Wer kennt Max Lichtegg noch?
Die Biografie eines Tenors, dessen Name oft in den Nachkriegs-Spielplänen der hiesigen Opernhäuser und Konzertsäle zu lesen war.
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Situation im Zug nach Salzburg: Eine Frau gegenüber liest in dieser Max-Lichtegg-Biografie, die ich gerade zur Besprechung erhalten habe – sie liegt zu Hause auf dem Tisch bereit. Als Tamino habe ich Lichtegg noch in Erinnerung, da war ich sechzehn. Als mein Gegenüber Kaffee holen geht, fragt mich eine der beiden Frauen vom Nebenabteil, was sie denn da für ein schönes Buch lese. Als ich den Titel nenne, lacht die andere auf: «Jesses, das war mein Jugendschwarm! Was haben wir da jeweils vor dem Stadttheater ausgeharrt, bis er nach der Vorstellung endlich herauskam!» Es gibt sie also noch, die Menschen, die den Tenor gekannt und für ihn geschwärmt haben. Aber dieser Fan hier ist schon weit über achtzig.
Lichteggs grosse Zeiten waren die Nachkriegsjahre bis 1960, als er überall seinen Tamino, Don Ottavio und Belmonte bot. Er hat aber auch 1951 im Stadttheater Zürich die Hauptrolle in der deutschsprachigen Erstaufführung von Igor Strawinskys Das Leben eines Wüstlings (The Rake’s Progress) gesungen oder in der Wiener Volksoper den «Schönen Hermann» in Paul Hindemiths Neues vom Tage. Populär wurde er allerdings durch seine Rollen in Operetten, und er blieb es bis ins hohe Alter dank seiner souverän durchgestalteten Liederabende, in denen er neben den Grossen – Schubert und Schumann – auch unbekannte Komponisten vorstellte wie den Hindemith-Schüler Bernd Bergel oder den Galizier Vesque von Püttlingen, der Dutzende von Heine-Liedern vertont hat. Dass Max Lichtegg auch das Libretto zu einer Cleopatra-Operette schrieb, die dann in der Spielzeit 1963/64 mit Musik von Johann und Joseph Strauss in Zürich aufgeführt wurde, dass er in den Kriegsjahren mit dem Flüchtling und nachmaligen Dirigenten Georg Solti als Begleiter am Klavier auftrat und dass er im hohen Alter noch witzige Lieder aus eigener Produktion (auf eigene Texte) sang, das sind interessante Details aus diesem vielschichtigen Sängerleben, das 1910 in Polen als Munio Lichtmann begonnen und als Max Lichtegg 1992 in der Schweiz geendet hat.
Alfred A. Fassbind schildert es mit vielen Details versehen und hat in Tabellen sowohl alle Rollen und Engagements als auch sämtliche Schallplatten-, Film-, Radio- und Fernsehproduktionen aufgelistet. Aus Wien, Berlin, Hamburg, San Francisco, Los Angeles u. a. sind Rezensionen und Theaterzettel eingefügt. Wenn der Autor nur nicht sein beinah lückenloses Archiv mit allen hübschen Briefdokumenten und lokalen Theaterzetteln ausgebreitet, sondern vieles weggelassen hätte, wäre es ein lesbares Buch mit einigen attraktiven Fotos und Dokumenten geworden.
Alfred A. Fassbind: Max Lichtegg – Nur der Musik verpflichtet, 560 Seiten, Fr. 36.00, Römerhof Verlag, Zürich 2016, ISBN 978-3-905894-31-8
Am Samstag, 19. August 2017, findet bei Notenpunkt AG, Froschaugasse 4, 8001 Zürich, ein Abend für Max Lichtegg statt.