Die Musikförderung im Kanton Basel-Stadt auf dem Prüfstand

Die Kantonale Volksinitiative «für mehr Musikvielfalt», die im Kanton Basel-Stadt am Wochenende, an dem diese Zeitschrift erscheint, zur Abstimmung gelangt, wirft viele Fragen auf und spaltet die Musikszene.

Der Text der unformulierten Initiative, die mit 4098 gültigen Simmen eingereicht wurde, lautet wie folgt:

«Der Kanton Basel-Stadt macht öffentliche Musikförderung, welche der Interessenvielfalt und den Bedürfnissen der heutigen Gesellschaft Rechnung trägt. Der Kanton Basel-Stadt unterstützt deshalb künftig neben Institutionen verstärkt auch freies Musikschaffen mit angemessener Förderung und sorgt damit für ein vielfältiges Musikangebot. Zu diesem Zweck wird folgende Regelung mit Annahme der Initiative innert 4 Jahren umgesetzt:

  1. Der Kanton Basel-Stadt fördert das freie Musikschaffen pro Jahr mit mindestens einem Drittel des gesamten Förderbudgets im Bereich Musik. Dazu gehören: a) Beiträge für freischaffende Musiker:innen; b) Beiträge für Programm-, Spielstätten- und Strukturförderung.
  2. Der Kanton Basel-Stadt passt die Förderstrukturen entsprechend an und vereinheitlicht die Vergabeprozesse für das gesamte freie Musikschaffen.»

Problematische Konsequenzen

Was auf den ersten Blick sympathisch wirkt, nämlich nicht nur die klassische Musik, sondern auch Electronica, Hip-Hop, Jazz, Pop und Rock angemessen zu unterstützen, zieht Konsequenzen nach sich, die von den Initiant*innen entweder nicht in Betracht gezogen wurden oder nicht gesehen werden wollten: Insbesondere das Sinfonieorchester Basel SOB (das von der öffentlichen Hand finanziert wird) und das Theater Basel, in dem das SOB einen beträchtlichen Teil seiner Dienste leistet, wären bei einer Subventionskürzung von 30% nicht mehr in der Lage, ihren Leistungsauftrag in der bisherigen Form weiterzuführen. Einer der Initianten, Roberto Barbotti, sagt in einem Interview in der Basler Zeitung: «Niemand hat gesagt, man wolle der Klassik Gelder streichen bei Annahme der Initiative. Das ist Angstmacherei.» Wie das zusammenpassen soll, ist unklar, da der Regierungsrat eine weitere Erhöhung des Kulturbudgets ablehnt. Im gleichen Interview sagt die Rapperin La Nefera herablassend: «Auch wenn nur wenige Menschen klassische Musik hören, finde ich es wichtig, diese zu fördern.» In der Saison 2018/19 hatte allein das Sinfonieorchester Basel immerhin um die 125’000 Zuhörer*innen! Sowohl das SOB als auch das Kammerorchester Basel spielen regelmässig vor ausverkauften Sälen. Ausgeblendet wird auch, dass zum Beispiel das SOB während einer Spielzeit zusätzlich zu den rund 100 festangestellten jeweils rund 170-180 freischaffende Musikerinnen und Musiker für die unterschiedlichsten Programme beschäftigt. Diese leisten insgesamt rund 3000-3500 Dienste und kosten rund 900’000 bis 1,2 Millionen Franken (je nach Saison). Es ist also davon auszugehen, dass auch in dem Anteil, der als institutionelle Förderung bezeichnet wird, substanzielle Mittel enthalten sind, von denen freischaffende Musikerinnen und Musiker profitieren. Dass die Initiant*innen nicht explizit eine Aufstockung des Kulturbudgets verlangen, hängt – abgesehen davon, dass der Kanton Basel-Stadt bereits die schweizweit höchsten pro Kopf Ausgaben im Kulturbereich aufweist – damit zusammen, dass durch die Umsetzung der 2020 angenommenen «Trinkgeld-Initiative» bereits Massnahmen eingeleitet wurden, welche die Bedingungen für das freie Musikschaffen im Kanton Basel-Stadt massgeblich verbessern und dem historisch gewachsenen Ungleichgewicht der Genres entgegenwirken. Sie sieht eine schrittweise Erhöhung des Kulturbudgets über die Jahre 2022 bis 2024 von insgesamt 3,15 Millionen Franken vor, mit denen die Jugend- und Alternativkultur in allen Sparten gestärkt werden soll.

Regierungsrat und Grosser Rat lehnen die Initiative ab

Wie der Regierungsrat in seinem Bericht von 2023 darlegt, werden das Musikschaffen und das Musikangebot aus mehreren Gefässen der öffentlichen Hand gefördert, und zwar in allen Sparten von der Klassik, den Laienchören bis zur zeitgenössischen und improvisierten Musik und der Populärmusik. Er ist der Meinung, dass «die dem Initiativtext getreue Umsetzung der Forderungen die Stabilität von identitätsprägenden Kulturinstitutionen und die Reputation von Basel als Kulturstadt gefährden, zu Entlassungen von festangestelltem Personal und zur Reduktion von Aufträgen und Auftrittsmöglichkeiten für freischaffende Musikerinnen und Musiker führen» würde.

Auf Empfehlung seiner Bildungs- und Kulturkommission lehnte der Grosse Rat die Initiative im Juni 2024 ab. Die Ausarbeitung eines Gegenvorschlags, der eine Verbesserung der sozialen Sicherheit der Kulturschaffenden beinhaltet hätte, scheiterte daran, dass die Forderungen der Initiative nicht konkret genug für einen Alternativvorschlag waren. In einem Interview mit der Basler Zeitung erläutert Franziskus Theurillat, der Orchesterdirektor des SOB, dass es Gespräche mit den Initianten vor der Lancierung der Initiative gegeben und man sie möglicherweise unterstützt hätte, aber offenbar ginge es eben nicht nur darum, Fördermittel zu erwirken, sondern darum, das Fördersystem aus ideologischen Gründen grundsätzlich infrage zu stellen.

Initiative spaltet die Kulturlandschaft

Das Komitee «Der Kulturstadt Basel Sorge tragen», das für eine Ablehnung der Initiative wirbt und dem auch der SMV-Zentralsekretär Beat Santschi angehört, kommentiert: «Die Initiative ist populistisch und geprägt von Neid und Missgunst. Sie schlägt einen Spaltkeil in unsere Kulturlandschaft. Die Initiative fordert für eine bestimmte Gruppe an «freien» Kulturschaffenden eine zusätzliche Förderung und nimmt bewusst in Kauf, dass dies auf Kosten des «institutionellen» Kulturschaffens gehen soll. Diese Sonderbehandlung ist unfair, spaltet die verschiedenen Akteure der Kulturstadt Basel und sät Zwietracht. […] Die Initiative will eine einseitige Förderung der Musik. Das ist nicht zeitgemäss. Kulturförderung ist heute interdisziplinär und spartenübergreifend. Wir wollen die innovative Zusammenarbeit fördern und Trennungen überwinden. Die Initiative bewirkt aber, dass die verschiedenen Sparten, Genres, kulturellen Ausdrucksformen und Institutionen gegeneinander ausgespielt werden.» Franziskus Theurillat fasst die Situation vor der Abstimmung zutreffend zusammen: «Das Anliegen der ausgewogenen Förderung, das der Initiative zugrunde liegt, kann ich nur unterstützen. Vielfalt sowieso auch. Das ist ja das Trügerische. Ich habe gemischte Gefühle. Ich kann das Anliegen unterstützen, aber die Initiative in ihrer jetzigen Form nicht.»

www.nein-zur-spaltung.ch

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