Durch die Zürcher Musikgeschichte spazieren
Zürich ist eine Musikstadt – das kann man neuerdings auch auf einem Audiowalk durch die Altstadt erleben. Am 23. Mai war die Vernissage.
Punktgenau lotst einen eine nette Stimme über den Heimplatz, vorbei am Schauspielhaus, links hinein in den Zeltweg, durch einen Durchgang in den Innenhof der Escherhäuser und direkt in eine andere Zeit hinein. Richard Wagner höchstpersönlich schimpft dort in beinahe originalem Sächsisch über einen seine Kompositionsruhe störenden Schmied, dessen Hämmern sich mit Wagners Klavier mischt und sich alsbald in den ersten Aufzug von Siegfried verwandelt, der zum Teil tatsächlich genau hier entstanden ist.
Was lange währt …
Dieser virtuose Gang durch die Stadt und die Zeit ist Teil des soeben auf der Website des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Zürich aufgeschalteten Audiowalks. Musik in Zürich kann man auf jedes Smartphone herunterladen. Konzipiert haben ihn die Schriftstellerin, Hörspielregisseurin, Sängerin und Journalistin Simona Ryser und der Redaktor Roger Nickl. An der Vernissage im Musikwissenschaftlichen Institut erfuhr man, dass die Idee schon vor einer Weile aufgekommen sei. Wie Institutsdirektor Laurenz Lütteken ausführte, träumte man bereits im Jahr 2007, anlässlich des in Zürich abgehaltenen Kongresses der International Musicological Society, davon, auditiv durch Richard Wagners Zürich geführt zu werden. Damals entstanden aber «lediglich» thematische Stadtführungen. Diese fussten auf umfangreichen Recherchen, welche im Rahmen des Forschungsprojekts «Musik in Zürich – Zürich in der Musikgeschichte» zwischen 2002 und 2012 initiiert wurden, aber erst vor zwei Jahren ihren Abschluss und Höhepunkt fanden.
Musik in Zürich. Ein Stadtführer: Menschen – Orte – Institutionen heisst das von Bernhard Hangartner und David Reissfelder herausgegebene und beim Chronos-Verlag bereits in zweiter Auflage erschienene Buch. Darin werden nicht nur «253 Personen, 14 Orte und 21 Institutionen» lexikalisch abgehandelt, wie die Herausgeber schreiben, sondern es enthält auch einen Abschnitt «Spaziergänge und Karten» mit Vorschlägen für eben dies: Entdeckungstouren durch das musikalische Zürich.
… wird richtig gut
Und hier setzt nun der neue Audiowalk ein. Ryser und Nickl nahmen einen dieser Vorschläge und verwandelten ihn in ein sinnliches Erlebnis. Das ist wichtig festzuhalten, denn Ziel eines solchen Audiowalks kann nicht sein, die im Buch enthaltenen Informationen einfach akustisch widerzugeben. Sie hätten sich bemüht, diese szenisch erlebbar zu machen, wie Nickl im von Viviane Nora Brodmann moderierten Gespräch betonte. Brodmann, Doktorandin am Institut, fungierte als Projektkoordinatorin und musikwissenschaftliche Beraterin und führte als Zeugin des komplexen Entstehungsprozesses auch durch die Vernissage.
Näheres über diesen Prozess erzählte dann vor allem Simona Ryser, die ja auch für die Regie zuständig war. So erfuhr man unter anderem, dass zum Konzept eine Rahmenhandlung gehöre: Einer Sängerin ist auf dem Weg ins Grossmünster, wo sie in Bachs h-Moll Messe auftreten soll. Ihr gehört die nette Stimme (Lara Körte), die einen lotst und viel zu erzählen weiss. Oder wie Ryser den gleichen Weg immer wieder gehen musste, mit dem Mikro in der Hand, hoffend, dass irgendwann keine inakzeptablen Geräusche die Aufnahme störten. Man erfuhr auch, dass der Jazzgitarrist und Komponist Philipp Schaufelberger eigens eine «Gehmusik» komponiert hat, die einen auf dem Weg zwischen den Stationen begleitet und das Ganze akustisch zusammenhält.
Zum Abschluss der Vernissage zeigten die Mitglieder des Instituts, dass auch Musikwissenschaftler durchaus zu musizieren wissen. Die hauseigene Schola schaffte es sogar unter die Musikbeispiele des Audiowalks. – Eine rundum gelungene Eröffnung, an der viele Informationen spielerisch gekonnt vermittelt wurden, für ein bleibendes Erlebnis, das einem so manchen surrealen Moment beschert, wenn man mit dem Kopfhörer im Ohr durch das moderne Zürich streift und dabei der Vergangenheit nachlauscht.