Das FMD sieht bei der Diversität viel Luft nach oben
In Basel feiert das FMD mit seinem Jahreskonzert die Diversität. Das Ensemble Le Donne Ideali hat für den Anlass markante Werke zeitgenössischer Komponistinnen aus vier Jahrzehnten ausgewählt.
Jahresversammlungen von Vereinen und Initiativen sind in der Regel ja eher trockenes, anstrengendes Pflichtprogramm. Nicht so allerdings beim FMD, ForumMusikDiversität Schweiz. Hier hat sich seit ein paar Jahren so etwas wie eine Tradition etabliert, dass die jährliche Mitgliederversammlung als Impuls genommen wird, dem Publikum Werke von Komponistinnen vorzustellen. «Weil wir Musikerinnen sind, möchten wir natürlich auch den kulturellen Austausch in der Praxis ermöglichen», erklärt die amtierende Präsidentin des FMD Anmari Mëtsa Yabi Wili, «es geht darum, dass mehr Musik von Frauen kennengelernt werden kann.» Das FMD, gegründet 1982 in Bern, ist eine Initiative von Kunstschaffenden und ihrem Umfeld, die sich beharrlich für weibliche Präsenz und mehr Vielfalt im Musikleben einsetzt.
Das aktuelle FMD-Konzert in Basel am 25. Juni mit Le Donne Ideali and Guest bietet eine grosse Bandbreite unterschiedlicher stilistischer Perspektiven und ästhetischer Konzepte. Unbändige Neugier, die Lust am Spielerischen und Experimentierfreude bestimmen sowieso seit jeher die vom FMD organisierten Konzerte. Im 41. Jahr des FMD haben die der Initiative eng verbundenen Musikerinnen Solostücke aus vier Jahrzehnten für Flöte, Cello, Harfe und Tasten ausgewählt, die ihnen besonders am Herzen liegen. So spielt Seraina Ramseier Musik für Soloflöte von zwei sehr unterschiedlichen künstlerischen Positionen: «Envol», ein Spätwerk der 2018 zu früh verstorbenen Caroline Charrière, einer der profiliertesten Komponistinnen der Schweiz, sowie von der aus Tel Aviv stammenden Komponistin Shulamit Ran das 1987 geschriebene Stück «East Wind», das Wendungen aus traditioneller Musik und Folklore ins Ausdrucksspektrum zeitgenössischer Musik transferiert. Neben dem kürzlich uraufgeführten Cellostück «Fält» der schwedisch-französischen Komponistin Madeleine Isaksson, das Karolina Öhman interpretiert, erklingt auch das Werk «Baroque Flamenco» der Kalifornierin Deborah Henson-Conant, das Julia Wacker, Harfenistin im Ensemble, einbringt. Ihr gefällt besonders, dass sich das Stück «unverkrampft an der Grenze von E- und U-Musik» bewege, so Wacker, «Henson-Conant, die auch im Jazz unterwegs ist, bedient sich hemmungslos bei Alter Musik und erfindet neue Techniken, die von der Flamencogitarrenpraxis kommen. Das hat eine unglaubliche Klangwirkung und ermöglicht gleichzeitig einen emotionalen Zugang.»
Anmari Mëtsa Yabi Wili, Gründerin der Donne Ideali, interpretiert das Stück «Public Privacy #5 Aria» für Sampler, Stimme und Video der deutsch-österreichischen Komponistin Brigitta Muntendorf. Diese wurde 1982 geboren, also genau im Jahr der Gründung des FMD. «Brigitta Muntendorf sprengt in ihren Werken permanent sehr kreativ Grenzen», schwärmt Wili. Solch ein intermedialer Ansatz bestimmt den gesamten Abend in Basel: «Mit dem Gedicht ‹Penelope, angefressen› der österreichischen Lyrikerin Elfriede Gerstl, das als audio-visuelle Intervention durch den Saal schwingen wird, öffnen wir das Konzertformat noch weiter», so Wili. Der Titel dieses Gedichts, eine wütende Penelope, ist Motto des gesamten Abends. Schliesslich gibt es in Sachen Gleichberechtigung noch viel Luft nach oben. Anmari Mëtsa Yabi Wili: «Im zeitgenössischen Bereich ist es weitgehend keine Frage mehr, ob Komponistinnen oder Komponisten gespielt werden, weder bei den jungen Musikschaffenden noch bei den Absolventinnen und Absolventen der Hochschulen. Da hat sich etwas Gutes entwickelt, allerdings nur im Bereich der zeitgenössischen Kammermusik. Wenn wir in die Oper oder ins Sinfonieorchester gehen, ist das Repertoire von Komponistinnen noch immer dünn gesät. Auch bei den Leitungsebenen, etwa an Musikhochschulen, ist es noch immer schwierig für Frauen. Und: Es gibt weltweit so viele Dirigentinnen, mir ist unbegreiflich, dass in der Schweiz noch ganze Jahresprogramme ohne Dirigentinnen zu finden sind. In dieser Hinsicht ist die Schweiz weit im Rückstand.» Am Ende des FMD-Konzerts werden sich alle Beteiligten zum erfrischenden Konzeptstück «Futures» von Chlöe Herington versammeln. Die Partitur dieses Werkes funktioniert wie Tarotkarten. Damit richtet sich der Blick der Musikerinnen mit vereinter starker Stimme kämpferisch in die Zukunft. Das gilt auch für das FMD: weitere Vernetzungen und interdisziplinäre Projekte stehen auf der Agenda.
Penelope, angefressen
Sonntag, 25. Juni 2023, 18:30 Uhr
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