemith. Michel Roth, Komponist und Professor an der Hochschule für Musik Basel, erwähnt Benarys Aufsatz Die Ablehnung neuer Musik, wo «ein pervertiertes Technik-Verständnis» kritisiert wird und Benary einen «Sprachverlust der Musik» bemängelt, der darauf zurückzuführen sei, dass «Technik» an die Stelle von «Gehalt, Sprachsinn, Ausdruck» getreten sei (S. 116).
Als Komponist war Benary mässig erfolgreich. Seine Werke wurden im Rahmen von Neue Musik Festivals so gut wie gar nicht gespielt; er selbst klagte einmal, «nicht mehr für die Schublade» komponieren zu wollen. Nichtsdestotrotz entstand ein doch umfangreiches Œuvre mit vielen Chorwerken, drei Sinfonien, vier Streichquartetten und beachtlich viel Kammermusik. (Der Sammelband schliesst mit dem Werkverzeichnis, erstellt von David Koch, S. 212 ff.) Produktiv war Benary auch als Musikpublizist, sei es als Kritiker der NZZ oder als Autor für die Schweizer Musikzeitung und die Schweizer musikpädagogischen Blätter. Viele musikwissenschaftliche Aufsätze zeugen von einem breiten Horizont: Grundlegende ästhetische Betrachtungen stehen neben Gedanken zur Interpretation und spezifischen Auseinandersetzungen mit einzelnen Werken und Komponisten der Musikgeschichte.
Nach der Lektüre des 2024 im Basler Schwabe Verlag erschienenen Buches bleibt trotz des Schaffensdranges das Gefühl, dass Benary irgendwie aus seiner Zeit gefallen sei. Seine Zeit als Essayist und Programmheft-Autor für das Lucerne Festival endete im Jahr 2007, weil sich der Autor schlicht weigerte, mit dem Computer zu schreiben und auf der guten alten Schreibmaschine bestand. Haikus, Lyrik und Aphorismen schrieb der Komponist, Musikwissenschaftler, Publizist und Dozent übrigens auch. Darunter der munter-lustige Sinnspruch: «Eine Fliege geht über das Notenpapier bis zur Fermate.»
Peter Benary, Komponist, Musikwissenschaftler, Publizist und Dozent, hg. von Niccolò Raselli und Hans Niklas Kuhn, 229 S., Fr. 46.00, Schwabe, Basel 2024, ISBN 978-3-7965-5109-3