Zweimal Leopold Mozart

Eine analytische Annäherung von Eric Broy; Silke Leopold liefert Biografisches mit zeitgeschichtlicher Einordnung.

Leopold Mozart mit seinen Kindern Wolfgang Amadeus Mozart und Maria Anna, an der Wand ein Porträt der verstorbenen Ehefrau Anna Maria. Gemälde von Johann Nepomuk della Croce, um 1780. Quelle: wikimedia commons

2019 sind aus Anlass des 300. Geburtstags von Leopold Mozart zwei gegensätzliche Bücher erschienen. Erich Broy erforschte die sich vom Generalbass ablösende und zur italienischen Opernsinfonie hinwendende Kompositionsweise. Als Material dienten ihm die Knabenwerke von Wolfgang Amadeus und die Kopfsätze der Sinfonien von Leopold Mozart. Leopold stützte sich auf die theoretischen Schriften von Joseph Riepel, der das Komponieren als componere (Zusammensetzen genau bestimmter Taktteile) beschreibt. Die meisterhafte Art, wie der Vater seinen Sohn unterrichtete, zeigt sich an den schnellen Fortschritten in dessen Werken KV 1 bis KV 7 und auch in vielen Gemeinsamkeiten der Kompositionen – was für Konfusion bei der Zuschreibung sorgt und für die Qualität von Leopolds Schaffen spricht!

Die wissenschaftlich exakten Analysen anhand vieler Notenbeispiele im Text und in einem zusätzlichen Notenband setzen professionelle Kenntnisse voraus; Lesende können sich mit Hilfe von musikanalyse.net/tutorials dafür schlau machen. Wertvoll ist die Tabelle auf den Seiten 307–309, die alle bekannten Sinfonien Leopold Mozarts auflistet mit Angabe von Quelle und deren Datierung, Authentizität, stilistischer Einordnung und vermutlicher Entstehungszeit. In diesem Zusammenhang erwähne ich das Buch von Christian Broy, dem Bruder von Eric, zur Überlieferung der Quellen und zur Vertriebsstrategie Leopold Mozarts (Zur Überlieferung der grossbesetzten musikalischen Werke Leopold Mozarts, Beiträge zur Leopold-Mozart-Forschung, Band 5, Wissner Musikbuch, Augsburg 2012).

Silke Leopold lässt uns mit Begeisterung am aufopfernden Leben Leopold Mozarts teilnehmen. Schon die zweispaltige Zeittafel im Anhang macht die europäische Bedeutung seines Wirkens klar: Neben den Familiendaten und Tätigkeiten Leopolds zeigt die zweite Spalte die wichtigsten politischen und kulturellen Ereignisse auf, die er miterlebte – eine interessante Geschichtslektion!

Der farbig bebilderte Hauptteil erzählt in sieben Kapiteln (jeweils mit roten Zitat-Schlagzeilen übersichtlich unterteilt), wie der Vater, der in Augsburg Buchbinder war, Leopold eine bevorzugte Jesuitenausbildung ermöglichte, wie sich Leopold in Salzburg unter den launischen oder grosszügigen Erzbischöfen schlau etablierte, sich verheiratete und seine Werke vermarktete. Wie ein Adliger führte er mit seinen Kindern ausgedehnte Bildungsreisen durch und knüpfte damit europaweit nützliche Kontakte und machte Geschäfte, gleichzeitig ebnete er den Kindern den Weg zum Erfolg. Die vielen zitierten Briefe zeugen von viel Intellekt, Autorität, Gefühl und Humor. Zum Beispiel: Seine Urteile über die verschiedenen Konfessionen Europas – auch seine eigene – werden immer kritischer, je weiter er sich von Salzburg entfernt. In anschaulichen Analysen einiger Kompositionen beweist die Autorin Leopolds Genie in der Tonmalerei. Die Bedeutung seiner Violinschule ist in den Kontext anderer Instrumentalschulen der Zeit eingebettet. Tragisch ist die Verhärtung im Verkehr mit dem «unvernünftigen» und verschwenderischen Sohn, rührend die Sorge des Grossvaters um Leopoldli, den Sohn von Nannerl. Die prominente Autorin glänzt mit Wissenschaftlichkeit und Erzählgewalt.

Eric Broy: Leopold Mozart – Komponieren in einer Zeit stilistischen Wandels, Beiträge zur Leopold-Mozart-Forschung, Band 6.1 und 6.2 (Notenband), zus. 506 S., € 59.80, Wissner Musikbuch, Augsburg 2019, ISBN 978-3-95786-162-7

Silke Leopold: Leopold Mozart – «Ein Mann von vielen Witz und Klugheit», Eine Biografie, 280 S., € 29.99, Bärenreiter/J.B. Metzler, Kassel/Stuttgart 2019, ISBN 978-3-7618-2086-5


Werkverzeichnis von Leopold Mozart:
Cliff Eisen: Leopold-Mozart-Werkverzeichnis (LMV), Beiträge zur Leopold-Mozart-Forschung, Band 4 (Hrsg. Internationale Leopold Mozart Gesellschaft), 272 S., € 39.80, Wissner Musikbuch,
Augsburg 2010, ISBN 978-3-89639-757-7

Einmal mehr: Musik und Emotionen

Bernd und Daniela Willimek liefern mit der Strebetendenz-Theorie einen weiteren Versuch, die emotionale Wirkung von Musik zu erklären.

Ausschnitt aus dem Buchcover

Wie Musik und Emotion zusammenhängen, verstehen wir heute noch kaum. Die Scientific Community ist sich schon nicht einig, was Emotionen überhaupt sind und wie man ihre verschiedenen Ausprägungen klassifizieren soll. Damit bleiben einzelne Studien zur emotionalen Wirkung von Musik Stückwerk. Das vorläufige Tasten im Nebel öffnet Raum für originelle und überraschende Vorschläge, wie die Expressivität in der Musik zu erklären sei.

Einen Versuch unternehmen Bernd und Daniela Willimek mit einer «Strebetendenz-Theorie», die unter anderem auf Ideen der Musikpsychologen Ernst Kurth und Deryck Cooke aufbaut. «Durch Musik vermittelte und hervorgerufene Emotionen» sollen sich dabei durch «Identifikationen mit abstrakten Willensinhalten» erklären lassen. Mit Berufung auf Schopenhauer und Nietzsche entwirft das Autorenpaar eine intuitiv schwer nachvollziehbare und eher unsystematisch mit Metaphorik durchzogene Theorie (eine Durtonika repräsentiert etwa einen «aufrechtstehenden Menschen»). Kein Wort verlieren die beiden hingegen über historisch einflussreiche gestalttheoretische Ansätze, welche die Richtungsenergien von Tönen viel einleuchtender und natürlicher erklären dürften als ihr eigener Ansatz. Die zahlreichen musikalischen Einzelanalysen, die sich in ihrem Buch Musik und Emotionen – Studien zur Strebetendenz-Theorie finden, sind originell und anregend, allerdings ohne ihre Theorie wirklich zu verdeutlichen oder zu stützen. Dasselbe gilt für die Versuchsreihen, welche das Paar an Gymnasien und deutschen Schulen im Ausland durchgeführt hat. Offensichtlich wurde dabei mit einer recht homogenen Gruppe musikalisch gleich sozialisierter Versuchspersonen gearbeitet und schon damit der universale Anspruch der Theorie in keiner Art und Weise gerechtfertigt.

Man kann nicht ausschliessen, dass die Strebetendenz-Theorie interessante Beiträge zur Erklärung der Expressivität von Musik liefern könnte. Dazu müsste sie aber deutlich klarer und systematischer gestaltet werden – angedockt an bereits bestehende theoretische Konzeptionen und Ergebnisse der Musikpsychologie, mit methodisch soliden Schnittstellen zur experimentellen Überprüfung.

Image

Bernd und Daniela Willimek: Musik und Emotionen. Studien zur Strebetendenz-Theorie, 125 S., € 20.00, Deutscher Wissenschafts-Verlag, Baden-Baden 2019, ISBN 978-3-86888-145-5

Viel Neues über Froberger

Die Beiträge in dieser Publikation bringen Erkenntnisse, die weit über Frobergers Person hinausgehen. Sie eröffnen eine breite Perspektive auf die Claviermusik des 17. Jahrhunderts.

Ausschnitt aus dem Titelblatt: Johann Jacob Froberger, Libro Qvarto […], Wien 1656

Johann Jacob Froberger (1616–1667) – «der Franz Liszt des 17. Jahrhunderts» – ist als Clavierist bekannt, als Komponist von Toccaten, Canzonen, Ricercari und Suiten. Am berühmtesten sind wohl seine «Lamenti» und «Tombeaus» oder die beiden Meditationen ..faict à Madrid sur la Mort future bzw. …faist svr ma Mort fvtvre. Verbale Anweisungen wie «avec/à discrétion» weisen längst darauf hin, dass Frobergers eigenen Vortrag noch viel mehr ausmachte, als was seine überlieferten Notentexte enthalten. Sein legendärer Ruhm basiert nicht nur auf zwei umfangreichen autografen Sammlungen und unzähligen Abschriften sowie mittlerweile drei Gesamtausgaben, sondern auch auf der Tatsache, dass ein zusätzliches Autograf 2006 kurzzeitig auftauchte, seither aber weder Forschung noch Edition zugänglich ist. Gründe genug für ein Symposium, das zu Frobergers 400. Geburtstag im Oktober 2016 in seiner Geburtsstadt Stuttgart stattgefunden hat, und für die nachträgliche Veröffentlichung der dortigen Referate.

«Avec discrétion» Rethinking Froberger fördert aktuelle Erkenntnisse zutage, die weit über Frobergers Person hinausgehen. Wohl finden sich aufgrund neuer Quellen wesentliche Präzisierungen zu Details von Biografie und Umfeld, erstaunlicher aber sind Nachweise, wie sehr Froberger der französischen Lautentradition verpflichtet war (Dirksen und Ledbetter) und wie (auch) sein Komponieren auf bestehenden Satzmodellen beruhte (Gavito), dass also zwischen originellem Komponieren und modularem Improvisieren kaum prinzipielle Unterschiede auszumachen sind. Von besonderem Interesse dürften auch die Texte zu Frobergers Aufführungspraxis sein: Karin Paulsmeiers Bemerkungen zu Eigenheiten der Notation, Francesco Ceras Untersuchungen zur Fermatenpunktierung und Florian Bassanis Hinweise zur performativen Anreicherungspraxis aufgrund französischer Tasten- und Gesangstraktate. Zudem werfen Martin Kirnbauer und Eugène Michelangeli Fragen nach den beabsichtigten Instrumenten auf: vieltöniges Cembalo bzw. Clavichord.

Der Symposiumsbericht enthält darüber hinaus eine Begriffsgeschichte von «Diskretion», Einblicke in die damaligen Arten des Reisens und eine Betrachtung des musikalischen Rom im 17. Jahrhundert, wo sich der Frescobaldi-Schüler Froberger mehrmals aufgehalten hat. Schliesslich darf bei Rethinking Froberger auch die Frage gestellt werden, warum er sich nicht verstärkt der Vokalmusik zugewandt hat.

Insgesamt liegt der Vorzug des umfassenden Bandes (einschliesslich Dokumenten, Abbildungen, Quellen- und Editionsverzeichnis sowie umsichtiger Bibliografie) nicht nur in der Vielfalt der Zugänge, sondern in einer Fülle an wissenswerten Details zur Geschichte und Wiedergabepraxis der Musik des 17. Jahrhunderts. Wer sich mit Claviermusik unter einer breiteren Perspektive beschäftigen möchte, muss zu diesem Buch greifen.

Image

«Avec discrétion» Rethinking Froberger, hg. von Andreas Vejvar und Markus Grassl, (Wiener Veröffentlichungen zur Musikgeschichte, Band 14), 544 S., € 53.00, Böhlau, Wien u.a. 2018, ISBN 978-3-205-20740-5

Traumländer mit neuen Texten

In Birgit Jeschonnecks Buch «Sprachförderung mit Musik» helfen bekannte Volkslieder den Kindern der 1. und 2. Klasse, sich unbekannte Begriffe zu eigen zu machen.

Illustration aus dem Buch

Es wirkt alles so leicht, so spielerisch, so inspirierend! Birgit Jeschonnecks Buch Sprachförderung mit Musik ist für Lehrer der ersten und zweiten Klasse gedacht; insbesondere für diejenigen, die Kinder unterrichten, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Das Konzept ist einleuchtend, unmittelbar verständlich: Vier – vom Kinderbuchautor Paul Maar erdachte – Traumländer besuchen die Kinder. Da wäre das bunte Land der Kreise, das Land der 1000 Ecken, das Land der roten Töne, schliesslich das kleine Land Kopfunter. Für jedes dieser Länder gibt Jeschonneck klare pädagogische Zielsetzungen: Runde oder eckige Gegenstände sollen die Kinder im Klassenraum suchen, etwa den runden Heizungs-Thermostaten, die runde Uhr, den eckigen Tisch oder das Geodreieck. En passant lernen sie neue Begriffe.

Nun gibt es für jedes Traumland ein eigenes, bekanntes Volkslied, in das gefundene Dinge mittels Parodie-Verfahren integriert werden. «Der Schrank, der hat acht Ecken, acht Ecken hat der Schrank», heisst es. Oder die Kinder dichten auf die Melodie von Grün, grün, grün sind alle meine Kleider neue Zeilen wie: «… weil mein Lieblingsding der Feuermelder ist». Spielerisch entwickeln die Kinder ein Gefühl für den Bau der deutschen Sprache, für Artikel oder für Silbentrennung.

Nicht jeder Lehrer wird das ganze Buch durchgehen können. Aber der Deutsch- oder der Musiklehrer kann vieles gebrauchen für einen spannenden, inklusiven Unterricht, der Kreativität fördert und Lernen mit Spass verknüpft. Auch für den Hausgebrauch ist das knapp 100-seitige Buch durchaus zu empfehlen. Neben vielen einleuchtenden Beispielen gibt es eine schön gemachte CD und einen anregenden Theorieteil zum Weiterdenken.

Image

Birgit Jeschonneck: Sprachförderung mit Musik zu «Paulas Reisen». Unterrichts- und Spielideen zum Bilderbuch von Paul Maar für die Klassen 1+2, 99 S., mit CD, € 21.95, Friedrich-Verlag, Hannover 2019, ISBN 978-3-617-92026-8

Jazz und Heavy Metal

George A. Speckert hat Jazzstücke aus seiner Heimat für zwei Violoncelli gesetzt, David Floer den Sound des Heavy Metal eingefangen.

Foto: Alberto Bigoni / unsplash.com

Die Grenzen zwischen E- und U-Musik im Musikunterricht und im Konzertbereich werden immer durchlässiger, die gegenseitige Beeinflussung der unterschiedlichen Musikstile ist eine Bereicherung. Die im Folgenden besprochenen Kompositionen für zwei Violoncelli tragen dieser Entwicklung Rechnung.

Der amerikanische Komponist George A. Speckert wurde 1951 in Missouri (USA) geboren, einem Zentrum der amerikanischen Jazzkultur. Das Heft The Roots of Jazz beinhaltet neben Arrangements von bekannten Ohrwürmern von Scott Joplin (The Entertainer), Arthur Harrington Gibbs (Runnin’ Wild) und Nick La Rocca (Tiger Rag) auch witzige Originalkompositionen von Speckert selbst. Beide Celloparts haben denselben Schwierigkeitsgrad und gehen nicht über die vierte Lage hinaus. Die Sammlung wird Schülern und Lehrern Freude bereiten und beim Publikum ihre Wirkung nicht verfehlen.

Image

Die Heavy-Metal-Sonate Cantus von David Floer ist technisch anspruchsvoll und vereinigt Heavy-Metal-Rhythmik und -harmonik in der Form der klassischen dreisätzigen Sonate. Das Stück richtet sich an fortgeschrittene Cellisten und kombiniert ausgedehnte Kantilenen mit gitarrenartigen Rockgriffen. Wer den Heavy-Metal-Klang noch zusätzlich verstärken möchte, kann mit Effektgeräten wie Wah-Wah oder Klangverzerrern eine entsprechende Wirkung erzielen.
Einen Höreindruck des Stücks kann man sich auf Youtube verschaffen.

Image

George A. Speckert: The Roots of Jazz für zwei Violoncelli, Ready to Play, BA 10649, € 14.95, Bärenreiter, Kassel 2019

David Floer: Cantus, Heavy-Metal-Sonate für zwei Violoncelli, Floer Music Verlag, Köln 2017, ISMN 979-0-700351-13-7

Orchestrale Wucht

Das in Zürich gegründete Merel-Quartett widmet sich erneut Felix Mendelssohn Bartholdy und tut sich für das Oktett mit dem englischen Castalian String Quartet zusammen.

Merel-Quartett. Foto: Hannes Heinzer,Felix Mendelssohn Bartholdy,Foto: zVg

Mit der Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy (und seiner Schwester Fanny) hat sich das Merel-Quartett schon einmal für ein Album erfolgreich beschäftigt (Genuin 11204: Felix: Streichquartett in f-Moll op. 80; Vier Stücke für Streichquartett op. 81; Fanny: Streichquartett in Es-Dur). Jetzt hat sich die Schweizer Formation mit dem jungen englischen Castalian String Quartet noch Verstärkung geholt, um auch das Oktett op. 20 aufnehmen zu können.

Beim ersten Streichquartett in Es-Dur op. 12 ist das Merel-Quartett aber noch unter sich. Den schnellen Mittelteil der Canzonetta musizieren die vier als Elfentanz, das Andante espressivo hat einen grossen Atem. Und im Finale verbinden Mary Ellen Woodside (Violine 1), Edouard Mätzener (Violine 2), Alessandro D’Amico (Viola) und Rafael Rosenfeld (Violoncello) Leichtigkeit mit einer Dramatik, die eine echte Sogwirkung erzielt. Nur im Kopfsatz nehmen sich das Quartett agogisch zu viele Freiheiten, so dass bei den zahlreichen kleinen Verzögerungen, wenn Achtelfiguren zu sehr ausgespielt werden oder Zäsuren neue Abschnitte einleiten, der Puls ein wenig verloren geht.

Beim Oktett entsteht gemeinsam mit Sini Simonen (Violine 1), Daniel Roberts (Violine 2), Charlotte Bonneton (Viola) und Christopher Graves (Violoncello) eine klanglich ausbalancierte, erzählerische Interpretation, die von fragiler Intimität bis zur orchestralen Wucht reicht. «Im Stil eines symphonischen Orchesters» soll das Oktett agieren, wünschte sich der Komponist. Die Verschmelzung der beiden Ensembles zu einem einzigen, flexiblen Klangkörper gelingt beeindruckend. Wie in der Durchführung des Kopfsatzes die Spannung nachhallt und sich im durch die Stimmen jagenden Sechzehntelrausch die Reprise ankündigt – das hat Klasse! Auf ein hoch emotionales Andante und ein duftiges Scherzo folgt nach einem etwas rumpelnden Celloeinstieg ein extrem schnelles Presto-Finale, das die Virtuosität regelrecht zelebriert und trotz kleiner rhythmischer Ungenauigkeiten einen starken Eindruck hinterlässt.
 

About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

00:00

 00:00 

 

         

 

Fullscreen

 

 

Oktett, 1. Satz
About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

00:00

 00:00 

 

         

 

Fullscreen

 

 

Oktett, 2. Satz
About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

00:00

 00:00 

 

         

 

Fullscreen

 

 

Streichquartett in Es-Dur op. 12, 1. Satz
About JW Player 6.0.2813…

Hier Dieter Ammann, dort Jannik Giger: Hier der anerkannte Schweizer Komponist Ammann, mittlerweile Professor für Komposition an der Hochschule Luzern, dort sein ehemaliger Schüler Giger, Schweizer Newcomer und versiertes Multitalent in Sachen Komposition und Multimedia. Auf der CD mit dem schlichten Titel Ammann Giger sind die beiden musikalisch vereint. Im schönen Wechsel kommen Ensemblestücke zu Gehör, Duette oder Kompositionen für Cello und Klavier solo, mal vom einen, dann vom anderen.

Es gibt Alban Berg und Joseph Tal. Aber von Rangunterschieden kann hier keine Rede sein. Jannik Gigers Werke sprühen nur so von Vitalität. Mal klingt es rhythmisch verspielt, dann kommen erfrischend klare, durchaus imitatorische Dialoge zwischen den Instrumenten. Oft gibt es bei Giger Allusionen an die klassisch-romantische Musiktradition. Beethoven schimmert an einigen Stellen durch, auch in Klangsphären eines Schumann oder eines Strawinsky taucht man stellenweise ein. Die Anspielungen wirken an keiner Stelle kokett oder kleptomanisch. Immer behält Giger seinen eigenen Ton. Wichtiger noch als der Wieder-Erkennungswert: Giger versteht zu komponieren, beherrscht Form wie Ökonomie.

Auch Ammanns Werke wirken sehr direkt-kraftvoll, sie «springen einen an», wie es im Jargon der Neuen Musik heisst. Zwischen 1994 und 2011 sind die drei Kompositionen auf der CD entstanden. Im Ensemblestück Après le Silence klingt es zuweilen tänzerisch-humorvoll, dann wieder dichter und ernst. Ammann verwebt seine Formteile derart geschickt, dass man sich fragt, wie er von A nach B gekommen ist. In Piece for Cello (Imagination against numbers) nutzt er die ganze Bandbreite des auf dem Cello Möglichen. Karolina Öhman versteht es, die subtilen dynamischen Nuancen umzusetzen. Auch das Mondrian-Ensemble zeigt sich in Après le Silence als hervorragende Formation, die den vielen «Stimmungsschwankungen» in Ammans Werk mehr als nur gerecht wird.

Die beim Basler Label A Tree in a Field Records veröffentlichte CD ist ein Ereignis. Unglaublich live klingen die Einspielungen und werden so der lebhaften Musik gerecht. Für audiophil orientierte Fans bietet das Label die Musik auch auf Vinyl. Die Anschaffung lohnt sich, ganz bestimmt.

 

About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

00:00

 00:00 

 

         

 

Fullscreen

 

 

Verstimmung
About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

00:00

 00:00 

 

         

 

Fullscreen

 

 

Après le Silence
About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

00:00

 00:00 

 

         

 

Fullscreen

 

 

Piece for Cello (Imagination against numbers)
About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

00:00

 00:00 

 

         

 

Fullscreen

 

 

Cradle Song
About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

00:00

 00:00 

 

         

 

Fullscreen

 

 

Lepidoptera
About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

00:00

 00:00 

 

         

 

Fullscreen

 

 

Onkalo
About JW Player 6.0.2813…

Anne-Catherine Sutermeister verfügt über einen Masterabschluss in Literaturwissenschaften der Universität Montpellier, einen Doktortitel der Universität Bern in Theaterwissenschaften und einen Master of Business Administration der Universität Genf mit Schwerpunkt in Personalmanagement. Zurzeit ist sie als Dozentin für Kulturmanagement an den Universitäten Genf, Lausanne und Basel sowie für Kulturvermittlung an der Hochschule für Soziale Arbeit und Pädagogik in Lausanne tätig.

Zuvor leitete Anne-Catherine Sutermeister ein Forschungs- und Lehrlabor an der Hochschule für Kunst und Design (HEAD) in Genf. Durch ihre vierjährige Erfahrung als Sektionschefin der französischsprachigen Abteilung und Adjunktin des Chefs der Dienststelle für Kultur des Kantons Bern ist sie mit dem Bereich der öffentlichen Verwaltung vertraut.

Als ehemalige Leiterin des Theaters Jorat und ehemalige Vizepräsidentin des Stiftungsrates Pro Helvetia ist sie eine bekannte Persönlichkeit in der nationalen Kulturszene. Als unabhängige Beraterin hat sie mehrere Evaluationsmandate im Kultursektor durchgeführt.

«Trauerkantate»

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf die Kantate auf den Tod Kaiser Josephs II.

Ausschnitt aus dem Beethoven-Porträt von Joseph Karl Stieler, ca. 1820

Ja, es gibt sie, die durch das Raster der Geschichte gefallenen Werke. Die Gründe dafür sind vielfältig: Im 20. Jahrhundert waren es oft politische Umstände, die dafür sorgten, davor spielten verschiedenste Faktoren eine Rolle: ein ausbleibender Anfangserfolg, eine ungewöhnliche Besetzung, ein missratener Text … Wenn solche Partituren unerwartet aufgefunden werden oder nach Jahrzehnten wieder zur Aufführung gelangen, dann ist oft die Rede von einer «zu Unrecht vergessenen» Komposition. Ob sie dann aber auch ins Repertoire eingeht oder wenigstens in die allgemeine Wahrnehmung rückt, das sei dahingestellt. Eine ketzerische Frage drängt sich dabei immer auf: Gibt es nicht auch «zu Recht vergessene» Kompositionen – etwa allzu frühe Jugendwerke oder gar Gelegenheitsmusiken?

Die Mechanismen des Repertoires funktionieren jedenfalls nicht nach festen Regeln. So auch bei Beethoven und seinem reichen Œuvre, von dem nicht alles gleichermassen bekannt ist – im Gegenteil: von dem noch einiges zu entdecken wäre. So auch die Kantate auf den Tod Kaiser Josephs II. WoO 87 (1790), ein Auftragswerk der Bonner Lese- und Erholungsgesellschaft (die es übrigens noch heute gibt und seit 2019 auch Frauen als Mitglieder zulässt). In den alten Protokollen des Geschäftsführenden Ausschusses ist der Vorschlag nachzulesen, dass «entweder vor oder nach der Rede etwas Musikalisches aufgeführt» werden solle. Zur Darbietung der Kantate kam es indes nicht. Wie es später heisst: «aus mehreren Ursachen». Vielleicht hatte Beethoven das Werk zu umfangreich disponiert (mit einer Spieldauer von knapp einer Dreiviertelstunde), möglicherweise wurde es zu spät fertig (zwischen Auftrag und der Gedenkfeier am 19. März standen nur drei Wochen zur Verfügung), zudem hatte Kurfürst Maximilian, der Bruder des Verstorbenen und Prorektor der Gesellschaft, um eine Stille Stunde im Sinne eines Trauergottesdienstes gebeten.

Beethovens Autograf ging ungespielt verloren. Eine Abschrift tauchte erst 1884 wieder auf, und die Kantate erklang auf Anregung von Eduard Hanslick erstmals in einem Konzert der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Seither führt sie ein Schattendasein. – Zu Recht? Mit Sicherheit nicht, denn hier ist schon sehr viel vom späteren Beethoven zu hören. Keineswegs zufällig hat nämlich der Meister musikalisches Material später in anderen seiner Werke (auch im Fidelio) wiederverwendet.
 


Hören Sie rein!


Keine Folge verpassen

Sie möchten jeweils daran erinnert werden, wenn ein neuer Blogeintrag veröffentlicht wird? Abonnieren Sie hierzu unsern Newsletter oder den RSS-Feed!


Machen Sie mit!

280 Millionen Soforthilfe für die Kultur

Der Bundesrat hat Massnahmen zur Abfederung wirtschaftlicher Folgen bekanntgegeben. Auch im Kulturbereich gilt es, Konkurse zu verhindern und einschneidende finanzielle Folgen abzumildern.

Anastasiia Chepinska/unsplash.com

Damit will der Bundesrat «eine dauerhafte Schädigung der Schweizer Kulturlandschaft verhindern und die kulturelle Vielfalt der Schweiz erhalten», wie er in der Medienmitteilung schreibt. Und weiter:

«Mittels Soforthilfen und Entschädigungen sollen die wirtschaftlichen Auswirkungen des Veranstaltungsverbots auf den Kultursektor (Darstellende Künste, Design, Film, Visuelle Kunst, Literatur, Musik und Museen) abgefedert werden. Er stellt dafür in einem ersten Schritt 280 Millionen Franken als erste Tranche für zwei Monate zur Verfügung. Der Bund wird in diesen zwei Monaten die weitere Entwicklung zusammen mit den Kantonen und Kulturorganisationen verfolgen. Es sind folgende Massnahmen vorgesehen:

Erstens stellt der Bund Mittel zur Verfügung, um Soforthilfen an Kulturunternehmen und Kulturschaffende zu leisten: Nicht gewinnorientierte Kulturunternehmen, zum Beispiel Stiftungen, können rückzahlbare zinslose Darlehen zur Sicherstellung ihrer Liquidität erhalten. Kulturschaffende können nicht rückzahlbare Nothilfen zur Deckung der unmittelbaren Lebenshaltungskosten beanspruchen, soweit diese nicht über die neue Entschädigung für Erwerbsausfall in Anlehnung an die Erwerbsersatzordnung sichergestellt ist. Die Abwicklung erfolgt über die Kantone (Kulturunternehmen) bzw. über Suisseculture Sociale (Kulturschaffende).

Zweitens können Kulturunternehmen und Kulturschaffende bei den Kantonen um eine Entschädigung für den namentlich mit der Absage oder der Verschiebung von Veranstaltungen bzw. mit Betriebsschliessungen verbundenen finanziellen Schaden ersuchen. Die Ausfallentschädigung deckt höchstens 80 Prozent des finanziellen Schadens. Der Bund trägt die Hälfte der Kosten, welche die Kantone zusprechen.

Drittens können Laien-Vereine in den Bereichen Musik und Theater mit einem finanziellen Beitrag für den mit der Absage oder Verschiebung von Veranstaltungen verbundenen finanziellen Schaden unterstützt werden.»
 

Zudem hat der Bundesrat Ansammlungen von mehr als fünf Personen verboten. Er verzichtet auf ein Ausgehverbot sondern setzt auf die Solidarität und die Eigenverantwortung jedes einzelnen. Wichtig sei das Verständnis der Bevölkerung für die Massnahmen. Denn sie müssen bis am 19. April eingehalten werden. Das erfordert von allen ein grosses Durchhaltevermögen.

 

Bildnachweis

Photo by Anastasiia Chepinska on Unsplash
https://unsplash.com/photos/WLfG-Q_tv2A
 

Aargau mit neuem Kulturchef

Der Aargauer Regierungsrat hat den bisherigen Kantonsarchäologen Georg Matter zum neuen Leiter der Abteilung Kultur im Departement Bildung, Kultur und Sport (BKS) bestimmt. Er tritt die Nachfolge von Thomas Pauli-Gabi an, der zum Direktor des Bernischen Historischen Museum ernannt worden ist.

Georg Matter (Bild: zVg)

Georg Matter amtet seit Februar 2018 als Stellvertreter des Abteilungsleiters Kultur. Vor seiner Tätigkeit beim Kanton war erwährend zehn Jahren als Gründungs- und Geschäftsleitungsmitglied der Firma ProSpect GmbH in Reinach tätig.

Georg Matter hat an den Universitäten Basel und Freiburg im Breisgau (D) Ur- und Frühgeschichte, Mittelalterarchäologie und Klassischen Archäologie studiert. 2008 promovierte er am Institut d’Archéologie et des Sciences de l’Antiquité (IASA) der Universität Lausanne. 2012 absolvierte er einen CAS Zertifikatslehrgang an der Fachhochschule Nordwestschweiz zu Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre.
 

get_footer();