Locker aus dem Ärmel

Das Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Ivor Bolton hat eine Doppel-CD mit Bearbeitungen von Luciano Berio eingespielt: Bach, Boccherini, Brahms, Mahler, De Falla und Lennon/McCartney undogmatisch anders.

Sinfonieorchester Basel mit Ivor Bolton. Foto: Matthias Willi

Luciano Berio war ein Ausnahmekomponist. Schon in den 1960er-Jahren machte er Furore mit seiner «offenen Ästhetik», die zu solch einem Schlüsselwerk wie der Zitatkomposition Sinfonia (1968/69) führte. «Ich leihe mir Zitate aus dem Museum», sagte er einmal, «und vermische sie mit meiner eigenen Musik.» Die vom Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Ivor Bolton eingespielte CD mit dem schlichten Titel Transformation bietet nun besondere Einblicke. In der Tat ist Berio «offen» – offen für Johann Sebastian Bach, für Gustav Mahler, aber auch für Beatles-Klassiker wie Michelle, Ticket to Ride oder Yesterday.

Lange könnte man streiten über die Begriffe Bearbeitung, Orchestrierung oder Instrumentation. Berio jedenfalls betreibt keine Avantgarde-typische Dekonstruktion bei seinen Umgestaltungen. Bachs Contrapunctus XIX aus der Kunst der Fuge bettet er in ein warmes Holzbläser-Arrangement. Elegant kommen die Stimmen nun daher, nicht in jener «Röntgenblickshärte», die der strukturell orientierten Schönberg-Schule noch am Herzen lag. Berio zeigt sich auch in anderen Adaptionen von einer undogmatischen, ganz lustvoll-musikalischen Seite. Das feurige Spanien spiegeln die Transkriptionen von Manuel de Fallas Siete Canciones populares Españolas wider. Ungeheuer klangsensibel orchestriert er die zuweilen forschen, manchmal auch sehr intimen Lieder, wobei er die Partie des Mezzosoprans unberührt lässt.

Wie locker aus dem Ärmel geschüttelt klingt die Sonate op. 120 No. 1 für Klarinette (oder Viola) und Klavier, 1894 geschrieben von Johannes Brahms. 1986 orchestrierte Berio die fünfsätzige Kammermusik zu einer veritablen romantischen Sinfonie. Als schräg-lustige Gelegenheitswerkchen muss man wohl die Beatles-Adaptionen einordnen. Einen schönen Zirkelschluss jedoch bilden die seltsam barocken, ganz im Sinne der Brandenburgischen Konzerte gedachten Beatles-Klassiker. Es ist wohl mehr Privatsache als ein besonderer Beitrag zur hehren Musikgeschichte. Cathy Berberian, die amerikanische Sängerin und damalige Frau von Luciano Berio, war «crazy about the Beatles» – warum also kein barocker Liebesgruss mit «I love you, I love you, I love you» aus Michelle? Nun, alles in allem eine erfreuliche Doppel-CD, die übrigens auch beim Kochen schmeckt.

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Transformation. Bearbeitungen von Luciano Berio. Sophia Burgos, Sopran; Benjamin Appl, Bariton; Daniel Ottensamer, Klarinette; Sinfonieorchester Basel; Leitung, Ivor Bolton. Sony classical 190759820728 (2 CDs)

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